piwik no script img

Elektronische PatientenakteKranksein erleichtern

Kommentar von Susanne Knaul

Die geplante elektronische Patientenakte wird Zeit und Geld sparen und unnötiges Leid verhindern. Gezwungen wird niemand dazu.

Elektronische Rezepte und digitale Patientenakten sollen auf breiter Front zum Einsatz kommen Foto: David Inderlied/dpa

W er mit einer Grippe oder um gegen Tetanus geimpft zu werden zur Hausärztin geht, wird in der Regel den Kopf schütteln auf die Frage, ob er oder sie einer elektronischen Patientenakte zustimmt. Groß ist das Misstrauen vieler im Land, wenn es um die privaten Daten geht, vor allem wenn intime gesundheitliche Fakten abgefragt werden. Was aber, wenn aus dem vertrauten Patienten-Ärztin-Verhältnis ein Patient-viele-ÄrztInnen-Verhältnis wird?

Was, wenn sie oder er aufgrund langwieriger, komplizierter, schwerwiegender Erkrankungen parallel auf mehrere Behandler, auf Expertinnen und Gesundheitsinstitutionen angewiesen ist? Die Sorge um den Datenschutz verfliegt mit jeder Minute, die man unnötigerweise im Wartezimmer verbringt, am Telefon oder auf dem Weg von einer zur anderen Praxis, nur weil ein Befund nicht zur Hand ist.

Der Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, bis 2025 automatisch für alle Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) anzulegen, ist ohne Abstriche nur zu begrüßen. Wer nicht damit einverstanden ist, soll und kann widersprechen. „Opt-out“, so heißt das Verfahren, das an die Stelle rückt, wo bisher PatientInnen umgekehrt aktiv ihre ePA anlegen lassen mussten. Seit 20 Jahren ist das schon möglich, trotzdem haben bis heute nur sehr wenige Versicherte davon Gebrauch gemacht.

Das Argument, die Krankenkassen könnten im Einzelfall PatientInnen ablehnen oder Tarife erhöhen, ist insofern unsinnig, da die Kassen ohnehin über jeden Eingriff und jedes verschriebene Medikament informiert sind; schließlich tragen sie die Kosten dafür. Allergien, Vorerkrankungen, Medikationen und andere wichtige Informationen wären mit der ePA im Notfall unmittelbar und problemlos einsehbar.

Eine Studie aus den USA spricht von einem Rückgang vermeidbarer medizinischer Fehler um 17 Prozent. Dazu kommen verbesserte Forschungsbedingungen aufgrund der Datenlage. Schon heute werden Krebsfälle dokumentiert, soweit die Patienten keine Einwände anmelden. Letztendlich geht es auch darum, Leben zu retten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Besonders für die Rettungsdienste wäre es gut, über die Karte wichtige Gesundheitsdaten schnell zur Hand zu haben. Bei der Arbeitsüberlastung, die in Arztpraxen und Krankenhäusern herrscht, weiß ich jedoch nicht, wer da korrekte Daten eintragen oder später korrekt auslesen soll. Auch jetzt scheitert das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Ärzten ja nicht an mangelnden Daten. Eher an Möglichkeiten, diese aktuell zu halten und auch auszuwerten.

    • @Woodbine:

      Werden denn wirklich alle Retttungskräfte mit tragbaren Lesegeräten mit Satelltiten-Uplink ausgestattet die auch im Funkloch noch funktionieren.



      Wer für den Notfall wichtige Informationen mitzuteilen hat, kann das auch ganz einfach mit einer beschrifteten Pappkarte im Portemonaie tun. Die funktioniert ganz ohne zentralisierte Datensammlung und kann sogar in einer Tiefgarage ausgelesen werden und das auch von Ersthelfenden die keine spezielle Hardware mit sich herumschleppen.

      • @Ingo Bernable:

        Meines Wissens sind die Rettungskräfe mit Lesegeräten aussgestattet, ich habe es bereits auch selbst einmal so erlebt. Die hätten (ohne Funkloch) also dann gleich Zugriff auf für den Patienten wichtige Daten.



        Die Pappkartenversion zur Sicherheit ist eine gute Idee.

  • Ich denke eine Privatisierung von Gesundheitsdaten ist technisch möglich. ZB. atsign.com/



    Ich frage mich daher ob eine gewisse Ausbeute gewollt ist?



    Die Vorteile einer Digitalisierung der Gesundheitsdaten für den Patienten liegen auf der Hand. Als Konsument von Genesungsangeboten werde ich nicht um die Digitalisierung herum kommen. Es gibt also eine gewisse Alternativlosigkeit.



    Da klingeln doch die Glockenliefen bei jedem KommerzHallodrie.

  • > Seit 20 Jahren ist das schon möglich



    In welchem Universum soll das sein? In den letzten zwei bis drei Jahren habe ich mehrfach den Hausarzt und die Krankenkasse danach gefragt und immer war die Antwort "vielleicht in den nächsten Jahren irgendwann".



    Zudem will ich sie jetzt nicht mehr. Ursprünglich war einmal angekündigt, sie auf der Karte abzulegen. Das wäre keinerlei Problem, die Mikro-SD-Karte an meinem Schlüsselbund hat das tausendfache des dafür nötigen Volumens. Natürlich hätte neben der verlierbaren Karte auch der Hausarzt lokal bei sich eine Kopie davon vorgehalten und ich selbst zu Hause ebenfalls.



    Stattdessen soll sie jetzt irgendwie in die "Klaut", wo weder ich noch mein älterer Hausarzt darauf sicher zugreifen können, wohl aber die extrem guten, jungen, höchstbezahlten IT-Fachleute, die von den kriminellen Datenhändlern angeheuert werden. So nicht. Die Befunde auf Papier sehe nur ich und der, dem ich sie selbst aushändige, sonst keiner. So soll es sein und so soll es bleiben.

  • Der Kunde muss entscheiden können wer auf welchen Teil der Krankenakte Zugriff hat und für wie lange. Des weiteren müssen die Daten dezentral bei den Kunden selbst liegen. So lange das nicht gelöst ist kann das nur zum Desaster führen. Zum Glück gibt es eine opt-out Möglichkeit.

  • "ohne Abstriche nur zu begrüßen"



    Klingt für mich eher nicht nach kritischem Journalismus.



    "Eine Studie aus den USA spricht" tatsächlich davon, dass die ePA die Zahl der Stürze reduziert hätte. Vielleicht sollte man mal eine Studie darüber anfertigen inwieweit auch ein Account auf taz.de die Gefahr von schweren Stürzen oder Behandlungsfehlern reduziert.



    Der wesentliche Fehler bei der ePA war die Entscheidung die Daten nicht bei den Patient*innen zu belassen, sondern sie auf zentralisierten Servern zu speichern. Damit ist die Frage nicht mehr ob, sondern nur noch wann diese gehackt werden.

  • In Deutschland verhindert alleine schon die Möglichkeit, selektiv Informationen auszublenden, dass der Arzt profitiert. Wer soll das Teil befüllen, die kranken Kassen wollen das nicht, warum wohl. Und die Ärzte haben sonst ja nichts zu tun, wo Sie doch schon in Kassenbürokratie ersticken und ohne jeden Inflationsausgleich Ihre Praxen führen sollen. Zentrale Server, 1 x gehackt, dann war es das mit dem Datenschutz.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Die Diskussion um Cybersicherheit muss forciert werden. Denn um Nachteile bei Nichtnutzung der EPK zu vermeiden, werden viele Leute über die Risken un-wohl hinwegsehen.

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Tatsächlich kann IT viel Bürokratie etc. integrieren, es bringt jedoch ein anderes Arbeiten mit sich. Anstelle von 3 Mitarbeiterinnen die dokumentieren braucht man einen IT-ler. Den gibt es aber nur schwer und steht außerdem dem bisherigen Funktionsmodell mit Ärzten und Schwestern/Arzthelferinnen entgegen.