Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege: Der Preisträger und der Hetzer

Der Arzt und Friedensnobelpreisträger von 2018 Mukwege will Kongos Präsident werden. Doch seinen Wahlkampf leitet einer, der für Hetze berüchtigt ist.

Denis Mukwege trägt die Falgge der Demokratischen Republik Kongo um dem Hals und schaut mit ernstem Gesicht nach vorne

Denis Mukwege verkündet seine Kandidatur. Sein Wahlkampfleiter Didier Mumengi ist berüchtigt Foto: Justin Makangara / reuters

BERLIN taz | Als Denis Mukwege 2018 den Friedensnobelpreis erhielt, gab es weltweit Beifall. Der mutige Frauenarzt aus Bukavu im Osten der Demokratischen Republik Kongo hatte Zehntausenden Überlebenden brutalster sexualisierter Gewalt in den Kongokriegen geholfen. Das von ihm aufgebaute und unter anderem mit deutscher Entwicklungshilfe finanzierte Panzi-Krankenhaus in Bukavu mit assoziierter Stiftung war Kongos wichtigste medizinische Einrichtung zur Behandlung und Weiterbetreuung vergewaltigter Frauen. Mukwege, lobte das Nobelpreiskomitee damals, sei „national und international das herausragendste Symbol des Kampfes, sexualisierter Gewalt in Krieg und bewaffneten Konflikten ein Ende zu setzen“.

Fünf Jahre später ist aus dem „Mann, der die Frauen heilt“, ein Politiker geworden. Seit vierzig Jahren heile er geschundene Frauen, nun wolle er das Land heilen, sagte der 68-jährige Mukwege am 2. Oktober in Kongos Hauptstadt Kinshasa und erklärte seine Kandidatur zu den für den 20. Dezember angesetzten Präsidentschaftswahlen.

Am 22. Oktober eröffnete Mukwege auf einer Veranstaltung am Sitz der katholischen Bischofskonferenz in Kinshasa vor Großplakaten mit der Parole „Mukwege Präsident, ich glaube daran“ in Kinshasa seinen Wahlkampf und stellte sein Team vor. „Ihr seid eine Kraft des Guten!“, rief der alte Mann mit etwas bemühter, brüchiger Stimme zu Applaus. In Wallung geriet die meist jugendliche Menge aber erst, als Mukweges frisch gekürter Wahlkampfleiter ans Mikrofon treten durfte: Didier Mumengi, vor einem Vierteljahrhundert Regierungssprecher unter dem damaligen Präsidenten Laurent-Désiré Kabila und in dieser Funktion berüchtigt für ethnische Hetze und Hass im Staatsauftrag.

Mumengis unrühmlicher Ruhm geht auf August 1998 zurück, als der zweite Kongokrieg begann. Im ersten Kongokrieg 1996 und 1997 hatte Kabila an der Spitze einer Rebellenkoalition mithilfe des Nachbarlandes Ruanda und anderer Verbündeter wie Angola die jahrzehntelange Mobutu-Diktatur gestürzt und auf den Ruinen von Mobutus Staat Zaire die „Demokratische Republik Kongo“ ausgerufen. Im Sommer 1998 brach Kabila mit Ruanda, woraufhin seine Armee, kommandiert vom ruandischen Tutsi-General James Kaberebe, in den Aufstand trat. Die Rebellen übernahmen den Osten des Landes und versuchten mit einem Blitzkrieg, auch Kinshasa zu besetzen. Kabila verließ die Hauptstadt, um im südlichen Afrika Unterstützung anzuwerben. Sprecher Mumengi hielt in Kinshasa die Stellung.

„Die letzten Zuckungen der Invasoren“

Als die Tutsi-Rebellen Ende August im Begriff schienen, Kinshasa einzunehmen, griffen Regierungsmitglieder in der Hauptstadt zu einer Rhetorik, die an Ruandas Völkermord an den Tutsi 1994 erinnerte. Die Rebellen seien „Müll, Ungeziefer und Mikroben“, die „methodisch und resolut“ zu beseitigen seien, erklärte Kabilas Kabinettsdirektor Abdoulaye Yerodia am 27. August 1998 im Staatsrundfunk RTNC, der Informationsminister Mumengi unterstand.

Mumengi selbst erklärte am Vortag: „An alle Jugendlichen ergeht ein dringender Appell, sich unter dem wachsamen Auge der kommunalen Behörden in Selbstverteidigungskräften zu organisieren, um die Sicherheit unserer Viertel und unserer Stadt Kinshasa zu gewährleisten. Der Augenblick ist gekommen, um den letzten Zuckungen der Invasoren endgültig ein Ende zu setzen; sie haben keine Alternative außer der Flucht vor der Entschlossenheit des kongolesischen Volkes, sich nicht länger unterjochen zu lassen, vor allem nicht vom kleinen Tutsi-Volk.“

Diese Aussagen sind in einer Klage der belgischen Staatsanwaltschaft gegen Yerodia und Mumengi aus dem Jahr 2000 dokumentiert, die wegen fehlender Zuständigkeit der belgischen Justiz folgenlos blieb. In einem Interview vor einigen Monaten erinnert sich Mumengi selbst an seine Aufrufe zur Selbstverteidigung gegen die Rebellen: „Ich sagte der Bevölkerung: Sie sind nicht mehr weit. Sie kommen. Gewährt ihnen keinerlei Gastfreundschaft. Wenn ihr könnt, fangt sie, sogar mit bloßen Händen.“

Es ist auch belegt, dass es nach entsprechenden Radioansprachen zu Lynchjustiz an Tutsi in Kinshasa kam; viele wurden totgeschlagen oder bei lebendigem Leibe verbrannt. Bis heute setzen viele kongolesische Tutsi nur mit großer Vorsicht den Fuß nach Kinshasa und meiden Stadtviertel mit organisierten Jugendbanden. Der Kongokrieg von 1998 endete zwar 2003, aber Tutsi-Soldaten treten bis heute immer wieder in den Aufstand, aktuell in der erneut von Ruanda unterstützten Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März), gegen die im Osten des Landes schwere Kämpfe toben.

„Wir sind im Krieg“

In Kongos laufendem Wahlkampf sowie im Kampf gegen die M23 treten erneut militante Jugendbanden in Erscheinung, die sich kollektiv „Waza­lendo“ (Patrioten) nennen. „Patriotischer Appell“ ist auch der Name des zivilgesellschaftlichen Bündnisses, das Mukweges Präsidentschaftskandidatur trägt. Der Kandidat selbst hat in den vergangenen Jahren immer wieder Ruanda beschuldigt, Kongo auszuplündern. „Unsere Regierung hat unsere Souveränität an Ruanda verscherbelt“, behauptete er in seiner Kandidaturerklärung.

„Ich habe eingewilligt, mit Doktor Denis Mukwege zusammenzuarbeiten, um ein intelligentes Team zu schaffen und die Wahlen zu gewinnen“, begründete Mumengi seinen Wahlkampfeintritt. Von Mukwege selbst liegt zur Vergangenheit seines Wahlkampfleiters keine Stellungnahme vor.

Auch in der Gegenwart hält sich Mumengi nicht zurück. „Wir sind im Krieg“, rief er am Sonntag: „Ich habe dem Doktor gesagt: Unsere Generation hat nicht das Recht, euch, unseren Kindern, eine Nation im Krieg zu hinterlassen.“ Man müsse diesem Zustand „tiefgreifend, radikal und endgültig“ ein Ende setzen. Es sind dieselben Begriffe von früher, die sich bis heute in Aufrufen ruandischer Völkermordtäter zum Kampf gegen Ruandas Tutsi finden.

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