Antisemitismus in Großbritannien: London will BDS-Aktionen verbieten

Ein neues Gesetz soll verhindern, dass britische Kommunen oder Universitäten Israel-Boykotte beschließen können. Das geht zu weit, sagen Kritiker.

Michael Gove vor Downing Street 10

Der konservative Minister Michael Gove Foto: Thomas Krych/ZUMA Wire/imago

LONDON taz | Das Unterhaus des britischen Parlament hat am Mittwoch in dritter Lesung einen Gesetzentwurf diskutiert, der britische Kommunen und andere öffentliche Körperschaften daran hindern soll, Sanktionen gegen ausländische Staaten zu verhängen, die nicht von der britischen Regierung beschlossen wurden.

Kern des Gesetzentwurfs mit dem umständlichen Titel „Economic Activity of Public Bodies (Overseas Matters) Bill“ ist, wie die Regierung es bereits im Juni bei der Vorlage im Parlament klargemacht hatte, das Verhindern von gegen Israel gerichteten Maßnahmen im Rahmen der internationalen BDS-Kampagne (Boycott, Divestments, Sanctions). Die will Israel wegen der Besetzung palästinensischer Gebiete international isolieren.

Das Gesetz soll „öffentliche Körperschaften daran hindern, bei gewissen Wirtschaftsentscheidungen von politischer oder moralischer Missbilligung ausländischer Staaten beeinflusst zu werden“, heißt es im Text.

Verantwortliche in Gemeinden, Universitäten oder Behörden dürfen dann in Entscheidungen keine Erwägungen einfließen lassen, die den Eindruck erzeugen können, dass ihre Entscheidung von „politischer oder moralischer Missbilligung“ eines bestimmten Staates beeinflusst seien.

Sonderklausel im Hinblick auf Israel

Die Regierung darf zwar Ausnahmen von diesem Totalverbot zulassen – etwa, um ihre eigenen Sanktionsbeschlüsse gegen andere Länder umzusetzen. Aber eine eigene Klausel stellt ausdrücklich klar, dass solche Ausnahmen nicht „spezifisch oder hauptsächlich auf Israel, die besetzten palästinensischen Gebiete oder die besetzten Golanhöhen“ bezogen sein dürfen.

Man wolle „klarstellen, dass britische Außenpolitik die Sache der britischen Regierung ist“, hatte im Juni der zuständige Minister Michael Gove im Parlament erklärt. Außerdem gehe es um „Schutz für Minderheiten, insbesondere die jüdische Gemeinschaft, gegen Kampagnen, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt schaden und Antisemitismus befördern“.

Die regierenden Konservativen hatten ein solches Gesetz versprochen, nachdem mehrere britische Gemeinden vor Gericht das Recht für einen Boykott von Produkten aus illegalen israelischen Siedlungen in der besetzten palästinensischen Gebieten erstritten hatten.

Dieses Thema wird in europäischen Ländern sehr unterschiedlich behandelt. Die BDS-Seite sieht darin eine legitime, da gegen illegale Besatzung gerichtete Sanktionsmaßnahme, Israel und seine Unterstützer hingegen eine antisemitische, da gegen Juden gerichtete Boykottaufforderung.

Kommunale Sanktionen an der Regierung vorbei?

Bisher existierte im britischen Recht lediglich eine Regierungsanweisung an öffentliche Körperschaften, keine Sanktionsbeschlüsse an der Regierung vorbei zu verhängen. Das Oberste Gericht in London kippte diese Anweisung im Jahr 2020, nach einem jahrelangen Rechtsstreit gegen unter anderen die Stadtverwaltungen von Leeds in Nord­england und Swansea in Wales. Die hatten BDS-Maßnahmen beschlossen und waren dann verklagt worden.

Die Richter wiesen auf die fehlende gesetzliche Grundlage eines Verbots solcher Maßnahmen hin. Diese Gesetzeslücke will die Regierung nun schließen.

Wegen des aktuellen Krieges zwischen Israel und der Hamas erregt das Vorhaben jetzt viel mehr Aufmerksamkeit als im Juni, als es zuerst ins Parlament eingebracht wurde. So hat eine große Gruppe von Abgeordneten einen Änderungsantrag eingebracht, der die Klausel, wonach israelbezogene Ausnahmen vom Boykottverbot unmöglich sind, wieder streicht.

Damit würde Israel auf eine Stufe mit allen anderen Ländern gestellt, argumentieren die Abgeordneten um den Konservativen Kit Malthouse, einen Handelsspezialisten. Der Änderungsantrag fiel am Mittwochabend mit 207 gegen 269 Stimmen durch.

Grundsatzkritik von Human Rights Watch

Der Gesetzentwurf ist unabhängig davon auf Kritik gestoßen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnte, damit würden Gemeinden oder Universitäten auch keine Maßnahmen zugunsten beispielsweise der von China verfolgten Minderheit der Uiguren mehr treffen dürfen.

Die Abstimmung in dritter Lesung, womit das Unterhaus das Gesetz beschließt und es dann ans Oberhaus geht, steht noch aus.

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