piwik no script img

Maßnahme gegen Konflikte im ParkGrün und gesprächsbereit

Par­k­läu­fe­r:in­nen sind im Sommer verstärkt auf Kontrollgang – ohne Strafen zu verteilen. Kann das funktionieren? Am Jahresende wird geprüft.

Die Par­k­läu­fe­r:in­nen Yah­ya und Maria José Flores Carrinõn auf Patrouille am Tegeler See Foto: Miriam Klingl

Berlin taz | Trotz Verbots ist im Sommer in vielen Berliner Parks Grillsaison, auch auf der Promenade am Tegeler See. Hier wird gern die metallene Schale eines Gedenksteins, der einst vom Heim­keh­rer­verband gestiftet wurde, als Grill verwendet. Wenn Yah­ya, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, und Maria José Flores Carrinõn auf ihren Patrouillen die Rauchschwaden aufsteigen sehen, fordern sie die Grillenden dazu auf, ihr Feuer zu löschen.

„Manchmal wollen die Menschen nicht hören, dann stehen wir gern mal zwei Stunden neben dem Feuer, bis es endlich ausgemacht wird“, berichtet Yahya beim Stopp vor der Schale. Wieso es die beiden kümmert, was am Tegeler See schief läuft? Weil es ihr Job ist – die beiden sind Parkläufer:innen.

In ihren grünen T-Shirts oder Westen durchstreifen sie die Berliner Parks und sprechen Pas­san­t:in­nen an, wenn diese etwa ihren Müll liegen lassen oder den Hund nicht anleinen. Ist auf dem Kinderspielplatz die Schaukel kaputt, benachrichtigen sie das Straßen- und Grünflächenamt, bei Vermüllung rufen sie die Stadtreinigung.

Inzwischen sind die Läu­fe­r:in­nen auch digital unterwegs. „Einmal hat sich jemand beschwert, dass die Par­k­läu­fe­r:in­nen ständig am Handy seien“, berichtet Elisabeth Jedan, die am Tegeler See als Parkmanagerin die Par­k­läu­fe­r:in­nen koordiniert und auch für Yahya und Maria José Flores Carrinõn zuständig ist. Dabei hätten die Läu­fe­r:in­nen lediglich per App Routendaten abgerufen und Beobachtungen eingetragen.

Die Protokolle der Touren werden dann im Bauwagen geschrieben und an die Park­ma­na­ge­r:in­nen weitergeleitet, die schließlich wiederum Meldungen an die städtischen Betriebe oder Ordnungsämter geben. So sollen die Betriebe effizient informiert werden.

Durch das Projekt sollen Konflikte verhindert werden

Selbst Strafanzeigen schreiben, Personalien aufnehmen oder gar ein Betretungsverbot für die Parks verhängen dürfen die Par­k­läu­fe­r:in­nen nicht. Dazu müssten sie die Polizei um Unterstützung bitten. Ein Grund, wieso es hin und wieder sehr lange dauert, bis die Be­su­che­r:in­nen einsehen, ihr Feuer auf dem „Denkmalgrill“ wieder zu löschen. Diese sanfte Handhabe ist aber genau so erwünscht: „Die Par­k­läu­fe­r:in­nen sind praktisch eine dritte Instanz neben Polizei und Ordnungsamt“, sagt Parkmanagerin Jedan.

Sind die Grünwesten jetzt die neuen spießigen Nachbarn, die einen doof anquatschen? Nein, sagt Jedan bestimmt. Stattdessen wolle man Ansprechpartner vor Ort sein, niedrigschwellige Aufklärungsarbeit leisten und auf Fehlverhalten hinweisen. Konflikte von Nut­ze­rgrup­pen sollen so verhindert und die Ordnungsbehörden und Grünflächenämter entlastet werden, heißt es in einer Broschüre.

Und im Alltag? Viele Be­su­che­r:in­nen seien dankbar, da sie die Regeln gar nicht auf dem Schirm hätten, meint Yahya. Die grünen Shirts würden ihrem Zweierteam bei den meisten auch etwas Autorität geben, erzählt Maria José Flores Carrinõn.

In über 40 Parks unterwegs

Das Projekt „Parkläufer“ war 2016 als Teil eines niedrigschwelligen Maßnahmenpakets vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg für den Görlitzer Park ins Leben gerufen worden. Die Parkläufer sollten dafür sorgen, dass die Dealer ihre Drogen nicht so aufdringlich anbieten und Park­be­su­che­r:in­nen sich an die in öffentlichen Grünanlagen geltenden Regeln halten.

Seinen Ursprung hat das Projekt im Görlitzer Park. Die Parkläufer sollten dafür sorgen, dass die Dealer ihre Drogen nicht so aufdringlich anbieten

Auch das Ordnungsamt sollte damit entlastet werden. Die Idee klang simpel: Im Kiez verwurzelte Menschen, die die Gegend und die Leute kennen, sind ansprechbar und kommunizieren ohne Drohkulisse die Regeln in der Hoffnung, damit im nachhaltigen Sinne Gehör zu finden.

Alle Probleme im Görlitzer Park konnten dort auch die Park­läu­fe­r:in­nen nicht lösen, die Folgen konnten sich dennoch sehen lassen, zumindest tagsüber: Familien kehrten zum Picknick in zurück, Jog­ge­r:in­nen drehten wieder ihre Runden. Nach Einbruch der Dunkelheit, wenn der Görlitzer Park sein Gesicht verändert, wird die Grünanlage, die gerade wieder Schlagzeilen schrieb, von vielen aber nach wie vor gemieden.

Ab 2019 hat die Senatsverwaltung für Umwelt das Konzept aus Kreuzberg in Form eines Pilotprojektes ausgeweitet. In über 40 Parks gibt es jetzt die grünen Patrouillen. Die Probleme variieren je nach Grünanlage von alkoholintensiven Partys bis zu arg rasanten Rad­ler:in­nen, die auf Se­nio­r:in­nen achtgeben sollen.

6 Millionen Euro zahlt der Senat für das Pilotprojekt

Am Tegeler See geht es eher um Letzteres, die Promenade ist abseits einzelner Ra­se­r:in­nen recht gemütlich. Yahya und Maria José Flores Carrinõn kennen aber auch Anlagen, in denen es anders zugeht: An ihrem zweiten Standort etwa, dem Schäfersee, gebe es hin und wieder viele Betrunkene, mit denen man schwer reden könne.

Da die Bezirke die Parkbetreuung an Externe ausschreiben, sind Yahya und Maria José Flores Carrinõn bei der auf Parkläufer spezialisierten Firma SI³ angestellt, Parkmanagerin Elisabeth Jedan arbeitet bei der Tochterfirma thinkSI³. Nur beim Ursprungsbezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind die Stellen direkt beim Bezirksamt ausgeschrieben. Die Senatsverwaltung für Umwelt unterstützt das Pilotprojekt mit rund 6 Millionen Euro, außerdem geben die Bezirke eigene Gelder hinzu.

Weil sie viel draußen sind, Fahrrad fahren und Kontakt zu Menschen haben, macht die Arbeit den beiden Spaß. „Viele kennen uns schon und kommen bei Problemen auf uns zu“, erzählt Yahya – als etwa diesen Sommer eine Frau ohnmächtig vom Rad kippte, als sie gerade auf Kon­trollgang waren. Erste Hilfe gehört zur Ausbildung als Par­k­läu­fe­r:in dazu, ansonsten müsse man vor allem auf Menschen zugehen können, so Jedan.

Yahya hat über Freunde, Maria José Flores Carrinõn von ihrem Ex von der Arbeit erfahren. Sie studiert parallel Wirtschaftsinformatik und ist drei Tage pro Woche am Tegeler See, Yahya ist in Vollzeit beschäftigt. In der Freizeit kämen sie nur selten an ihre Seepromenade, sagen beide. Sie sei ihr Arbeitsplatz – hier zu entspannen somit schwer. Tatsächlich sprächen sie inzwischen sogar manchmal privat Leute an, wenn sie in Parks unterwegs sei, erzählt Flores Carrinõn.

Positive Bilanz

Bis Ende des Jahres soll das großflächige Pilotprojekt bewertet werden, anschließend wird beraten, ob die Par­k­läu­fe­r:in­nen fester Bestandteil des Parkalltags werden. Bisher scheint die Senatsverwaltung positiv gestimmt: Das Sicherheitsempfinden von Parknutzenden sei durch das Projekt erhöht, die niedrigschwellige Ansprache von Be­su­che­r:in­nen hätte die Vermüllung stark reduziert. Aber auch Schäden würden jetzt schneller bei den städtischen Betrieben ankommen und örtliche Initiativen hätten sich besser mit Polizei und Sozialämtern vernetzt.

Bevor Ende des Jahres über die berufliche Zukunft der Park­läu­fe­r:in­nen entschieden wird, müssen auch die Bezirke das Projekt bewerten. Yahya will weiter bei SI³ arbeiten, Maria José Flores Carrinõn zumindest so lange, bis sie ihr Studium beendet hat. Wie es auch kommt, diesen Sommer haben beide sicher noch viele Parkwege abzugehen und dabei manches Feuer zu löschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • ParkläuferInnen sind eine sehr gute Idee und sollten dauerhaft von der Stadt angestellt werden. Diese im Artikel wiedergegebene Einstellung verstehe ich nicht: "Sind die Grünwesten jetzt die neuen spießigen Nachbarn, die einen doof anquatschen?" Ist es spießig und doof jemanden darauf hinzuweisen, dass es Abfalleimer gibt und er/sie Müll nicht einfach irgendwohin werfen muss? Ist es spießig und doof von Mitmenschen zu verlangen, dass sie sich an Regeln wie zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen, Nachtruhe und Rauchverbot halten? Ist es spießig und doof zu erwarten, dass sich alle daran beteiligen, eine freundliche, friedliche und achtsame Stadtgesellschaft zu bilden?

    • @Frau Sperling:

      Zu Ihrer Kernfrage: Nein ist es nicht.



      Andererseits wir Berlin als Stadt wargenommen, in der Alles möglich ist, leider wird dabei anscheinend vergessen (ausgeblendet, ignoriert), daß auch dieses ein gewisses Maß an Regeln benötigt. Heißt also: In Berlin gibt es keine Regeln, sondern nur unverbindliche Verhaltensvorschläge und die gelten nur für die Anderen.