Exile Media Forum in Hamburg: Journalismus aus dem Untergrund
In Hamburg wurde über Lage von Exiljournalist*innen debatiert – auch darüber, wie es ist, wenn man plötzlich als Terrorismus-Förderer eingestuft wird.
Farzad Seifikaran ist leitender Redakteur beim im Amsterdam ansässigen iranischen Exilmedium Radio Zamaneh – und zumindest nach Auffassung des iranischen Außenministeriums fördert er in dieser Position den Terrorismus. Im Dezember letzten Jahres verkündete die Behörde in Teheran, dass sich Radio Zamaneh unter anderem der „Aufstachelung“ zum Terrorismus schuldig gemacht habe. Spätestens seitdem ist Seifikaran in Gefahr.
Beim Exile Media Forum in Hamburg erzählte er am Montag, vor einigen Monaten hätten ihn drei niederländische Polizisten zu Hause aufgesucht und ihn nicht nur über die Gefahrenlage informiert, sondern auch mit einer Mini-Apparatur ausgestattet. Wenn er die Polizei damit benachrichtige, so die Beamten, sei diese in fünf Minuten bei ihm. Seifikaran sieht diese Sicherheitsmaßnahme mittlerweile mit Galgenhumor: „Wenn die iranische Regierung mich töten will, braucht sie dafür wahrscheinlich eine Minute.“
Die bedrohliche Sicherheitslage für Exiljournalist*innen war eines der Themen des von der Körber-Stiftung organisierten Forums, das im Rahmen der 1. Hamburger Woche der Pressefreiheit stattfand. Die afghanische Journalistin Zarah Joya, 2022 vom Time Magazine als eine der „Frauen des Jahres“ ausgezeichnet, berichtete auf demselben Panel, dass die Taliban sogar ihre Eltern ins Visier genommen hätten – weshalb diese Afghanistan verlassen mussten. Joya ist Gründerin der mittlerweile in London ansässigen Plattform Rukhshana Media. Hier berichten afghanische Frauen über für Afghaninnen relevante Themen.
Exilmedien in Deutschland
Afghanische Journalist*innen waren stark vertreten unter den Gästen des Exile Media Forums, das als Informations- und Vernetzungsveranstaltung für Exiljournalist*innen aus aller Welt diente – und es den Teilnehmenden ermöglichte, Kontakte zu Organisationen zu intensivieren, die Journalist*innen im Exil bei Visafragen, organisatorischen Problemen und mit Fördergeldern unterstützen. Darunter der im April 2022 gegründete European Fund for Journalism in Exile (JX Fund), initiiert von Reporter ohne Grenzen, Schöpflin Stiftung und Rudolf Augstein Stiftung.
Einen Überblick über die Landschaft von Exilmedien in Deutschland zu geben, sei schwierig, sagte Penelope Winterhager, die Geschäftsführerin des JX Fund, bei der Veranstaltung. In der Regel seien Exilmedien in mindestens zwei, drei Ländern vertreten. Von den weltweit derzeit 86 russischen Exilmedien hätten zum Beispiel ein Drittel eine Verbindung zu Deutschland.
Das könne aber Verschiedenes bedeuten: dass ein Medium hier ein offizielles Büro oder auch bloß einen Mitarbeiter habe. Bei afghanischen Exilmedien sei die Situation ähnlich. Lotfullah Najafizada, CEO von Amu TV mit Hauptsitz in den USA, sagte, seine Multimedia-Plattform habe Mitarbeitende „in mehr als 20 Ländern“.
Kaum Jobs für ausländische Journalist*innen
Eine der Panel-Moderator*innen, die österreichische Publizistin Solmaz Khorsand, warf die Frage auf, welchen Einfluss Exilmedien in ihren Herkunftsländern haben. In Afghanistan gebe es nicht nur keine freien Medien mehr, sondern nicht einmal die Möglichkeit, über soziale Netzwerke Kritik zu üben, sagte Zarah Joya von Rukhshana Media dazu.
Daher sei Exiljournalismus für die Menschen vor Ort besonders wichtig. Von Moderatorin Khorsand angesprochen auf die Frauen, die derzeit von Afghanistan aus im „Untergrund“ für Rukhshana Media arbeiten, sagte Joya: „Sie werden niemals aufgeben, so schwierig die Bedingungen auch sein werden.“
„Untergrund“ meint in diesem Fall wesentlich gefährlichere Bedingungen, als man mit dem Begriff gemeinhin verbindet: Frauen dürfen in Afghanistan das Haus nicht mehr ohne Erlaubnis männlicher Familienmitglieder verlassen. Die Sittenpolizei der Taliban habe Frauen „bis hin zur Selbstisolierung traumatisiert“, heißt es in einem aktuellen Artikel bei Rukhshana Media.
Als Vertreterin ukrainischer Journalist*innen, die nach Beginn des russischen Angriffskriegs nach Deutschland geflüchtet waren, war Valeriia Semeniuk eingeladen. Sie hatte 2022 gleich nach ihrer Ankunft in Berlin begonnen, für den Tagesspiegel zu schreiben. Die Zeitung gehöre aber zu den Ausnahmen von der Regel, meinte sie. Insgesamt gebe es für geflüchtete Kolleg*innen aus der Ukraine zu wenig Publikationsmöglichkeiten. Einige, klagt Semeniuk, hätten sich mangels Perspektiven bereits Jobs jenseits des Journalismus gesucht.
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