Beschädigte Ostseepipeline: Chinesischer Anker unter Verdacht
Vor rund drei Wochen wurde eine Gaspipeline in der Ostsee zwischen Finnland und Estland beschädigt. Jetzt erhärtet sich ein Anfangsverdacht.
Das Schiff hielt sich in der Nacht zum 8. Oktober gegen ein Uhr ebenso wie ein halbes Dutzend anderer Schiffe in dem Meeresgebiet der Finnischen Bucht auf, in dem die Unterwasserpipeline in einer Tiefe von 60 bis 70 Metern auf dem Meeresboden verläuft. Die „Newnew Polar Bear“ war dort auf dem Weg von Sankt Petersburg in den Nordatlantik.
Eine angeblich am Wochenende gemachte Aufnahme des Bugs zeigt, dass dem Schiff der Backbordanker fehlt. Die finnische Polizei vermutet, dass es eben dieser sechs Tonnen schwere Anker ist, den man in der Nähe der beschädigten Pipeline am Meeresboden gefunden und am Montag im Rahmen einer mehrstündigen Aktion von dort geborgen hat.
Der eine Arm des Ankers sei gebrochen und man habe Spuren gefunden, die auf einen „Kontakt“ mit der Betonummantelung und dem Stahl der Pipeline hindeuten, teilte Lohi auf einer Pressekonferenz mit. Zudem hätten die Ermittler eine mehr als 10 Kilometer lange Schleifspur auf dem Meeresboden verfolgen können, die der Anker hinterlassen habe.
Diese wäre auch eine Erklärung für den im Zusammenhang mit der Pipelinebeschädigung ebenfalls aufgetretenen Schaden an zumindest einem der Datenkabel. Die schon vor zwei Wochen geäußerte Mutmaßung, dass ein Schiffsanker für die Beschädigung der fraglichen Infrastruktur verantwortlich sein könnte, scheint sich damit zu bestätigen.
„Newnew Polar Bear“ bisher nicht erreichbar
Die „Newnew Polar Bear“, die ihre Reise nach dem 8. Oktober entlang der norwegischen Küste nach Nordrussland fortgesetzt hatte, hielt sich laut der Webseite „Marine Traffic“ am Mittwoch zur Weiterfahrt durch die Nordostpassage entlang der sibirischen Küste nördlich der Hafenstadt Archangelsk auf.
Man habe in den letzten Tagen vergeblich versucht, mit der Schiffsführung Kontakt aufzunehmen, erklärten Vertreter der Ermittlungsbehörden in Helsinki und Talinn am Dienstagabend übereinstimmend auf Pressekonferenzen. „Das hat jetzt oberste Priorität für uns“, erklärte Lohi: „Damit wir erfahren, was in der stürmischen Nacht passiert sein könnte.“
Außerdem haben die Behörden laut Lohi auch Verbindung mit dem chinesischen Außenministerium aufgenommen. Dieses hatte in einer ersten Stellungnahme die Vermutung zurückgewiesen, ein chinesisches Schiff könne für den Schaden verantwortlich sein. Später äußerten sich Sprecher aber zurückhaltender: Man erwarte „eine objektive, faire und professionelle Untersuchung“.
Auch wenn mittlerweile nahezu alles auf ein Unglück hindeutet, wollen die Ermittler in Finnland und Estland noch keinen Schlussstrich ziehen. „Wir müssen noch untersuchen, ob es sich um eine vorsätzliche Handlung, ob es sich um Fahrlässigkeit oder um schlechte Seemannschaft handelt“, sagte Robin Lardot, Chef der finnischen nationalen Kriminalpolizei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen