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Vietnamesischer GeheimdienstMenschenrechte? Nicht so wichtig

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Offenbar plant Vietnam wieder eine Entführung einer eigenen Staatsbürgerin. Den Boden bereitet die nachgiebige Politik der Bundesregierung.

War da was? Bundeskanzler Olaf Scholz in Hanoi im November 2022 Foto: Kay Nietfeld/picture alliance

V ietnam zählt zu den Ländern, die von der Ernüchterung westlicher Regierungen und Geschäftsleute gegenüber China profitieren. Es geht ihnen darum, die Risiken zu großer Abhängigkeiten vom Reich der Mitte zu mindern. Doch tickt die Regierung in Hanoi vergleichbar autoritär wie die in Peking und zeigt wie diese keine Ansätze von Rechtsstaatlichkeit.

Auch Vietnam schränkt die Spielräume der Zivilgesellschaft immer weiter ein. Doch so wichtig die Risiko­minderung gegenüber China ist, sollten neue Partnerschaften nicht naiv erfolgen und dabei nötige rote Linien gehalten werden.

Daran gibt es im Fall Vietnams große Zweifel: Nach der spektakulären Entführung des viet­na­me­si­schen Wirtschaftskaders und Asylbewerbers Trinh Xuân Than 2017 von Berlin nach Hanoi hatte die Bundesregierung zunächst empört die bilateralen Beziehungen eingefroren. Das juckte Hanoi offenbar wenig, das darin vor allem eine gesichtswahrende Reaktion Berlins sah.

Kein Wunder: Schließlich machte im November 2022 Bundeskanzler Olaf Scholz Vietnams Führung in Hanoi persönlich seine Aufwartung, ohne dass diese im Fall des dort zu zweimal „lebenslänglich“ ­verurteilten Trinh Xuân Than nachgegeben hat. Scholz zeigte damit, dass der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen wichtiger als der Schutz von Menschenrechten und sogar vor Entführungen ist.

So darf es niemanden verwundern, dass derzeit wieder eine Entführung durch den vietnamesischen Geheimdienst in Deutschland droht. Jetzt könnte es mit Nguyễn Thị Thanh Nhàn die mutmaßliche (Ex?)-Geliebte des Premierministers treffen, die sich nach Deutschland abgesetzt hat. Wie damals steht auch jetzt die gefährdete Person unter angeblichem Korruptionsverdacht und ist ein wichtiger Teil des autoritären Apparats gewesen, der sie jetzt verfolgt.

In der falschen Fraktion

Doch zeichnet sie vor allem aus, im innervietnamesischen Machtkampf der falschen Fraktion anzugehören und für die derzeit Mächtigen eine Gefahr zu sein. Mit seiner Rückkehr zum business as usual – immerhin der erste KanzlerInnenbesuch seit elf Jahren – hat Scholz gezeigt, worum es Deutschland wirklich geht.

Hierzulande spionieren Geheimdienste rivalisierender wie befreundeter Staaten, vor denen auch das Handy der Kanzlerin nicht sicher war. Umgekehrt dürften deutsche Dienste im Ausland ähnlich arbeiten. Doch hier Dissidenten und Asylbewerber massiv einzuschüchtern, zu entführen oder gar wie im Fall Moskaus zu töten („Tiergartenmord“) ist so inakzeptabel terroristisch, wie Gaspipelines (durch wen auch immer) zu sprengen. Berlins Reaktionen überzeugen nicht.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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2 Kommentare

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  • "Berlins Reaktionen überzeugen nicht."

    Das kommt doch allenfalls auf die Prämisse an. Wenn man unterstellt, dass unsere Außenpolitik dazu dient, oberlehrerhaft irgendwelche Werte zu verkünden (und Deutschland dabei ins internationale Abseits zu manövrieren), dann hat der Autor möglicherweise recht.

    Wenn es jedoch darum geht, durch eine Außenpolitik die Bedürfnisse Deutschland sicher zu stellen, dann reichen im Zweifel auf gesichtswahrende Aktionen. In diesem Fall überzeugt das "Wertebasierte" Blabla nicht.

  • "Berlins Reaktionen überzeigen nicht." Ach was, wer hätte das gedacht??? Unser Wert ist und bleibt bestens geschützt: Profit. Sonst ist da nicht viel an Schützenswertem. Seit Jarhrzehneten. Wir sind uns da völlig einig mit der EU und anderen "werte"-orientierten Staaten. Diese abgrundtiefe Heuchelei ist unerträglich. Wer naiv genug war -ich selber auch- auf soziale, liberale oder gar menschenrechtsorientierte Politik der Ampel zu hoffen, der ist bitter, bitter enttäuscht.