Kiels Handballer schlagen Hamburg klar: THW ballert die Krise weg

Mit einem 34:23 gegen den HSV Hamburg stoppen die Kieler Handballer den freien Fall. Die Ligaspitze ist dennoch weit entfernt.

ein Handballspieler mit Ball drängt sich an einem anderen vorbei

Schon eine feste Größe beim THW: der neue Spielmacher Elias Ellefsen á Skipagøtu Foto: Eibner/Imago

HAMBURG taz | Das war der ideale Aufbaugegner. Mit 34:23 gewannen die Handballer des THW Kiel am Sonntagnachmittag ihr Heimspiel gegen den HSV Hamburg und errangen so nach drei Niederlagen wieder einen Bundesliga-Sieg. Die Hamburger hatten den strauchelnden Favoriten nur 25 Minuten bis zum 14:14 ärgern können; danach reihten sie Fehler an Fehler und ermöglichten dem THW einen leichten Erfolg, bei dem Torwart Samir Bellahcene und Spielmacher Elias Ellefsen á Skipagøtu überragten.

Nach dem Schluss-Horn in der Ostseehalle lächelte Kiels Trainer Filip Jicha entspannt. Er hatte schon während der letzten zehn Minuten munter durchgewechselt und vielen jungen Spielern eine Chance gegeben.

Der beherzte und vor allem konzentrierte Auftritt seines Teams wird ihm gefallen haben – als Kiel aber im ersten Durchgang von 10:5 auf 14:14 abreißen ließ, war da die Verunsicherung zu spüren, die in den Vorwochen zu einigen unerwarteten Niederlagen geführt hatte. Doch mit jetzt 8:6 Punkten klettert der THW in der Tabelle etwas nach oben, ehe am Mittwoch in der Champions League gegen Kielce und am Samstag in Leipzig schwierige Aufgaben warten.

Filip Jicha hat in seinen vier Jahren als Trainer hier so viel vorzuweisen, dass er großes Vertrauen genießt. Drei Meisterschaften, zwei DHB-Pokale, einmal die Champions League – beim Finalturnier 2020 in Köln arbeitete Jicha als Stratege von der Bank so überzeugend, dass die gesamte Handballszene ihren Respekt aussandte.

THW-Trainer Jicha kann auch Druck rausnehmen

Der 41 Jahre alte Tscheche hat seine Mannschaft besser als jeder andere durch die Coronajahre gesteuert, als es darauf ankam, ohne Fans vor leeren Rängen zu gewinnen. Als also der innere Antrieb und das äußere Konzept gefragt waren. Jicha verlangt viel, lässt selten nach, hat ein hohes Arbeitsethos – womit er seine Spieler auch mal überfordert. Bei der letzten Schwächephase vor einem Jahr gab es Stimmen aus der Mannschaft, die um mehr Lockerheit und lange Leine baten. Jicha nahm Druck vom Kessel und im Juni wurde der THW wieder Meister. Auch das gehört zum Instrumentarium eines guten Coaches: auf Stimmungen und Befindlichkeiten einer Mannschaft zu reagieren und das eigene Verhalten ihr gegenüber auch mal anzupassen.

Dass die vergangene Saison trotz Meisterschaft nur als eine „normale“ galt, weil die Endrunden im DHB-Pokal und der Champions League verpasst wurden, zeigt, wie hoch die Ansprüche in Kiel sind, wo der Etat für die Berufshandballer mit 13 Millionen Euro im Jahr viel wuchtiger ist als anderswo.

Das ist in dieser Saison etwas anders. Ohne Torwart Niklas Landin, der nach Aalborg gegangen ist, ohne die Rückraumspieler Sander Sagosen und Miha Zarabec, die Kiel ebenfalls verlassen haben, war eine schwierige Saison vorauszusehen. In Landin fehlt dem THW die „Lebensversicherung“; Tomáš Mrkva und der nachverpflichtete Samir Bellahcene sind gute, aber selten sehr gute Torhüter.

So sind drei Liga-Niederlagen und das Ausscheiden im Pokal ansatzweise zu erklären. Doch gerade das Aus gegen den Abstiegskandidaten Wetzlar tut weh. Da wirkte Jichas Team erstmals so verschüchtert, dass der Außenseiter seine Chance witterte und nutzte. Zuvor hatte es Niederlagen in Magdeburg, Flensburg und gegen Melsungen gegeben, sodass die Liga-Spitze ein gutes Stück enteilt ist.

Jicha nahm viel Kritik auf sich. Das Wort „Mini-Krise“ machte die Runde, die Mannschaft wirkte ratlos. Die Anführer Domagoj Duvnjak und Patrick Wiencek äußerten sich, es fiel das Wort „Verunsicherung“. Eine Vokabel, die man selten mit dem THW in Verbindung bringt, denn welcher Verein könnte besser mit Drucksituationen umgehen? Doch in den verlorenen Partien genügten oft einige Fehlwürfe, um die Profis aus der Spur zu bringen. Was auffiel: Es gab intern keine kritischen Worte gegen Jicha. Auch nicht von Geschäftsführer Viktor Szilágyi, der mit ihm befreundet ist.

Jicha soll die neue Kieler Mannschaft bauen, da kann es auch mal ohne ganz großen Titel gehen

Jicha hat einen Vertrag bis 2026. Er soll die neue Kieler Mannschaft bauen, eine, die ohne Duvnjak, Wiencek und Steffen Weinhold auskommt. Dafür hat der THW Startorwart Gonzalo Pérez de Vargas aus Barcelona verpflichtet, der spätestens 2025 kommt, und den dänischen Linkshänder Emil Madsen. Schon jetzt wichtig sind der junge Regisseur Elias Ellefsen á Skipagøtu, der zu dieser Saison kam, und der Schwede Eric Johansson, seit 2022 dabei.

Wäre es da sinnvoll, einen Trainer auszutauschen, der an dieser sich abzeichnenden Mannschaft entscheidend mitgewirkt hat? Auch in der Vorzeit hatte es beim THW unter den Trainern Noka Serdarušić und Alfred Gislason Spielzeiten ohne die ganz großen Titel gegeben, ehe es wieder aufwärts ging.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.