Hacker mit Spuren nach Ungarn: Cyber-Attacke gegen Presse-Institut

Das International Press Institute in Wien wird von Hackern attackiert. Es sieht einen Bezug zu ähnlichen Angriffen auf unabhängige Medien in Ungarn.

Ein Banner des International Press Instituts hängt bei einer Veranstaltung in einem festlich geschmückten Raum

Das International Press Institute in Wien ist massiven Hackerangriffen ausgesetzt Foto: Christian Charisius/picture alliance

ZÜRICH taz | Das International Press Institute (IPI) in Wien leidet derzeit unter einem gezielten Cyber-Angriff. Seit Anfang September war die Webseite zeitweise nicht zu erreichen. Grund ist eine Überlastung des Servers durch einen sogenannten DDoS-Angriff („Distributed Denial of Service“). Die Attacke dauert weiter an.

Das IPI hat Hinweise darauf, dass es sich bei den Angreifenden um einen oder mehrere Hacker aus Ungarn handeln könnte. Es sieht einen Zusammenhang zu ähnlichen Attacken, die in den letzten Monaten regierungskritische Medien in Ungarn trafen.

Erst Ende August veröffentlichte das IPI einen Report über Angriffe auf mindestens 40 verschiedenen Webseiten regierungskritischer Medien in Ungarn, darunter Telex, HVG, 444.hu, Magyar Hang und Népszava. Laut IPI war kein Medienunternehmen betroffen, das die regierende Fidesz-Partei unterstützt, was auf ein politisches oder ideologisches Motiv schließen lasse. Das IPI sprach von einer „beispiellose Welle von Cyberangriffen“ in Ungarn, die eine „ernsthafte und wachsende Bedrohung für den freien Informationsfluss in dem Land darstelle, in dem die Pressefreiheit in der Europäischen Union bereits am schlechtesten ist“.

Zwei Tage nach der Veröffentlichung des Reports starteten dann die Angriffe auch auf die Webseite des IPI in Wien. Scott Griffin, stellvertretender Direktor des IPI, sagte der taz: „Wir wissen, dass es sich um einen gezielten und keinen zufälligen Angriff handelt. Es war eine Reaktion auf unsere Berichterstattung. Die Attacke war hartnäckig, die Angreifer kamen Tag für Tag wieder und versuchten, die von uns eingerichteten Abwehrmechanismen zu überwinden.“

Unabhängige Medien in Ungarn enorm unter Druck

Verdächtig ist nicht nur der zeitliche Zusammenhang. Der oder die Angreifer gegen die Medien in Ungarn hätten sich den Spitznamen „HANO“ gegeben und im Schadcode Nachrichten in ungarischer Sprache hinterlassen, erklärte Griffin. „Nun wurde derselbe Spitzname bei dem Angriff auf das IPI verwendet, in diesem Fall mit einer Nachricht auf Englisch.“ Man werde den Vorfall der Polizei melden. „Wir hoffen, dass Anstrengungen unternommen werden, um herauszufinden, wer genau hinter diesen Anschlägen steckt.“

In Ungarn stehen unabhängige Medien enorm unter Druck. Ungarns Rechte sehen sich in einem nationalistischen Kulturkampf gegen „Globalisten“, „Woke“ und Liberale. Die Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. Seit 2010 Ministerpräsident Viktor Orbán mit seiner Partei Fidesz an die Macht kam, krempelte er die Presselandschaft um und brachte staatliche Radio- und Fernsehsender wie private Zeitungen unter seine Kontrolle. Regierungskritische Stimmen gibt es fast nur noch über Onlinemedien.

Die taz hatte im Mai über den Fall der österreichischen Journalistin Franziska Tschinderle berichtet, die im April 2021 tagelang in Ungarns TV-Nachrichten diffamiert wurde – wegen kritischer Fragen an die Orbán-Partei. Die Recherche, die im Rahmen eines Projekts in Kooperation mit dem IPI entstand, zeigt, wie sich in dem Land ein Konglomerat aus privaten und staatlichen Medien gebildet hat, für das es selbstverständlich ist, mit der Fidesz-Regierung Hand in Hand zu arbeiten.

Mitglieder aus fast 100 Ländern

Der Online-Angriff auf das IPI war einer der schwerwiegendsten in der Geschichte des Instituts. „Es ist äußerst besorgniserregend zu sehen, dass eine Organisation für Pressefreiheit angegriffen wird, weil sie ihre Kernaufgabe erfüllt, nämlich das Bewusstsein für Angriffe auf Journalisten und Medien zu schärfen“, sagte Griffin. Behörden wie Medien müssten diese Bedrohung ernst nehmen und sich dagegen wappnen.

Griffin sieht Angriffe nicht nur in Ungarn, sondern auch in anderen Teilen der Welt als eine wachsende Bedrohung der Pressefreiheit in diesen Tagen. „Wir sind besorgt über die Auswirkungen dieser Art von Angriffen auf bevorstehende Wahlen, einschließlich der Wahlen zum Europäischen Parlament im nächsten Jahr.“

Das International Presse Institute mit Sitz in Wien ist eine Medien-Vereinigung mit Mitgliedern aus fast 100 Ländern. Es wurde 1950 gegründet und setzt sich weltweit für die Rechte von Journalisten und Pressefreiheit ein.

Offenlegung: Die taz kooperiert mit dem International Press Institute. Der Autor ist Teil des Rechercheprojekts „Decoding the disinformation playbook of populism in Europe“, das vom IPI geleitet und in Zusammenarbeit mit der kroatischen Faktencheck-Organisation Faktograf und der taz durchgeführt wird. Das Projekt wird von dem European Media and Information Fund finanziell unterstützt, der von der Calouste-Gulbenkian-Stiftung verwaltet wird.

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