Hindu-Tempel in Bremen: Von Kuh geprüft

Ein farbenfrohes Angebot für ein bisschen mehr kulturelle Aneignung: Bremens Sri-Varasiththi-Vinayakar-Tempel feiert den „Entferner von Hindernissen“.

Zeichnung des Bremer Hindu-Tempels mit sitzender Gottheit im Tor

Schön bunt und Ganesha alias Vinayakar, dem „Entferner von Hindernissen“ geweiht: Der Hindu-Tempel in Bremen Illustration: Jeong Hwa Min

Also diese Farben! Sie dominieren den Raum. Drinnen das Sonnengelb des polierten Fußbodens und der Wand. Auch die üppig mit Goldblechen dekorierte Hülle des Allerheiligsten, Rosa, Minzgrün und Türkis. Draußen strahlt der mit handbemalten Männern, Frauen und blauen Elefanten überhäufte Torturm, der Gopuram. Und dann eben noch dieser knallige Anstrich.

Im protestantischen Norden treten Sakralbauten als essigrote Backsteinklinker- oder nachkriegsgraue Sichtbetonkirchen auf. Ganz anders der Bremer Sri-Varasiththi-Vinayakar-Tempel mit seiner gestreiften Außenwand: Die leuchtet noch zinnober und perlweiß durchs Dunkel, wenn die Abenddämmerung alle anderen Farben aufgesogen hat. Das muss das Auge erst mal schlucken!

In Hamm-Uentrop hatte vor gut 20 Jahren der Bau des ersten und bis heute größten deutschen Hindu-Tempels in einem Gewerbegebiet noch unverhohlen rassistische Angriffe auf sich gezogen. In Bremen sind keine Feindseligkeiten gegen die selbstbewusst artikulierte Fremdheit bekannt geworden.

Bunt gleich neben Modellquartier

Dabei ist Osterholz ein durch Einfamilienhäuser und Hochhausblocks geprägter Stadtteil, in dem Rechtsextreme bei Wahlen überdurchschnittlich gut abschneiden. Seit fünf Jahren entsteht hier aber auch das sozial-ökologische Modellquartier „Ellener Hof“: Dazu gehören eine kulturelle Einrichtung, ein großer Garten, ein Studi-Heim, eine Geflüchteten-Unterkunft etc. pp. Geplant sind 500 Wohneinheiten, komplett mit nachwachsenden Rohstoffen gebaut.

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Besonders cool ist, dass das niederländische Atelier „De Zwarte Hond“ seinen städteplanerischen Entwurf mit den Wegeführungen ausgehend vom Baum-Bestand und überkommenen Flurvorgaben konzipiert hat. Das barrierefreie Viertel wirkt daher wie ein gewachsenes Haufendorf.

An dessen Rand begann die Bremer Hindu-Gemeinde, nachdem eine Kuh des damaligen Bürgerschaftspräsidenten das entsprechende Grundstück im Januar 2018 grasrupfend für würdig erklärt hatte, ihren Tempel zu errichten. Vergangenen Sommer haben dann 15 Hindu-Priester aus aller Welt den Bau eingeweiht. Bei der Kumbhabishekam-Zeremonie wird aus einem Gefäß (Kumbha) gesegnetes Wasser über die plastischen Elemente des Tempels gesprüht (abishekam). In Milch, Quark, Honig und geklärter Butter badet einer der Geistlichen dann die zentrale Götterstatue – in diesem Fall also Vinayakar.

Die BesonderheitEin von indischen Fachleuten unter Beachtung aller astrologischen Vorgaben und mit viel Handarbeit errichteter Tempel im dravidischen Stil.

Die ZielgruppeDer Tempel dient den rund 500 Mitgliedern der Bremer hinduistischen Gemeinde als Rahmen für ihre Riten und Zeremonien, wie jetzt etwa die Erntedankfeste Makar Sankrant und Tai Pongal am 14. und 15. Januar, bei denen auch Be­su­che­r*in­nen willkommen sind. Zu besichtigen ist er täglich von 17 bis 18 Uhr.

Hindernisse auf dem Weg Der Name Vinayakar bezeichnet Ganeshas Fähigkeit, Hindernisse beiseite zu räumen. Trotzdem bleiben 18 Tramhaltestellen vom Bremer Hauptbahnhof aus zu absolvieren. Und wer sich respektlos verhält, dem droht der Herr der Hindernisse Steine in den Weg zu legen.

Vinayakar bedeutet so viel wie „Entferner von Hindernissen“ und ist ein weniger bekannter Name von Ganesha, dem elefantenköpfigen Scherzkeks und naschhaftesten der Top Ten im hinduistischen Pantheon: Manche Strömungen verehren den Sohn von Shiva und Pavati sogar als höchsten aller Götter. Seine 32 Erscheinungsformen sind für alles zuständig, was Spaß macht und schmeckt. Selbstverständlich gehört zum Tempel auch eine Pantry, um Opfergaben anzurichten, die dann via Durchreiche in den Saal geschoben werden.

Ein Besuch im Tempel verhilft zur Einsicht, wie viel Desinteresse man in Deutschland dem Hinduismus entgegenbringt. Beispiel: Die sonnengelben Wände des Zeremonien­saals schließt ein Fries mit 63 Bildern von Heiligen ab. Die haben, wie bei den Katholiken, alle so ihre Attribute, es gibt einen Fischer, einen Töpfer und einen, der ein Messer in der einen, seinen abgetrennten Zopf in der anderen Hand trägt.

Sie wären alle leicht zu identifizieren, kennte man die Lebensgeschichten der Nayanmars, die der Dichter Sēkkilān Mādēvadigal Rāmadēva alias Sekkizhar im 12. Jahrhundert in 4.253 Versen festgehalten hat. Aber der hat auf Deutsch noch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag. Und sein Buch, „Das Große Puranam“, die jüngste kanonische Schrift des Shivaismus, gibt’s nur als Selbstverlags-Übertragung einer engagierten Laien-Übersetzung in englische Prosa. Bisschen mehr kulturelle Aneignung täte ganz gut.

Ein farbiger Gruß an Bremen

Die rot-weißen Vertikalstreifen der Außenwand dienen vielen modernen Tempeln als optische Signatur. Hier aber verbinden sie traditionelle Farbgebung – es geht bloß um die Sichtbarkeit, nicht etwa um Kasten, versichert der Sprecher der Gemeinde, „das haben wir hier gar nicht“ – mit einem Gruß an Bremen:

Die Flagge der Freien Hansestadt ist „mindestens achtmal gestreift und mit der den Streifen entsprechenden Zahl abwechselnd roter und weißer Würfel in zwei Reihen gesäumt“, heißt es in der Landesverfassung.

Diesen speckwürfeligen Abschluss hat die Gemeinde übernommen, als Zeichen, das leicht zu deuten ist: Man freut sich, heißt es, über Besuch. Genau genommen sollten sich die Gäste zwar vegetarisch ernähren. Aber kontrolliert wird das nicht.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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