: Theatermodell für Bagdad
Auch die zweite Konferenz über die Zukunft der irakischen Bühnen findet im Mülheimer Ruhr-Theater statt
Ein Lehrer wird während des Unterrichts von einem seiner Schüler gefragt, worin der Sinn der Freiheit liege. Er beantwortet diese Frage nicht. Es kommt zum Streit. Daraufhin verbietet er dem Jungen, solche Fragen zu stellen und wirft ihn aus der Klasse. Die Frage seines Schülers lässt ihn jedoch nicht mehr los. Die Irakerin Awatef Naim übersetzt mit „Entschuldigung, werte Herren!“ ein in ihrem Land hochpolitisches Thema und Trauma in einfache Sprache– und das gelingt ihr sogar auf humorvolle Weise.
Bis 18. Juni findet im Mülheimer Theater an der Ruhr die zweite Konferenz zur Zukunft des irakischen Theaters statt. Eine Woche diskutieren junge irakische Theatermacher unter dem Motto „Kein Alltag in Bagdad?“ über die Chancen und den Aufbau des Theaters in ihrem Land. Schwerpunkt soll die Organisation eines zukünftigen Theatersystems sein. Demokratische Strukturen kultureller Institutionen sind eine notwendige Voraussetzung für die künstlerische und politische Entwicklung eines Landes. Das bedeutet die Schaffung eines unabhängigen, dezentralen Theaterwesens, in dem die Künstler weder dem Prinzip des Zufalls noch der Willkür oder der Abhängigkeiten von ministeriellen Einrichtungen ausgesetzt sind.
2003 organisierte das Theater ein erstes Gespräch mit irakischen Theaterschaffenden über das Thema „Theater auf Trümmern?“. Die Künstler nutzten die Möglichkeit, sich außerhalb ihres krisengeschüttelten Landes untereinander auszutauschen. Die Ergebnisse wurden in einem Manifest zusammengetragen, das von allen Teilnehmer unterzeichnet wurde. Darin fordern sie, den irakischen Theaterkünstlern ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, das ihnen erlaubt, ihrer kreativen Arbeit nachzugehen und die Wiederherstellung der Theater und anderer für das Theaterleben wichtiger Gebäude.
Das Theater an der Ruhr unterhält ständig enge Kontakte zu Irak: Das irakische Nationaltheater gastierte zuvor bereits zweimal in Mülheim und das Ensemble von Roberto Ciulli spielte noch 2002 – ein Jahr vor Kriegsbeginn – in Bagdad. PEL
Entschuldigung, werte Herren!Mi, 19:30 Uhr, Theater an der Ruhr, MH
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