Israelisch-ungarische Freundschaft: Fundamentalisten vereint im Hass
Warum mögen sich Netanjahu und Orban? Weil sie konservativ sind. In Israel hat eine Anti-LGBT-Einstellung Tradition. Zumindest außerhalb von Tel Aviv.
D ie USA initiierten jüngst eine scharfe Verurteilung der Anti-LGBT-Gesetze in Ungarn, der sich über 30 Länder anschlossen, darunter die Bundesrepublik. Das einzige europäische Land, das die Kritik verweigerte, war Polen. Auch Israel unterzeichnete die Stellungnahme nicht, obschon das Weiße Haus Jerusalem ausdrücklich dazu aufgefordert hatte. Grund für die israelische Haltung dürften die engen Beziehung zwischen Jerusalem und Budapest sein.
In den vergangenen Jahren sind sich Benjamin Netanjahu und Viktor Orbán noch näher gekommen. Rechte Politiker aus dem Umfeld Netanjahus reisen regelmäßig nach Budapest und preisen die weltanschaulichen Übereinstimmungen der Rechten Israels und Ungarns. Umgekehrt machen sich die Ungarn innerhalb der EU für Israel stark, wenn es um eine Verurteilung der israelischen Politik geht. Aber das ist nicht die ganze Geschichte.
Über Jahrzehnte war Israel ein konservatives Land, allerdings nicht im religiösen, sondern im sozialistischen Sinne. Die Jugendbewegung, der ich im Kibbuz angehörte, nannte sich „Hashomer Hatzair“, zu Deutsch: „der junge Wächter“, der, wie wir auswendig lernen mussten: „nicht trinkt, nicht raucht und sexuelle Reinheit bewahrt“. In den 90er Jahren wurde die Gesellschaft offener, entspannter und befreiter, vor allem in der Tel Aviver „Blase“. Außerhalb der Stadtgrenzen fand bisweilen genau das Gegenteil statt. Dort nahm der Einfluss der konservativen und fundamentalistischen Gruppen nur noch zu. Diese Gruppen standen auch unter dem Einfluss der Rechts-Religiösen in den USA, und so kam es, dass ein Teil der israelischen Rechts-Religiösen weniger vom „heiligen Land“ und dem unteilbaren Großisrael sprach, als von Geschlechtertrennung und der Wahrung der Jungfräulichkeit.
Im Laufe der Jahre wurde die Auseinandersetzung mit dem Thema LGBT, allen voran schwule Männer, zu einer regelrechten Obsession. Ultraorthodoxe propagierten Konversionstherapien und beschimpften Homosexuelle als schmutzige, wilde Tiere, die sich wider die Natur verhielten. Infolge der letzten Parlamentswahlen zogen Vertreter dieser Gruppen in die Regierung Netanjahus ein. Dort sind sie Herren über umfangreiche Budgets, die es ihnen ermöglichen, ihre verstörenden, abscheulichen Vorstellungen in das israelische Bildungssystem einfließen zu lassen.
Rückendeckung für Ungarn aus ideologischen Gründen
So entsteht eine dichotome, brisante Situation. Während in Tel Aviv riesige Pride-Partys stattfinden, die gesamte Stadt und die Knesset in Jerusalem die Regenbogenfahne hisst, steht ein großer Teil der israelischen Gesellschaft der Queer-Community durch und durch feindselig gegenüber. In manchen Gegenden riskieren offen homosexuell lebende Menschen Übergriffe. Ein Abgeordneter verkündete jüngst in der Knesset, dass Queers „gefährlicher als der IS“ seien. Die Pride-Paraden finden zwar fast im ganzen Land statt, aber außer in Tel Aviv müssen sie polizeilich vor eventuellen Angriffen geschützt werden. In Jerusalem hat vor wenigen Jahren ein religiöser Fanatiker ein junges Mädchen im Verlauf der Pride-Parade erstochen. Die Lage im arabischen Sektor ist noch schlechter. Dort wurde vor Kurzem eine junge lesbische Frau von Familienangehörigen getötet.
Völlig klar, dass die israelische Rückendeckung für Ungarn nicht nur auf Interessen basiert, sondern durchaus ideologische Gründe hat. Die christliche Feindschaft allem augenscheinlich „Naturwidrigen“ gegenüber setzt die alte jüdische Obsession vom Unreinen und der Schande fort, von der schon der Prophet Hesekiel (22,4) in der Bibel schrieb: „Darum will ich dich zum Spott unter den Heiden und zum Hohn in allen Ländern machen.“
Aus dem Hebräischen von Susanne Knaul
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