Einschulung: Wenn man mehr lernt als das Schulkind

Die Einschulung ist eine aufregende Zeit. Aber neu ist mir, dass auch Eltern ganz schön was lernen.

Spielerischer Unterricht in der Nordmarkt-Grundschule in Dortmund

Spielerisches Lernen und neues Selbstbewusstsein Foto: imago

Ich habe in den vergangenen Wochen ganz schön viel gelernt. Vielleicht mehr als das Schulkind, das seither die erste Klasse besucht. Ich habe etwa gelernt, dass das Kind gar nicht mehr so lange Kind sein wird und dass mich das zu gleichen Teilen wehmütig und neugierig macht. Ich habe gelernt, dass es mir überhaupt nicht leicht fällt, das Kind von einem auf den anderen Tag ein gutes Stück mehr loszulassen als zuvor. Aber auch, dass ich mich daran gewöhnen kann.

Ich habe ebenfalls gelernt, dass sein Selbstbewusstsein in neuen Umgebungen ein paar Tage braucht, bis es hinterherkommt. Dass es etwas dauert, bis das Kind wieder sicher durch neue soziale Situationen steuern kann. Und dass es alle Regeln in der Schule einmal ganz genau erklärt haben will.

Ich habe gesehen, wie leicht es Freunde findet und wie schnell es Menschen ans Herz wächst. Aber auch, wie viel es von anderen Menschen übernimmt. Ich habe also gelernt, dass wenn das Kind gemeinsam mit anderen Kindern aus allen Altersstufen eine Klasse besucht, das nicht nur heißt, dass es in den Schulstunden anders lernen kann, sondern auch, dass es anderes Vokabular aus den Pausen mit nach Hause bringt. So kam es, dass das Kind, das gerade noch im Kindergarten Pinguine gebastelt hat, nun nach der Schule erzählt, dass ihm jemand den Ball „voll in die Eier“ gehauen habe.

Ich habe ebenso gelernt, dass wir jetzt samstags gemeinsam Hefte durchschauen und hastig in den Ranzen genudelte Arbeitsblätter übers Wochenende zwischen großen Büchern wieder plattdrücken müssen. Und dass wir üben müssen, das kleine „m“ zu schreiben, wie zwei Bögen, die miteinander kuscheln. Und das Plus, das oft noch eher aussieht wie ein Bekenntnis zum Christentum. Aber ich habe auch gelernt, dass wir uns beide darauf freuen, bald miteinander lesen zu können. Und natürlich, dass es im Schulgebäude kleine Schwarze Löcher zu geben scheint, die Dinge verschlucken – der teuerste Stift geht immer zuerst verloren.

Ich habe auch gemerkt, dass man aufpassen muss, dass nicht irgendwann der halbe Kleiderschrank des Kindes in der Schule hängt. Dass wir insgesamt noch lernen müssen, nicht ständig alles zu verlieren und zu vergessen. Vor allem nicht die Brotbox vom Ausflug im Rucksack im Flur.

Ich habe gelernt, dass ich es immer noch hasse, um sechs Uhr aufstehen zu müssen, weil die Schule um acht Uhr losgeht. Denn die Kinder sind leider keine Lerchen und auch keine Eulen, sondern vor allem Schnecken. Und dass ich die weichen, gemütlichen Kindergartentage vermisse, wo es relativ egal war, wann wir ankommen und wann wir abholen.

Ich habe gelernt, dass das Kind nach der Schule nie weiß, was es den ganzen Tag gemacht hat. Nicht mal, was es zu essen gab. Aber wenn es später schlafen soll, sprudelt jedes noch so kleine Detail seines Tages aus ihm heraus. Besser spät als nie. Und eine Sache, die ich nur geahnt habe: Es ist egal, wie die Schule anfangs auf einen wirkt. Ob die Kinder gern hingehen, kommt vor allem auf die Klas­sen­leh­re­r*in­nen an. Da haben wir Glück gehabt. Was ich aber vor allem wieder gemerkt habe, ist, dass wir wirklich stolz sein dürfen auf diesen kleinen Menschen, der jetzt gar nicht mehr so klein ist.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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