press-schlag: Hurra und Halali
Schon jetzt, da der BVB als FC-Bayern-Jäger ausfällt, muss es eben Bayer Leverkusen richten. Gutes Gelingen!
Manche Menschen sondieren von Berufs wegen Stimmungen und Trends in der Bevölkerung oder der Öffentlichkeit. Journalisten sollten mit diesem feinen Sensorium für Meinungsströme und unsichtbare Wellen ausgerüstet sein, Buchmacher natürlich auch. Zu Beginn der Bundesligasaison haben sie wieder einmal die Kicker des FC Bayern München vorn gesehen. Dahinter rangierten Borussia Dortmund und RB Leipzig. Auf Platz vier: Bayer Leverkusen.
Die normativen Kräfte des Faktischen haben die Reihenfolge nach nur drei Bundesliga-Spieltagen etwas durcheinandergewirbelt. Der große Gewinner der prospektiven Schätzungen ist Bayer Leverkusen; die Werksfußballer amtierten zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Press-Schlags als Tabellenführer. Und dieses Bild, das eigentlich nur eine Momentaufnahme ist, ein flüchtiger Schnappschuss, soll, geht es nach den Wünschen von fast allen Fußballfans im Lande, zu einem Standbild werden, denn die Nicht-Bayern-Fans, und es sind Millionen, haben die Dauermeisterschaften des FC Bayern satt. Sie wollen Abwechslung. Sie wollen Wettbewerb. Sie wollen Spannung.
Bayer Leverkusen soll es nun also richten, nachdem der FC-Bayern-Jäger Nummer eins, der BVB, wieder mal einen schweren Anfall von Labilität nach dem anderen erleidet. Borussia Dortmund haben viele jetzt schon abgeschrieben, und nach den Geschehnissen der vergangenen Spielzeit ist das verständlich. Aber kann Bayer die Bayern vom Thron stoßen oder doch nur ein bisschen am Stuhlbein herumsägen? Für die Liga wäre es eminent wichtig, mal einen anderen Deutschen Meister präsentieren zu können, alles andere führte die Idee eines offenen Spielbetriebs ad absurdum.
Bayer Leverkusen hat klug eingekauft, im Fall des recht spektakulären Angreifers Boniface und der Offensivkraft Nathan Tella überm (damaligen) Marktwert, aber gerade die Leistungen des bulligen Angreifers aus Nigeria nähren die Hoffnungen der Bayer-Manager, dass der 22-jährige Boniface nicht nur weiterhin so fleißig Tore schießt, sondern auch im Wert nach oben schnellt. Alle bilanztechnischen Überlegungen stehen und fallen freilich mit einer Saison, die vor dem FC Bayern endet. Warum sollte das nicht möglich sein? Jeder Lauf endet doch einmal.
Der Trainer der Rheinländer, Xabi Alonso, kennt das Innenleben der Münchner, sein Konzept scheint der Reife nahe, und wer weiß, vielleicht schlüpft der Mann der Stunde, ebenjener Boniface, in die Rolle eines Grafite, der einst die Wolfsburger zum Titel geschossen hat. In den nuller Jahren funktionierte die Liga noch. In jenem Jahrzehnt hoben die Kapitäne von fünf verschiedenen Mannschaften die Meisterschale in die Höhe, danach begann, mit einer kurzen Unterbrechung durch den BVB, die Bayern-Regentschaft.
Bayer kann schon am vierten Spieltag seine noch versteckten Ambitionen untermauern: Sie müssen gegen die Bayern ran.
Markus Völker
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