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Rechte Anschlagsserie in Berlin-NeuköllnPolizei sucht Maulwurf

In der rechtsextremen Anschlagsserie von Neukölln gab es eine Hausdurchsuchung bei einem Polizisten. Er soll Dienstgeheimnisse weitergegeben haben.

Zum Neukölln-Komplex zählen Ermittler bis zu 23 Brandanschläge Foto: Gareth Joswig

Berlin taz | Der Neukölln-Komplex bleibt ein Puzzle mit unzähligen Teilen. Zwei offenbar entscheidende Stücke haben sich am Mittwoch in der langjährigen rechtsextremen Anschlagsserie mit über 70 Anschlägen aber möglicherweise zusammengefügt. Erneut gab es im größtenteils unaufgeklärten Komplex um angezündete Autos, Hakenkreuz-Schmierereien und Morddrohungen gegen Engagierte eine Razzia bei einem Polizisten – der Fall könnte Hinweise auf einen handfesten Polizeiskandal liefern.

Doch der Reihe nach: Der ehemalige Chef-Ermittler Michael E. sprach jüngst im mit der Anschlagsserie befassten Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses davon, dass Observationen von Neonazis möglicherweise daran scheiterten, dass es einen Maulwurf in den Reihen der Polizei gegeben haben könnte. Michael E., Leiter der seit 2017 ermittelnden Gruppe „Resin“, wundert sich bis heute, warum die verdächtigen Neonazis immer dann die Füße still hielten, wenn seine Einheit Überwachungen durchführte.

Seine Ermittler hatte den Täterkreis anhand von Indizien recht schnell auf ein paar lokal bekannte Neonazis eingegrenzt. Sie wollten die mutmaßlichen Täter auf frischer Tat ertappen und legten sich dafür häufig verdeckt auf die Lauer – die Rechten zogen allerdings immer nur dann los, wenn sie nicht überwacht wurden. Michael E. schlussfolgerte im Untersuchungsausschuss: „Vielleicht wurden die Einsätze durchgesteckt. Es musste etwas im Busch sein, von dem ich nichts wusste.“

Möglicherweise haben Generalstaatsanwaltschaft und Polizei nun den richtigen Busch durchsucht: Am Mittwochmorgen ließen die Sicherheitsbehörden drei Razzien an sieben Orten durchführen, wie es in einer knappen Mitteilung heißt. Die Ermittlungen richten sich gegen einen Polizeibeamten aus einer Einheit, die sich ebenfalls seit 2017 mit der Anschlagsserie in Neukölln beschäftigte.

Polizist soll im Untersuchungsausschuss aussagen

„Der Mann steht im Verdacht, unter anderem als Mitglied der operativen Gruppe ‚Rex‘ (OG Rex) Dienstgeheimnisse unbefugt an eine Kontaktperson weitergegeben zu haben, wobei er nicht ausschließen konnte, dass diese Informationen auch Dritten zur Kenntnis gelangen könnten.“ Nach Informationen der taz sollen die Durchsuchungen bei Norbert M. stattgefunden haben, der am Freitag auch im Untersuchungsausschuss vernommen werden soll.

Die Durchsuchungen erfolgten laut Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwochmorgen an Wohnung und Dienststelle des Beschuldigten sowie bei zwei Zeugen. Die Polizei habe Mobiltelefone und „sonstige Datenträger“ beschlagnahmt, die nun ausgewertet würden. Nähere Angaben machte die Generalstaatsanwaltschaft auf taz-Anfrage wegen der laufenden Ermittlungen nicht.

In der OG „Rex“ waren nur wenige Beamte. Die Gruppe existierte parallel zur Ermittlungsgruppe „Resin“ beim LKA. Die im März 2017 gegründete OG bearbeitete auch den Neukölln-Komplex und hielt unter anderem Kontakt mit Betroffenen der Anschlagsserie.

Beamter mit Kontakten in rechte Szene weiter im Dienst

Besonders brisant: Einer der Beamten in der OG „Rex“ war Stefan K., der selbst Kontakte in die rechte Szene haben soll, wie sich später herausstellte. Aufgeflogen war K., weil er im April 2017 außer Dienst zusammen mit zwei rechten Union-Fans aus rassistischen Gründen und besoffen einen afghanischen Asylbewerber krankenhausreif prügelte und dafür im März 2023 rechtskräftig verurteilt wurde, als das Landgericht ein Urteil des Amtsgerichts von 2022 bestätigte.

Die Betroffenen der Neuköllner Anschlagsserie kannten K. als vermeintlich vertrauensvollen Ansprechpartner aus der OG „Rex“. Als seine Identität und rechten Verbindungen wegen des rassistischen Angriffs auf den Afghanen aufflogen, fielen die Betroffenen aus allen Wolken.

Interessant auch: K. sollte eigentlich zusammen mit M. diesen Freitag im Untersuchungsausschuss aussagen, hat sich allerdings mit einem Attest krank gemeldet, wie es aus dem Ausschuss hieß. Dafür soll nur dessen durchsuchter Kollege der OG „Rex“ vernommen werden – in der nächsten Sitzung sind dann drei weitere Beamte der Gruppe dran.

Für Niklas Schrader, den Innenexperten der Linksfraktion, hat sich mit der Razzia der Verdacht erhärtet, dass es in der Polizei eine undichte Stelle gab. Schrader sagte der taz: „Es wurde immer abgetan, dass die Tatverdächtigen Infos aus der Polizei bekommen – durch die Entwicklung hat sich der Verdacht darauf allerdings erhärtet. Sollte sich das bewahrheiten, wäre das ein handfester Polizeiskandal. Der Untersuchungsausschuss sollte sich darauf konzentrieren.“ Die OG „Rex“ sei auch in Kontakt mit demokratischen Initiativen in Süd-Neukölln gewesen, sagte Schrader, „es ist also möglich, dass von hier interne Informationen an die Täter geflossen sind.“

Terrorserie noch immer unaufgeklärt

Tatsächlich ist das Vertrauen in Polizei und Staatsanwaltschaft bei den Betroffenen der Anschlagsserie aufgrund zahlreicher Ungereimtheiten zutiefst erschüttert. Es war nicht der erste Fall, in dem es Verbindungen aus den Sicherheitsbehörden zum mutmaßlichen Täterkreis gegeben hat: So wurde ein Staatsanwalt wegen Befangenheit und Verdacht auf AfD-Nähe versetzt. Und ein in der Hufeisensiedlung wohnhafter Polizist und AfD-Mitglied eines benachbarten Polizeiabschnitts war zusammen mit einem der Verdächtigen in einer Chatgruppe und hatte auch dort sensible Informationen geteilt. Einer der Täter ist ehemaliges Mitglied der AfD Neukölln.

Noch immer ist die Terrorserie mit 72 Brandanschlägen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen, die sich gegen Personen richtete, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten, zum größten Teil unaufgeklärt. Zwar war der mutmaßliche Täterkreis schon früh bekannt, dennoch reichten die Indizien nie für eine Verurteilung wegen Brandstiftung. In einem Gerichtsverfahren gegen zwei Hauptverdächtige ist eine Berufung seitens der Staatsanwaltschaft anhängig, zwei Hauptverdächtige wurden lediglich wegen rechtsextremer Schmierereien verurteilt.

Verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen kritisierten unterdessen, dass der wegen des rassistischen Angriffs verurteilte Stefan K. trotz seiner rechtskräftigen Verurteilung noch immer im Dienst sei, und forderten seine Suspendierung. Die Behörde von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) beantwortete auf taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht, ob und warum K. noch immer im Dienst sei.

Ferat Koçak, Linken-Abgeordneter und Betroffener der Anschlagsserie, bleibt angesichts vieler offener Fragen verunsichert: „Unsere Angst beschränkt sich nicht nur auf die Nazis, die diese Anschläge umgesetzt haben, sondern auch auf die Behörden, die uns nicht schützen.“

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2 Kommentare

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  • taz-Zitat: "Unsere Angst beschränkt sich nicht nur auf die Nazis, die diese Anschläge umgesetzt haben, sondern auch auf die Behörden, die uns nicht schützen."



    Neben dem (sicherheits)behördlichen Problembundesland Hessen scheint es auch einen behördlichen Stadtstaat in der Bundesrepublik zu geben.

    • @Thomas Brunst:

      Muss natürlich "Problem-Stadtstaat" heißen.