60s-Grafikdesign im Hamburger Umland: Es gibt nur ein Schaf auf Hawaii

Die Babyboomer werden alt, ihre kulturellen Errungenschaften stehen zunehmend im Museum. Aber hippes Londoner Grafikdesign im Hamburger Speckgürtel?

Grafik: Auf schwarzem Grund wird ein von links kommender Lichtstrahl, durch ein Prisma in seine Regenbogen-Bestandteile gebrochen

Bekannter als die Musik darauf: Cover des Pink-Floyd-Albums „Dark Side of the Moon“ von 1973 Foto: Aubrey Powell, Storm Thorgerson, Pink Floyd Ltd, Browse Gallery Berlin

Es muss hier viele alte Menschen geben. Wer vom S-Bahnhof kommend das Ahrensburger Schloss und seinen Marstall sucht, dem müssen sie auffallen: Apotheken, Optikerläden, Sanitätshäuser, Cafés. „Es scheint, als würde Schleswig-Holstein das Florida Deutschlands sein“, hat die langjährige Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) mal gesagt; ja, die kürzlich von uns gegangene. An Florida erinnert allerdings nur wenig, hier im Hamburger Speckgürtel.

Verlockend, einen Zusammenhang herzustellen zwischen der Geronto-Infrastruktur und dem Grund meines Besuchs: Ein rundes Jubiläum wird in der örtlichen „Galerie im Marstall“ gefeiert, genauer gesagt, sind es sogar zwei. Anfang März 1973, also vor etwas über 50 Jahren, veröffentlichte die britische Kunststudenten-Rockband Pink Floyd ihr Album „Dark Side of The Moon“. Vielleicht noch bekannter als die Musik dürfte das Albumcover sein: ein Lichtstrahl, den ein Prisma in seine Regenbogen-Bestandteile bricht. Ob als zweckentfremdete Plattenhülle oder gerahmte Reproduktion in limitierter Auflage, dürfte es bis heute an vielen Wänden hängen.

Ganz besonders groß – anderthalb mal anderthalb Meter – hängt es nun auch da im Marstall, dazu 39 weitere Arbeiten des einst wohl enorm einflussreichen Londoner Grafikbüros Hipgnosis: Viel Pink Floyd ist da zu sehen, aber auch Cover und -studien für andere Rockbands, vor allem aus den 1970er-Jahren: Led Zeppelin, Genesis, 10cc, auch AC/DC; Zeugnisse einer Zeit, in der die Hülle als wichtiger Teil des Albums betrachtet wurde – und dieses gerne als Gesamtkunstwerk.

Daneben zu sehen sind einige Fotos von damals beteiligten Musikern, Syd Barrett beim (LSD-induzierte Psychosen lindernden) Yoga, zum Beispiel; der erste Pink-Floyd-Gitarrist soll den Grafikern auch den Namen „Hipognosis“ eingeflüstert haben. Dass sich die ausgestellten Motive – und etliche mehr aus dem Hipgnosis-Katalog – auch kaufen und mit nach Hause nehmen lassen: so richtig überraschend ist es nicht. Knapp 18.000 Euro kostet die Riesenversion des Pink-Floyd-Prismas, rahmen lassen muss man die einstige Gegenkultur bei Bedarf aber selbst.

Austellung „Hipgnosis: Album Art & Photo Design by Aubbrey Powell & Storm Thorgerson. Celebrating 50 Years The Dark Side of The Moon“: bis 24. September, Ahrensburg, Galerie im Marstall.

Begleitprogramm:

Führungen auf Anfrage

Vortrag „1960er Jahre – Die Anfänge von Hipgnosis. Kosmische Bildwelten & Alchemie – Die ersten Albumcover“ von und mit Alf Burchardt und Bernd Jonkmanns: Do, 27. 7., 19 Uhr.

Vortrag „1970er Jahre – Die Hochphase von Hipgnosis. The Dark Side of The Moon – Das legendäre Albumcover“ von und mit Alf Burchardt und Bernd Jonkmanns: Do, 10. 8., 19 Uhr.

Vortrag „1980er Jahre – Vom Album Cover zum Musikvideo. Von Hipgnosis zu GreenBack Films“ von und mit Alf Burchardt und Bernd Jonkmanns: Do, 14. 9., 19 Uhr.

Ferienprogramm für Kinder und Jugendliche (6-12 Jahre): bis 22. 8., jeweils Mo & Di

Verlockend auch, sich eine schillernde Hintergrundgeschichte auszumalen zum Zustandekommen dieser Ausstellung in einer ehemaligen fürstlichen Reithalle. Aber nein, es gibt da keinen beinharten Pink-Floyd-Fan, der es in einflussreiche Ränge bei der Sparkasse Holstein gebracht hat – die nämlich betreibt die Galerie im Marstall, genauer eine ihrer Stiftungen. Es ist alles viel profaner: Die bis in den späten September gezeigte Ausstellung ist gewissermaßen ein Ableger der Hipgnosis-Schau, die 2018 in der Berliner Browse Gallery zu ­sehen war.

Das ist das andere den Anlass stiftende Jubiläum: 1968 hatte sich die Grafikschmiede gegründet; pleite war sie 1985, in der Ära des Musikvideos. Da hatten sich die Gründer Storm Thorgerson und Aubrey ­Powell einen Dritten an Bord geholt, ­Peter Christopherson, und überhaupt eine ganze Entourage zugelegt – seit 1983 schon machte Thorgerson aber alleine sein Ding; Trennungsdrama, ein wenig wie bei manchen Bands damals.

Als nicht auf norddeutsche Gegenwartskunst beschränkte Sommerbespielung also holte die Galerie eine reduzierte Auswahl von Hipgnosis-Arbeiten nach Ahrensburg. Und wie damals in Berlin reiste der verbliebene Hipgnostiker, der überraschend agile Powell, Anfang Juli zur Eröffnung an und erzählte Döntjes, Anekdötchen von der Art, wie sie auch neben etlichen der Bilder zu lesen sind. Hätten Sie gewusst, dass es nicht leicht war, beim Shooting auf Hawaii ein Schaf aufzutreiben (und eine Chaiselongue)?

Ob die Sache aufgeht, ob also ein doch recht spezifischer Blick auf Jahrzehnte zurückliegende Popkultur vom Marstall-Publikum angenommen wird? Das zu beurteilen, dafür ist es noch etwas zu früh. Eine völlig unsystematische Stichprobe ergab überraschend junge Besucher:innen; kauften nicht gleich einen Fine Art Print für ein paar tausend Euro, aber – T-Shirts.

Änderungshinweis: In einer früheren Version des Texts stand, dass die Sparkasse Südholstein die Ahrensburger Galerie trage – richtig ist: Es ist die Sparkasse Holstein.

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Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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