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Parlamentswahlen in der SchweizKulturkampf ist das falsche Rezept

Caspar Shaller
Kommentar von Caspar Shaller

Alle reden über den Rechtsruck in der Schweiz. Doch das wirkliche Drama ist die geringe Wahlbeteiligung. Das Land hat ein Demokratieproblem.

Der regierende Hauptmann des Bezirks Appenzell trägt die Wahlurne zum Auszählungslokal Foto: Gaetan Bally/KEYSTONE/dpa

D ie SVP ist mal wieder die mit Abstand erfolgreichste populistische Partei Europas. Sie ist Inspirationsquelle und Geldgeberin für andere rechte Parteien von der FPÖ bis zur AfD. Und die SVP zeigt, dass man Kulturkämpfe gegen rechts nicht gewinnen kann. Ohnehin schon stärkste Kraft, hat sie bei den Parlamentswahlen am Sonntag noch mal zugelegt. In diesem Wahlkampf gab es Skandale über die Nähe zu Rechtsextremen noch und nöcher, wovon die Mitarbeit junger Neonazis der rechtsextremen Gruppe Junge Tat an der Kampagne einer SVP-Kandidatin im Kanton Zürich wohl nur der aufsehenerregendste war. Die Eigenössische Kommission gegen Rassismus kritisierte die Kampagnen der SVP als „fremdenfeindlich und hetzerisch“. Doch das hat in einem Land, das seit einer ganzen Generation an die Verrohung von SVP-Wahlplakaten inklusive Übernahme von Nazi-Bildsprache gewöhnt ist, niemanden mehr interessiert.

Das wirkliche Drama ist die Wahlbeteiligung: Nur 46 Prozent der Schwei­ze­r:in­nen mochten überhaupt eine Stimme abgeben. Das wird in der Schweiz, die sich oft als älteste und demokratischste Demokratie der Welt rühmt, gerne damit erklärt, dass ja ohnehin alle drei Monate Volksentscheide stattfinden. Da kann ja jeder mitentscheiden. Dass dieses Land ein fundamentales Demokratieproblem hat, darüber spricht niemand. Die Schweiz kennt fast die höchsten Mieten Europas, das zweitteuerste (und privat zu finanzierende) Gesundheitssystem der Welt und eins der angestelltenfeindlichsten Arbeitsrechte Westeuropas. In einem politischen System mit Parteien als statischen Blöcken in der Regierung denken sich viele von diesen Zuständen Niedergedrückten zu Recht: Ändert eh nichts.

Die sozialdemokratische Partei SP hat vorgemacht, wie es doch geht: Mit einem Fokus auf die soziale Frage und einer kämpferischen Herangehensweise haben sie den Erwartungen eines Kollapses getrotzt und bauen ihre Fraktion aus. Im bevölkerungsreichsten Kanton Zürich hat die SVP sogar nur im Promillebereich zugelegt, während die SP fast 4 Prozentpunkte zugewann.

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Caspar Shaller
Redakteur taz2, zuständig für Medienthemen. Interessiert sich auch für Arbeitskämpfe und sonstiges linkes Gedöns, aber auch queere Themen und andere Aspekte liederlichen Lebenswandels. Vor der taz einige Jahre Redakteur im Feuilleton der Zeit und als freier Journalist in Europa, Nordamerika und dem Nahen Osten unterwegs gewesen. Ursprünglich nicht mal aus Deutschland, aber trotzdem irgendwann in Berlin gestrandet. Mittlerweile akzentfrei.
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3 Kommentare

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  • Hm. Aber in den 1999er Jahren lag die Wahlbeteiligung sogar bei nur 42 %? Und wer Dürrenmatt gelesen hat, wird das schweizerische Demokratieproblem rund um die vielen Honoratioren und das Bankengeld nichts Neues sein.

  • Kurze aber konzentrierte Analyse mit einer guten Nachricht am Schluss. Danke!

    • @Ajuga:

      Was fehlt, sind die aktuellen Daten und Verhältnisse. Was sind 4% Zugewinn im Verhältnis von zuvor 1000 zu 10?