Kinoempfehlungen für Berlin: Die Propaganda der Sieger

„The Lost King“ erzählt vom Festhalten britischer His­to­ri­ke­r*in­nen am Bild des Shakespeare-Schurken Richard III. Auch nicht tot zu kriegen: Harry Potter.

Eine Frau unterhält sich auf einem Feld mit Menschen in Kostümen, die auf Pferden sitzen

„The Lost King“ (2022) Foto: Graeme Hunter/X-Verleih

Richard III. saß im 15. Jahrhundert in England als letzter König aus dem Hause Plantagenet (ein Vorfahre war Richard Löwenherz) auf dem Thron. Das tat er allerdings lediglich zwei Jahre lang, ehe er 1485 in der Schlacht von Bosworth zu Tode kam; Nachfolger wurde sein Bezwinger, ein sehr entfernter Verwandter aus dem Hause Tudor.

Und natürlich ist Richard III. auch eine der bekanntesten Dramen-Figuren von William Shakespeare: ein Erzschurke, der reihenweise seine Verwandten umbringen lässt, um auf den Thron zu gelangen, und daran offenbar auch noch jede Menge Spaß hat.

Die gruselige Popularität des Shakespeare-Schurken überlagerte die (mit vielen Fragezeichen versehene) historische Wahrheit lange Zeit, aber seit nunmehr auch schon einigen Jahrzehnten versuchen Historiker das schiefe Bild wieder gerade zu rücken: Denn Richard der Erzschurke ist vor allem eine Propaganda der Sieger, die den verblichenen Herrscher als Monster darstellten, um ihren eigenen höchst wackeligen Anspruch auf den Thron zu rechtfertigen.

Insofern scheint es etwas erstaunlich, wenn Philippa Langley, die Protagonistin von Stephen Frears' jüngstem, auf wahren Begebenheiten beruhenden Film „The Lost King“, in den 2000er Jahren britischen Historikern begegnet, die immer noch das Bild des Shakespeare-Schurken hochhalten.

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Denn die Amateurhistorikerin Philippa (Sally Hawkins) ist als Richard-Fan davon beseelt, sein bislang unbekanntes Grab zu entdecken. Es gelingt ihr dann tatsächlich, allerdings gegen vielerlei Widerstand von Gelehrten, die sie nicht ernst nehmen. 2012 wurden Richards Gebeine unter einem Parkplatz in Leicester gefunden.

Wer allein das schon lustig findet: Das Underdog-Drama ist eher von der leichten Sorte und hat manchmal durchaus komödiantische Anklänge. Und wie es alles wirklich war, erzählt im Anschluss an die Preview dann die echte Philippa Langley in einer kleinen Fragerunde (19. 9., 20.30 Uhr, Kant Kino).

Weltweit noch populärer als Richard ist zweifellos J.K. Rowlings literarische Erfindung Harry Potter, die in gewisser Weise ja auch nicht tot zu kriegen ist. Wer Potter aber lediglich für Kinderkram hält, sollte sich vom dritten Film der Reihe, „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ (2004) ruhig mal des Besseren belehren lassen.

Inszeniert vom mexikanischen Regisseur Alfonso Cuarón reduziert der Film den ganzen Blödsinn wie das dauernde Quiddich-Spielen und die Rivalitäten der verschiedenen „Häuser“ im Schulinternat Hogwarts nämlich auf ein Minimum und konzentriert sich stattdessen darauf, die der literarischen Vorlage durchaus innewohnende Düsternis adäquat auf die Leinwand zu übersetzen.

Gestaltwandler, der vermeintliche Mörder Sirius Black, grässliche Dementoren, die den Menschen Glück und Seele rauben, sowie allerlei nächtliche Umtriebe mit seltsamen Geschöpfen im Wald sind die Zutaten, aus denen hier ein exzellenter Fantasy-Film entstanden ist (17. 9., 13.45 & 14.15 Uhr, CinemaxX Potsdamer Platz, 20. 9., 20 Uhr, Freiluftkino Pompeji).

Das Fantasy-Filmfest findet auch gerade statt und bietet bis zum 20. September einmal mehr Krimis, Horror sowie Fantasy und Science Fiction jüngerer Produktion. So auch Jérémie Périns Sci-Fi-Animationsfilm „Mars Express“, der von einer Dystopie aus dem Jahr 2200 erzählt. Die Erde ist nämlich nur noch ein Slum, die bessergestellten Menschen leben längst auf dem Mars.

Dort kommen die Privatdetektivin Aline und ihr Cyborg-Partner Carlos einem Komplott auf die Spur, das das komplizierte Zusammenleben von Menschen und Robotern betrifft. „Mars Express“ weiß nicht nur mit attraktiven gestalterischen Ideen zu gefallen, sondern auch mit seinen Gedanken zum freiem Willen künstlicher Intelligenzen, die sich vor dem Hintergrund einer spannenden Detektivgeschichte entfalten (15. 9., 15 Uhr, Zoo Palast).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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