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„KI komponiert, malt Bilder, schreibt Texte“

Längst wird Künstliche Intelligenz in Kultureinrichtungen angewendet. Die Fachhochschule Kiel hat erforscht, wie das in Schleswig-Holstein passiert. Projektleiter Tobias Hochscherf erklärt, warum die Kluft zwischen großen und kleinen Häusern nun noch größer wird

In dieser Ausstellung ist das künstliche Hirn noch Symbol. Zukünftig wird Künstliche Intelligenz auch in der Kultur eine immer größere Rolle spielen Foto: Fo­to: R­obert Michael/dpa

Interview Robert Matthies

taz: Herr Hochscherf, wie nutzen Kultureinrichtungen Künstliche Intelligenz?

Tobias Hochscherf: Es gibt große Unterschiede zwischen den kleinen und den großen Häusern. Aber generell kann man sagen, dass Künstliche Intelligenz in vier Bereichen angewendet wird. Zum Ersten bei der Erstellung von kulturellen Erzeugnissen oder Kunst: Die KI komponiert, malt Bilder, schreibt Texte und so weiter. Da ist die große Frage: Ist das kreativ oder nicht? Ist das Kunst, oder ist das nur etwas, was Kunst nachahmt? Der zweite Bereich ist die Verwaltung.

Wie wird KI dort angewendet?

Es geht zum Beispiel um den Einsatz von Ressourcen. KI kann zukünftig durchaus bei der Budgetplanung oder bei der Personalplanung angewendet werden. Ein dritter Punkt ist das Individualisieren des Kunsterlebens, wenn man also die KI auswählen lässt, welche Kultur­einrichtung ich besuche. Oder wenn mich die KI in einer Ausstellung herumführt, weil sie mitbekommt, was ich schon weiß oder was mich interessiert. Das ist eine Riesenchance, dass der Ausstellungsbesuch für jeden bedarfsgerecht vorbereitet wird. Man muss nicht mehr mit der ganzen Familie gemeinsam im gleichen Tempo durchgehen. Die kann sich auch mal trennen und jeder kann das erkunden, was er möchte. Dabei kann KI helfen.

Hilft KI auch dabei, Menschen zum Besuch von Kultur­einrichtungen zu bewegen?

Ja, der vierte Bereich, in dem KI angewendet wird, ist Marketing, also Werbung. Kultureinrichtungen haben das große Problem, dass die Streuung gewaltig ist, weil Kultur eigentlich für alle da sein möchte, aber doch nicht alle Kultur wahrnehmen. Wenn man sich in Hamburg oder Schleswig-Holstein umschaut, wird immer noch oft auf Plakatwänden oder auf Bussen für Kultur geworben. KI kann dabei helfen, das besser auf die Zielgruppen auszurichten.

Genau an diesem Punkt gibt es doch sicher auch Bedenken in Kultureinrichtungen, wie mit Daten, auch mit Daten des Publikums umgegangen wird?

Die Datengrundlage ist natürlich der Kern. Manche Ideen konnten auch wir in unserem angewandten Forschungsprojekt nicht umsetzen, weil es keine Daten gab – auch aus gutem Grund. Natürlich gibt es Bedenken und die gibt es im Kulturbereich wahrscheinlich noch mehr als zum Beispiel in Wirtschaftsbetrieben. Aber das ist ja gut, und deshalb gehört die Beschäftigung mit KI gerade auch in den Kulturbereich. Wenn uns Firmen wie Amazon oder Google oder Microsoft etwas vorsetzen, dann haben wir keine Möglichkeit, darüber mit den Verantwortlichen für die Programme zu diskutieren. Und wenn uns der Arbeitgeber sagt, du musst das jetzt verwenden, haben wir auch keine Möglichkeit, das abzulehnen.

Was ist im Kulturbereich anders?

Es verkauft einem keiner etwas. Und weil Kulturschaffende einen Hang haben zur kritischen Reflexion, gehört die Beschäftigung mit KI genau dorthin. Die Fragen, die wir stellen wollen, die Auseinandersetzung damit, das fällt im Kulturbereich viel leichter, weil ich weiß, dass niemand mich von etwas überzeugen möchte. Wenn wir über Debattenräume sprechen, in denen kritisch reflektiert wird, ist der Kulturbereich, neben dem Bildungsbereich, prädestiniert, das zu tun. Insofern waren die Debatten, die wir geführt haben, alle hilfreich, einerseits für die IT-Studierenden, die viel programmiert haben, andererseits aber auch für die Kulturschaffenden und natürlich für die Besucherinnen und Besucher von Kultureinrichtungen.

Die Einführung von KI in Kultureinrichtungen ist auch eine Frage von Ressourcen. Verschärft die Anwendung die ohnehin schon weit geöffnete Schere zwischen großen und kleinen Einrichtungen?

Ja, die wird größer. Die erfolgreichsten Häuser, was KI angeht, sind die großen Kultureinrichtungen. Aber wir merken auch, dass nicht nur die Größe entscheidend ist. Die ist wichtig, weil man dann auch über die nötigen Ressourcen verfügt. Es ist völlig utopisch zu glauben, dass jede Kultureinrichtung eigene Expertise aufbauen kann. Das wird ja nicht klappen.

Wie sieht es konkret in Schleswig-Holstein aus?

A. Diekötter

Tobias Hochscherf geb. 1976, ist Professor für Audiovisuelle Medien an der Fachhochschule Kiel. Dort ist er zurzeit Vizepräsident, unter anderem für den Bereich Forschung und Wissenstransfer.

Wir haben in Schleswig-Holstein Hunderte von Kultureinrichtungen. Darunter sind ganz große Einrichtungen wie die Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen oder das Schleswig-Holstein Musikfest. Aber es gibt auch viele sehr, sehr kleine Häuser, die nur mit Ehrenamtlern betrieben werden. Die werden keine Stellen für IT-Expertinnen und -experten schaffen können.

Welche Chance haben diese kleinen Häuser dann?

Es kommt viel mehr als früher auf Netzwerke an. Die Kultureinrichtungen, auch die kleinen, haben ja etwas Interessantes anzubieten. In Heikendorf in der Nähe von Kiel zum Beispiel haben sie ein kleines Museum, das vor allem Ausstellungen von Künstlerinnen und Künstlern aus Nordeuropa zeigt. Das wird fast ausschließlich von Ehrenamtlern geleitet.

Was raten Sie denen?

Wenn sie auf Hochschulen oder auf kleine Agenturen oder auf Institutionen zugehen und sagen: Wir haben ein tolles Projekt. Wir können das aber nicht selbst. Habt ihr Interesse? Dann ist das Interesse bei den technik­affinen Netzwerken meistens groß. Die haben viel mehr Lust, sich mit einer Künstlerin aus Norddeutschland zu beschäftigen als etwa mit Algorithmen, die die Lebenserwartung vorhersagen für eine große Versicherung. Unser Appell an die Institutionsleitungen, aber auch an die Landespolitik lautet: Ermöglicht mehr solche Netzwerke, macht es leichter, dass Menschen aus Agenturen, aus Hochschulen zusammenarbeiten und solche Projekte durchführen. Außerdem muss sich die Kulturförderung ändern.

„Dass es Bedenken gibt, ist gut. Deshalb gehört die Beschäftigung mit KI gerade auch in den Kulturbereich“

Inwiefern?

Heute muss man bei einem Antrag genau sagen, was dabei am Ende herauskommt. Stattdessen muss man zukünftig viel stärker den Prozess fördern, nicht das Endergebnis. Das heißt, man muss eigentlich weg von der klassischen Idee der Förderung. Nicht das Produkt, sondern den Entstehungsprozess zu fördern, ist natürlich eine völlige Umkehrung der bisherigen Vorstellung von Kulturförderung.

Weil man so die Kosten eines Prozesses nicht mehr berechnen kann, wie man es bei einem Produkt kann?

Genau. Interessant ist dann aber, dass in diesem Prozess durch Workshops, durch agile Methoden, durch die Vernetzung von Akteuren ganz viel entsteht, auch für die nächsten Jahre, was vielleicht viel mehr wert ist als die eine Ausstellung, das eine Buch oder der eine Erwerb eines Gemäldes.

Buchvorstellung „KI und Kultur – Chimäre oder Chance?“: Di, 22. 8., 10 Uhr, Computer­museum der Fachhochschule Kiel, Eichenbergskamp 8

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