Nordclubs in der Handball-Bundesliga: Beständigkeit gegen Neustart

Die SG Flensburg-Handewitt und der THW Kiel sind mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die Saison gestartet. Am Donnerstag treffen sie aufeinander.

Filip Jicha kniet am Spielfeldrand

Vorausschauend bei der Kaderplanung: THW-Trainer Filip Jicha Foto: David Inderlied/dpa

HAMBURG taz | Es ist schon beeindruckend, wie die Transfers sitzen, seit beim THW Kiel Filip Jicha und Viktor Szilagyi das Sagen haben. Mit der Saison 2019/2020 begannen die beiden Männer ihre gemeinsame Arbeit. Szilagyi war schon seit Januar 2018 dabei, Jicha war ein Jahr als Assistent Alfred Gislasons in die Lehre gegangen. Was die beiden an die Kieler Förde holen, hat Hand und Fuß.

Da versauert keiner auf der Bank, da wird jeder gebraucht. Und wenn Spieler wie der Schwede Karl Wallinius oder die zuletzt eingesetzten Youngster Magnus Bierfreund (Tor) oder Jarnes Faust (Rechtsaußen) auch nur minutenweise auftreten, sind sie doch wichtige Teile des Ganzen. Jicha vermittelt ihnen in jedem Training das Gefühl, dazuzugehören.

So haben sich über die Jahre auch eher unauffällige Akteure der zweiten Reihe zu wichtigen Stützen aufgeschwungen: Peter Överby etwa, der in der Abwehr den häufig verletzten Hendrik Pekeler vertritt. Oder nun der auf den letzten Drücker geholte, 35-jährige Spanier Eduardo Gurbindo, der den ebenfalls ausfallenden Steffen Weinhold ersetzt.

Noch auffälliger ist das gute „matching“ im Kieler Kader allerdings in diesen ersten Saisonwochen auf zwei ganz wichtigen Positionen. Im Tor hat der THW Niklas Landin an Aalborg verloren. Auf halblinks ist Sander Sagosen nach Trondheim gezogen. Und in der Mitte verdient Miha Zarabec nun sein Geld in Plock. Drei Garanten des Erfolges vergangener Jahre weg! Und was machen Jicha und Szilagyi? Bleiben ruhig, gestalten den Umbruch mit Weitsicht.

Langfristige Kaderplanung in Kiel

Zumindest für den Moment ist Tomas Mrkva ein starker Torwart, lässt Eric Johansson den Norweger Sagosen vergessen, machen es Nikola Bilyk und Elias Ellefsen a Skipagötu als Spielmacher ganz hervorragend. Supertalent Ellefsen, 21, kommt von den Färöer; seine Verpflichtung liegt schon etwas zurück – das macht Szilagyi gern – wenn er sieht, dass sich im Kader Lücken auftun, reagiert er, und holt Akteure für die nächste oder übernächste Spielzeit.

Es ist ein Kommen und Gehen ohne große Hektik, aber eben einer Zeit angepasst, in der auch Handballprofis nicht mehr ewig bei einem Verein bleiben. Schon jetzt ist klar, dass Star-Torwart Gonzalo Perez de Vargas zur Saison 2025/26 nach Kiel kommen wird. Auf halbrechts ist sich der THW mit dem Dänen Emil Mad­sen handelseinig – für die Serie 2024/25.

Wenn die handballerische Jagd auf die Kieler „Zebras“ nun also begonnen hat, und sich Berlin, Magdeburg und Flensburg gute Chancen ausrechnen, eine vielleicht schwächere Kieler Saison 2023/24 auszunutzen, sollten sie zielsicher agieren. Denn das, was sich als THW-Mannschaft der nächsten Jahre abzeichnet, muss keinen Vergleich scheuen.

Fast perfekte Spielzeiten haben die TSV Hannover-Burgdorf und der HSV Hamburg hinter sich – Platz sechs und sieben. Hannover will diese Platzierung wiederholen, um erneut die European League zu erreichen. Ein realistisches Ziel für das Team von Trainer Christian Prokop. Den europäischen Wettbewerb hat der HSV knapp verpasst. Weitgehend unverändert will Trainer Torsten Jansens Mannschaft abermals mit dem Abstieg nichts zu tun haben – dafür wird sie den starken Torwart-Veteran Johannes Bitter (41) benötigen.

Derby am Donnerstag zwischen Kiel und Flensburg

In Flensburg, wohin der THW am Donnerstag reisen muss, hat sich im Frühling nicht weniger als ein Komplettzusammenbruch ereignet – gefolgt vom Wiederaufbau, mit ungewissen Aussichten. Die Ära Maik Machulla endete nach drei bösen Niederlagen im April. Nun steht in Nicolej Krickau ein 36 Jahre alter Trainer auf der Brücke, der zwei seiner Besten aus dem dänischen Gudme mitbrachte; Simon Pytlick und Lukas Jörgensen. Beide hatten noch Ex-Trainer Machulla und Ex-Sportchef Lars Christiansen im Januar geholt. Dann kamen die revolutionären Ereignisse, die auch Christiansen fortspülten.

Nun hat die SG nach zwei schwachen Spielzeiten nicht nur fünf neue Profis, einen neuen Trainer und einen neuen Ausrüster, sondern auch einen alten Bekannten zurück: Ljubomir Vranjes fungiert als Sportchef – nicht wenige sehen darin ein Risiko für Krickau, denn Vranjes hat als Trainer der SG die Champions League 2014 geholt und weiß genau, wie man eine Mannschaft anleiten muss. Doch keine Bange, hat „Lubo“ gesagt, er schiele nicht auf die Trainerbank. Gemeinsam mit Krickau will er zurück zu alter Stärke und in den kommenden fünf Jahren die Champions League nach Flensburg holen.

Viele sehen in der SG gar den Favoriten auf die Meisterschaft. Der Magdeburger Trainer Bennet Wiegert sagt, der neue Coach bringe frischen Wind, zudem habe die SG in Pytlick einen der begehrtesten Spieler der Gegenwart. Andere, wie der frühere SG-Profi Joachim Boldsen, halten entgegen, dass Krickau in Gudme nicht dafür bekannt war, ein Defensivstratege zu sein.

Und nur mit Angriffsstärke würde keiner deutscher Meister. Wie auch immer – ob als Wundertüte oder Titelfavorit, selten war es spannender, der SG in die neue Saison zu folgen.

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