Must-Sees zur Berlin Art Week 2023: Ritt auf den Marmorlöwen

Beim Kunstgetummel mit Berlin Art Week und Gallery Weekend geht es diesmal jung und queer zu. Doch auch Performance-Größen wie Yoko Ono werden zitiert.

Fünf Performer:innen sitzen unter freiem Himmel auf Löwenstauen aus Marmor. Sie halten jeweils den rechten Arm mit gestreckter Faust nach oben.

Nina Beier und Bob Kil, „All Fours“, 2022, Performanceansicht Pinacoteca Agnelli, Turin, 2022 Foto: Sebastiano Pellin di Persano

Neu im Kunstherbst 2023: Die 12. Berlin Art Week (13.–17.9.) ist dieses Jahr mit dem von Sandra Teitge kuratierten Gallery Weekend Festival für junge Positionen vereint (16.–19. 9., Studio Mondial). Absolutes Must-See der BAW ist die erste museale Einzelausstellung von Lin May Saeed in Deutschland im Georg Kolbe Museum. In der Ausstellung „Im Paradies fällt der Schnee langsam“ treffen die Tierskulpturen, Stahlarbeiten und Zeichnungen der deutsch-irakischen Künstlerin auf Skulpturen und Zeichnungen der Bildhauerin Renée Sintenis (1988–1965) aus der Sammlung des Museums. Berliner Bär meets Gürteltier im Anthropozän (Eröffnung 13. 9., 18–22 Uhr).

Beim Ritt auf den Marmorlöwen im Rahmen der Performance “All Fours: Life Guardian“ von Nina Beier und Bob Kil (16.+17.9., 11–19 Uhr) wird im Haus am Waldsee dann die Verflechtung von menschlichem Dominanzdenken und Steinwerdung im Denkmal in Szene gesetzt.

Reich an Perfomances, ist das Programm dieses Jahr so zelebrativ wie vielfältig. Für eine Aufführung von Yoko Onos legendärem „Cut Piece“ in der Neuen Nationalgalerie (gleichzeitig Festivaltreffpunkt mit dem BAW Garten) arbeitet das Studio Yoko Ono mit Berliner Performer_innen zusammen (13.–17.- 9., je 17 Uhr).

Die Galerie Thomas Schulte zeigt derweil Arbeiten des abstrakten Malers Juan Uslé (Eröffnung 13. 9., 19–21 Uhr). Und Malerei von Maki Na Kamura ist an gleich zwei Orten zu sehen, bei CFA und in der Galerie Michael Werner (je ab 15. 9., 18 Uhr). In den KW präsentiert Kameelah Janan Rasheed ihre zeichnerisch hoch komplexen künstlerischen Recherchen zum Potential intermedialer Übersetzungen (Eröffnungen 13. 9., 19–22 Uhr). Unedingt empfehlenswert auch die dichten Farbspachtelungen von Anna Leonhardt bei Friese (Sonderöffnungszeiten Art Week: 16. 9., 11–18 Uhr, 17. 9., 11–17 Uhr).

Zwei braune und orange-rote gespachtelte Farbelemente schweben über einem verschwomenen Hintergrund in Gelb-, Beige- und Blautönen

Anna Leonhardt, „E.F.“, 2023, dotgain.info Foto: © the artist, Courtesy Galerie Friese

Mit der Ausstellung „My Demons My Angels“ feiert die Galerie ChertLüdde ihren bereits 15. Geburtstag. Kasia Fudakowski zeigt zum Eröffnungsabend die seit 2014 weiterwachsende Performance „This is not a performance“ (15. 9., 18–21 Uhr). Als weitere Künstlerin der Galerie ist Annette Frick mit Fotografien bei den “Queeren Wochen“ in der Brotfabrik bei der Gun­ter Tru­be-Homage „UNERHÖRT sichtbar“ vertreten (bis 24. 9., 12–20 Uhr).

Queere Zeitlichkeit

Dass queere bzw. feministische Kunst sich auch gut jenseits der figuralen Darstellung von Körpern bewegen kann, mit der sie oft gleichgesetzt wird, lässt sich sehr schön in den Arbeiten und Texten („Object Lessons“) von Gordon Hall nachvollziehen. „Lace Under Top Loop Once“ bei HUA International (Eröffnung 15. 9., 18–21 Uhr) ist die erste Einzelausstellung Halls in der Galerie. Queere Abstraktion wird bei Gordon Hall zu einem Sich-In-Beziehung-Setzen mit skulpturalen Objekten. In der Ausstellung, die sich über drei Räume erstreckt, steht die Praxis des Wartens und Antizipierens im Fokus. Auch hier werden sich Per­for­me­r:in­nen den abstrakten Formen Halls, die Erinnerungen an Mobiliar wie etwa Stühle oder Fußbänke hervorrufen, im Laufe der Ausstellung annähern.

Nicholas Grafia (Peres Projects) und Mikołaj Sobczak (Capitain Petzel) zeigen schließlich im Rahmen des Gallery Weekend Festivals im Mondial Studio einen Teil ihrer Performance „It’s 10pm. Do you know where your children are?“, die der Resilienz queerer Jugendlicher gewidmet ist (16. 9., 18 Uhr). Die Räume des ehemaligen Hotel Mondial auf dem Kurfürstendamm, werden am Wochenende mit weiteren Performances im Erdgeschoss, dem Hof und in der Tiefgarage bespielt.

Ein Servicehinweis zum Schluss: Wer es lokal konzentriert mag, kann sich einen Platz bei einer der Kiez-Touren buchen (10€, teils ausverkauft: berlinartweek.de/touren) oder sich kostenlos mit der ausliegenden Berlin Art Week Karte auf den Weg machen, die die einzelnen Stationen in den Bezirken ausweist. Das Gallery Weekend stellt auf der Webseite vorab vereits fünft Orte (Schiefe Zähne, Heidi, Dittrich & Schlechtriem, Galerie Barbara Thumm und Wentrup) in virtuellen Touren vor.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Und wo der Spirit eher nach beim Prinzip „everything, everywhere, all at once“ anschlägt, hilft sicher die Aussicht von oben auf die Stadt dabei, den Überblick zu behalten: die Feuerle Collection öffnet zur Art Week ihr Dach für das Chinese Film Nights Festival (Talk mit Leiko Ikemura zu ihrer Ausstellung „When Animals Become Art“ am 15. 9., 16 Uhr, kostenlos im Haus + auf Instagram Live; Ausstellung 11–22 €; ab 16 Jahren, mit Anmeldung; Filmfestival, 14.–16. 9., Dachgarten, ab 18 Jahre, 44€ Tagesticket).

Wie immer gilt für den Kunstherbst: Überall Kunst, einfach der Nase nach findet sich, egal wo, Neues und Unerwartetes.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.