Hinduistischer Tempel in Neukölln: Ganesha in der Hasenheide

Seit 10 Jahren wird der Sri-Ganesha-Hindu-Tempel gebaut, wann er fertig wird, ist unklar. Die Gründe für die Verzögerung des Baus sind vielfältig.

Bauarbeiter arbeiten auf der Baustelle des Hindu-Tempel in der Hasenheide. Seit mehr als zehn Jahren wird in Berlin-Neukölln ein hinduistischer Tempel gebaut

Der 17 Meter hohe Torturm ist schon fertiggestellt – im Innern des Tempels dauern die Arbeiten an Foto: dpa / Fabian Sommer

BERLIN taz | Hinter dem Zaun am nordöstlichen Eingang des Volksparks Hasenheide sind die Tempelbauer fleißig am Werkeln: Sie stehen auf dem Gerüst, lassen Baumaterialien hinunter, hantieren an den hinduistischen Gottheiten und schwitzen in der Sonne, ab und zu ertönt das Geräusch einer Bohrmaschine. Zeit für ein Gespräch haben sie nicht, für Außenstehende ist der Sri-Ganesha-Hindu-Tempel in Neukölln morgens ohnehin nicht zugänglich.

Das eingezäunte Gelände ist abgeschlossen, um reinzukommen, müsse man später wiederkommen, ruft einer der Arbeiter vom Gerüst hinunter. Um 16 Uhr, wenn das seitliche Tor geöffnet wird, damit die Gläubigen in der vorübergehenden Tempelhalle am anderen Ende des Geländes beten gehen können.

Die Bauarbeiter werden dann immer noch auf der Baustelle arbeiten, wie schon seit gut zehn Jahren. Seit acht Jahren kümmert sich Govindan Rewi Shankar um den Bau des Sri-Ganesha-Hindu-Tempels. Er ist selbst Hindu und zuversichtlich, dass es nicht mehr lange dauert mit der Eröffnung – nächstes Jahr ist es endlich so weit, schätzt er. Shankar, der allein für den Bau nach Deutschland gekommen ist, hat in Indien ein Diplom für Tempelkünste gemacht. Das ist die Voraussetzung, um hinduistische Tempel bauen zu dürfen, erzählt er.

Wie der Tempel später mal aussehen soll, ist jetzt schon gut zu erkennen. Der 17 Meter hohe Torturm am Eingang ist bereits fertig gebaut und hat sogar schon seinen Anstrich bekommen. Blau, golden und weiß schillert er in der Sonne. Tempelbauer Shankar ist besonders stolz auf die vielen hinduistischen Gottheiten, die dort angebracht sind. Der Tempel selbst, an dem die indischen Arbeitskräfte zurzeit arbeiten und der nach seiner Fertigstellung einer der größten Hindu-Tempel Europas sein wird, ist noch gänzlich grau. Einige der Gottheiten stehen schon bereit und warten auf ihre Farbe. Für die Bauarbeiten bräuchte es feinste Handarbeit, erklärt Shankar, jeder Fehler sei gravierend.

Holpriger Start

Der Start des Tempelbaus war allerdings zunächst holprig und hatte sich immer wieder verzögert. Ursprünglich sollte bereits 2007 begonnen werden, bis die ersten Bauarbeiten losgingen, dauerte es dann aber noch sechs Jahre. Dass alles so lange dauert, liegt auch daran, dass der Bau komplett spendenbasiert ist und es nicht immer genug Spenden gab, erklärt Vilwanathan Krishnamurthy, Vorstandsmitglied des Sri Ganesha Hindu Tempel Vereins. Zudem sei es gar nicht so einfach, die nötigen Fachkräfte zu finden. „Der Bau des Tempels unterliegt genauen Vorschriften, und in Europa findet man keine Tempelbauer“, sagt er.

In diesem Sommer arbeiten hier sechs Tempelbauer, die zu finden, habe lange gedauert, sagt Krishnamurthy. Die Arbeiter brauchen eine Aufenthaltsgenehmigung und die nötigen Papiere. Auch die Coronapandemie habe den Bau des Tempels verzögert. In Pandemiezeiten habe niemand aus Indien nach Deutschland kommen wollen, erst im vergangenen Jahr habe sich die Lage entspannt und sie konnten wieder Leute für den Bau anwerben.

Shankar und seine fünf Kollegen auf der Baustelle gehen im Winter meistens wieder zurück nach Indien. Denn die Arbeit am Tempel ist – je nach Wetterlage – nur zwischen März und Oktober möglich. Die Tempelbauer können beim Arbeiten keine Handschuhe tragen, dafür ist die Arbeit zu kleinteilig und filigran. Da sie meist im Freien arbeiten, ist es im Winter einfach zu kalt mit bloßen Händen. Auch Shankar geht in den kalten Monaten gewöhnlich zu seiner Familie nach Indien und sucht sich dort für die Übergangszeit eine andere Arbeit.

Eröffnung sehnlichst erwartet

Trotz der anstrengenden Arbeit am Tempel mag er Berlin. Im Vergleich zu indischen Großstädten sei das Leben hier ruhig und entspannt, sagt er. Ob ihn seine Familie in der deutschen Hauptstadt schon mal besucht habe? Noch nicht, sagt der Tempelbauer lächelnd, aber vielleicht, wenn der Tempelbau endlich abgeschlossen ist.

Auch Krishnamurthy hofft, dass der Tempel bald fertig wird. Ein genaues Datum zu nennen, sei jedoch unmöglich, vielleicht im Oktober, schätzt er. Die Eröffnung sei für die Hindu-Community sehr wichtig. Schon jetzt werde die Tempelhalle viel für hinduistische Feierlichkeiten und Hochzeiten genutzt. Krishnamurthy ist 1975 als, wie er sagt, Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Eigentlich habe er nicht lange bleiben wollen. Auch die Gemeinde der Hindus war damals noch recht klein. Heute leben nach Angaben der Tempelbaugemeinschaft etwa 6.000 Hindus in Berlin, viele aus Indien, aber auch aus Sri Lanka, Bangladesch und Afghanistan.

Zwischen 16 und 18 Uhr können Gläubige in den Tempel zum Beten kommen. Als Erstes werden die Schuhe ausgezogen – ein Muss, um die Halle betreten zu dürfen. Längere Öffnungszeiten könnten gerade nicht angeboten werden, bedauert Krishnamurthy, denn sie machten das ehrenamtlich. „Wir arbeiten alle tagsüber, müssen uns um die Familien kümmern und haben dazu noch andere Sorgen“, erklärt er. Sobald der Tempel fertig ist, soll es aber längere Öffnungszeiten sowie reguläre Mit­ar­bei­te­r:in­nen geben.

Eine halbe Stunde vor der Schließung um 18 Uhr eilen noch schnell die letzten Gläubigen in den Tempel. Sie sei schon viel zu spät dran, ihre Pause sei fast vorbei, danach müsse sie wieder zur Arbeit, sagt eine Frau und verschwindet durch den Eingang, vor dem sich bereits die Schuhe der Be­su­che­r*in­nen stapeln. Ein junges Paar kommt mit ihrem kleinen Sohn schnell durch die Hasenheide zum seitlichen Eingang des Tempels gelaufen. Sie müssten sich beeilen, um es noch rechtzeitig zum Gebet zu schaffen, sagen sie atemlos.

Endlich ein „richtiger“ Tempel

Prashanthi und ihr Mann Rajprakash kommen aus Indien und wohnen seit fünf Jahren Kreuzberg. Einmal im Jahr fliegen sie mit ihrem Sohn nach Indien zur Familie, wo sie viele Tempel besuchen, erzählen sie.

In Berlin schafften sie es wegen der eingeschränkten Öffnungszeiten nur einmal im Monat zum Tempel, da diese sich mit ihren Arbeitszeiten nur schwer vereinbaren ließen, sagt Pra­shanthi. Dasselbe wie in ihrer alten Heimat sei es aber ohnehin nicht. „Das hier fühlt sich nicht wie ein richtiger Tempel an“, meint Rajprakash über die provisorische Halle.

Die Fertigstellung des Sri-Ganesha-Hindu-Tempels können sie dementsprechend kaum erwarten. Mit längeren Öffnungszeiten könnten sie auch mal am Vormittag kommen, sagt Pra­shanthi. Dann müssen sie schnell wieder los, denn es ist der vierte Geburtstag ihres Sohns, weswegen sie überhaupt nach Neukölln gekommen sind. Wann sie das nächste Mal Zeit finden für einen Besuch, wissen sie noch nicht. Vielleicht ist der Tempel bis dahin ja sogar fertig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.