Heavy Metal in Nordischen Botschaften: Das innere Biest herauslassen
Das Berliner Felleshus nimmt Heavy Metal ernst. Es zeigt, wie die Musik zu einem der größten Kulturexporte wurde – und welche Rolle Nazis spielen.
Das dürfte wohl auch eine Weltpremiere sein: Da betritt man ein Botschaftsgebäude, und dann sieht man da lauter Heavy-Metal-Plattencover, Nietenarmbänder mit gewaltigen Nägeln, apokalyptisch anmutende Zeichnungen und Malereien in Schwarz-Weiß-Ästhetik, Totenköpfe – und über dem Aufgang thront das Banner eines Ziegenkopfes mit böse funkelnden roten Augen.
Der Tierkopf ist dem Cover eines legendären Black-Metal-Albums entnommen, dem selbst betitelten Debütalbum der schwedischen Band Bathory aus dem Jahr 1984. Die achtziger und neunziger Jahre waren die großen Jahre der finsteren Subgenres des Metal, die berühmtesten Gruppen des Death, Black und Viking Metal kamen aus den skandinavischen Ländern.
Höchste Zeit also, diese Jugendkulturen zu historisieren, befanden die Nordischen Botschaften in Berlin, und widmen ihnen nun im Felleshus, dem vielleicht schönsten Botschaftsgebäude der Hauptstadt, die Ausstellung „Der harte Norden – Heavy Metal aus den nordischen Ländern“. Wundern sollte einen diese Themensetzung eigentlich nicht, schließlich handelt es sich um einen der größten skandinavischen Kulturexporte jüngerer Jahre.
Kuratiert wurde die Ausstellung von der schwedischen Journalistin Ika Johannesson, die sich bereits in einer Buchveröffentlichung mit der Metalkultur ihres Heimatlands befasst hat. („Blood, Fire, Death: The Swedish Metal Story“). Entsprechend kenntnisreich ist die Schau geworden – die meisten wichtigen Bands und Ereignisse kommen vor.
„Der harte Norden – Heavy Metal aus den nordischen Ländern“: Felleshus Berlin, bis 29. September, www.nordischebotschaften.org
Abgrenzung der Genres
Erst einmal ist erfreulich, dass Black und Death Metal hier als Musikkultur ernst genommen werden. Man kann in Death-Metal-Musik der Bands Entombed, Sororicide, Cadaver, Amorphis und Konkhra reinhören, auch die Black-Metal-Bands Darkthrone, Bathory, Denial Of God, Archgoat und Sólstafir kann man sich über Kopfhörer anhören und so vollständig in die Metal-Welt abtauchen (es wird dabei jeweils eine Band pro skandinavischem Land vorgestellt).
Zudem wird eine – gar nicht so leichte – Abgrenzung der Genres vorgenommen, die Unterschiede werden erklärt. So ist der Black-Metal-Sound meist nicht so „clean“ wie der des Death Metal, beim Gesang im Black Metal wird noch mehr „gegrowlt“ (geknurrt und gebrummt) als im Death Metal. Auch ist der Sound im Black Metal atmosphärischer, dunkelste Gefühle werden in Klang übersetzt. Satanismus, Heidentum und Okkultismus sind in beiden Genres verbreitet, insbesondere der norwegische Black Metal ist diesbezüglich berühmt-berüchtigt.
Entsprechend werden die Kirchenbrände und Todesfälle in der norwegischen Black-Metal-Szene der frühen Neunziger in der Schau thematisiert. Der berühmteste Fall ist der des Mayhem-Sängers Øystein „Euronymous“ Aarseth, der 1993 von Varg Vikernes, dem Gründer der Ein-Mann-Band Burzum, erstochen wurde.
Vikernes ist einer der bekanntesten Rechtsextremen der nordischen Metalszene. Ein ganzer Zweig im Black Metal hat neonazistische Ideen verfolgt (oder tut dies noch), das Genre wird National Socialist Black Metal (NSBM) genannt. In der Schau wird Vikernes zwar genannt, sein Projekt Burzum aber ausgespart – durchaus eine sprechende politische Lücke.
Dafür fand Anfang Juli in den Nordischen Botschaften eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Rassismus und Faschismus im Metal statt („Neopaganismus und Ideologie in Black und Death Metal“), in der über völkische und nazistische Ideen innerhalb des Genres informiert und diskutiert wurde.
Dabei ging es erfreulicherweise nicht nur um ideologische gefestigte Nazis im Metal (das Phänomen ist bereits breit bekannt und erforscht), sondern auch um verwandte Strömungen wie Nordic Ritual Folk und Pagan Folk/Metal, die in Teilen esoterisch-antimodernistisch und reaktionär erscheinen.
Der Skandinavist Lukas Rösli sprach davon, dass in einigen dieser Subkulturen eine Vergangenheit beschworen werde, die es nie gegeben habe. „Extrem gefährlich wird es natürlich, wenn dies mit faschistischem und rassistischem Gedankengut einhergeht.“ Im Zusammenhang mit den populären Ritual-Folk-Bands Heilung (deutsch-dänisch-norwegisch) und Wardruna (Norwegen) stellte er fest, dass sie rückwärtsgewandt seien, nach einem Ursprung, nach vermeintlicher Echtheit in der Vergangenheit suchten – dies sei zumindest das Gegenteil von linker Politik.
Stefanie von Schnurbein, Literaturwissenschaftlerin mit den Schwerpunkten Skandinavien und neugermanisches Heidentum, betrachtete den Runenkult in diesen Szenen äußerst skeptisch, es gebe etwa verbreitet den Glauben, dass die „Runen“ zu den Künstlern „sprechen“ würden.
Sie wies darauf hin, dass diese sich dabei nicht mal zwingend bei den Nazis bedienen würden – schließlich habe es auch zuvor schon esoterische und okkulte Alternativkulturen gegeben, die völkisch waren. Doch genauso wie man es dem Punk und dem HipHop nicht anlasten sollte, wenn er von weit rechts vereinnahmt wird, sollte man dies auch dem Metal nicht pauschal zum Vorwurf machen.
Von Natur aus abweisend
Die Faszination, die vom Metal ausgeht, begreift, wer sich die dokumentarischen Videos der Schau anschaut. Black und Death Metal sind seit jeher Antipoden von Mainstream und Massenkultur, sie kommen oft nihilistisch daher. Tómas Ísdal von der isländischen Band Misþyrming sagt in einem Clip: „Black Metal ist von Natur aus abweisend. Black Metal berücksichtigt dich nicht als Individuum. De facto ist Black Metal gegen dich, Punkt. Er ist gegen die Gesellschaft, gegen die Kirche, gegen den Staat.“
Das Lebensgefühl von Metal bringt dagegen Aðalbjörn Tryggvason von der Band Sólstafir gut auf den Punkt. Erklären könne man dieses kaum, denn „es ist, wie jemandem zu erklären, was ein Orgasmus ist. Man muss es selbst erleben. Wer Heavy Metal nicht versteht, dem werde ich nicht versuchen, es zu erklären.“
Man lernt in der Ausstellung Black und Death Metal als Kultur „von unten“, als D.I.Y.-Phänomen im Skandinavien der Achtziger und Neunziger kennen – es gründeten sich verbreitet Bands, es gab Fanzines, die über die Szene berichteten, es gab entsprechende bildende Kunst, die in den Zines und auf den Plattencovern zu sehen war.
Frauen waren in der Szene damals insgesamt unterrepräsentiert, hier kommen aber einige von ihnen zu Wort, etwa die Dänin Amalie Bruun (Myrkur) und die Finnin Noora Louhimo von der Band Battle Beast. Etwas mehr Musikbeispiele hätten der Schau gutgetan, ansonsten aber gibt sie insgesamt einen guten Einblick in die Szene. Metal wird hier als Sound dargestellt, der die dunkle Seite des Menschen abbildet, durch den „das innere Biest herausgelassen“ wird, wie Noora Louhimo es formuliert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!