Presse in Indien: Durchsucht, verhört, verhaftet
Indien geht hart gegen das regierungskritische Medium „Newsclick“ vor. Aber Opposition und Kolleg:innen solidarisieren sich.
Was gerade passiere, sei ein Zeichen der Verzweiflung der Regierung, sagt die preisgekrönte indische Schriftstellerin Arundhati Roy. Sie gehört zu den protestierenden Medienschaffenden, die in diesen Tagen in Indien für Aufsehen sorgen. Mit Kundgebungen im Presseclub der Hauptstadt Delhi, auf dem Protestplatz Jantar Mantar oder einer Mahnwache in der Küstenstadt Mumbai. Die jüngste Razzia gegen Mitarbeitende des regierungskritischen Nachrichtenportals Newsclick gilt als Versuch, die Pressefreiheit im Land einzuschränken.
Roy trägt in Delhi ein Schild um den Hals, auf dem sie „Freiheit für die Presse“ fordert. „Es gibt eine große Verachtung und Respektlosigkeit gegenüber der Presse“, sagt sie. Etwa, dass der indische Premierminister Narendra Modi von der regierenden hindunationalistischen BJP in seiner mehr als neunjährigen Amtszeit noch keine Pressekonferenz gegeben hat. Journalist:innen ohne Grund zu schikanieren und zu inhaftieren werde nicht toleriert, äußerten sich andere, auch Organisationen wie etwa der Mumbaier Presseclub.
Am 3. Oktober wurden der 76-jährige Newsclick-Gründer Prabir Purkayastha und ein weiterer Mitarbeiter für zunächst eine Woche in Gewahrsam genommen. Eine Sondereinheit führte in den frühen Morgenstunden vor allem in Delhi zahlreiche Durchsuchungen in Büros und Wohnungen von über 40 ehemaligen, aktuellen und freiberuflichen Mitarbeiter:innen des Portals durch. Es wurden Verhöre durchgeführt, Mobiltelefone und Laptops beschlagnahmt. Das Büro in Delhi wurde versiegelt.
„Wir haben weder eine Kopie der Strafanzeige erhalten, noch wurden wir über die genauen Details der uns zur Last gelegten Straftaten informiert“, teilte Newsclick auf seiner Website mit. Journalistische Unabhängigkeit und Kritik seine keine „antinationale“ Stimmungsmache. Grund für die Verhaftung seien mutmaßliche Verbindungen Purkayasthas zu einem unter Hausarrest stehenden Aktivisten. Die Webseite verbreite angeblich chinesische Propaganda. Das harte Vorgehen der Behörden wird mit dem berüchtigten Anti-Terror-Gesetz UAPA gerechtfertigt, das auch gegen kritische Medienschaffende angewandt wird. Für viele ist klar, diese Repressionen sollen eine abschreckende Wirkung haben.
„Wenn jemand eine Straftat begangen hat, werden die Ermittlungsbehörden tätig“, rechtfertigte Informationsminister Anurag Thakur (BJP) das Vorgehen auf einer Pressekonferenz.
Vereinte Nationen beunruhigt
Das Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nationen äußerte sich gegenüber dem Magazin Wire: „Unser Büro ist beunruhigt über Berichte über Razzien, Verhaftungen und Festnahmen sowie die Beschlagnahmung von Eigentum von Journalisten in Delhi.“ Medienschaffende forderten unterdessen Indiens obersten Richter Dhananjaya Chandrachud öffentlich auf, sich für Newsclick einzusetzen.
Nach Angaben des Free Speech Collective, einer indischen Plattform, die sich für Meinungsfreiheit einsetzt, wurden zwischen 2010 und 2023 insgesamt 16 indische Journalist:innen unter dem UAPA verhaftet. Sieben befinden sich noch in Haft.
Geeta Seshu vom Collective beklagt, dass Kolleg:innen „als Terroristen stigmatisiert werden“. Der Anstieg der UAPA-Fälle sei ein Zeichen dafür, dass die Meinungsfreiheit in Gefahr sei. Unterstützung kommt auch von anderen Medien, etwa von der Tageszeitung The Hindu, die das Szenario einen „nicht erklärten Notstand“ nannte. Das widerspricht dem Bild, das Indiens Premier Modi gerne zeichnen möchte: Während des G20-Vorsitzes betonte er, Indien sei die Mutter der Demokratie.
Newsclick ist der Regierung nicht unbekannt
Auch die Opposition kritisierte die Zentralregierung in Delhi. Der Ministerpräsident des Bundesstaates Kerala verurteilt das Vorgehen gegen Newsclick in den Medien gar als „verwerflich“ und eine „faschistische Methode“ zur Unterdrückung abweichender Meinungen.
Schon 2021 geriet Newsclick ins Visier der Regierung, damals begann die Steuerbehörde mit Ermittlungen wegen einer hohen ausländischen Finanzierung. Im August wurden erneut Anschuldigungen laut. Die Arbeit für Medienschaffende in Indien wird seit Jahren schwieriger. Auch die britische BBC erlebte im Februar bereits Durchsuchungen der Büros und Befragungen durch Finanzbeamte – kurz nach der Ausstrahlung der kritischen BBC-Dokumentation „The Modi Question“.
Das schwedische Forschungsinstitut V-dem stufte Indien nunmehr als „Wahlautokratie“ ein. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht das Land auf Platz 161 von 180.
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