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Der erste große Tanz

Linda Caicedo, Jungstar bei Deutschlands Gegner Kolumbien, ist der Hingucker beim 2:0 gegen Südkorea

Von Frank Hellmann und Steven Lang

War das der Anfang von etwas ganz Großem? Fröhlich zu den Klängen südamerikanischer Musik tanzend stand sie im Football Stadium von Sydney: Linda Caicedo. Was Kolumbiens Wunderkind bei ihrem ersten Auftritt auf der Weltbühne vollbrachte, übertraf die kühnsten Erwartungen. Die 18-Jährige war entscheidend am verdienten 2:0-Erfolg gegen Südkorea beteiligt, jede Ballannahme geriet zur Augenweide. Caicedo, mit 15 an Krebs erkrankt, gab Deutschlands nächstem Gruppengegner Struktur und Kreativität, zog das Spiel an sich und war letztlich fast nur mit Fouls zu stoppen.

Im vergangenen Jahr lief sie sowohl für die U20- als auch für die U17-Auswahl auf, mit der sie Vizeweltmeisterin wurde. Dazu kamen die Auftritte im A-Nationalteam. Eine Vielspielerin mit unfassbar viel Talent. Bereits bei der Copa América im eigenen Land rückte sie als herausragende Fußballerin in den Blickpunkt, als das Finale 0:1 gegen Brasilien verloren ging. Sie spielte so gut, dass ihr auch schon Staatspräsident Gustavo Petro die Hand geschüttelt hat. Ihren Arbeitgeber Real Madrid wird es freuen, dass sie im Februar einen langfristigen Vertrag bis 2027 unterschrieben hat. Auch wenn noch nicht jedes Dribbling gelang oder jeder Pass saß: Das australische Publikum wurde zur Mittagszeit immer dann laut, sobald die filigrane Caicedo an den Ball kam. „Ich bin sehr glücklich“, erklärte die Nummer 18 Kolumbiens: „Die Erfahrungen bei einer WM sind unbezahlbar. Ich versuche, alle Momente aufzusaugen, alles zu genießen.“

Cheftrainer Nelson Abadía konnte das Spektakel nur aus der Ferne genießen. Wegen einer Sperre nach einer Roten Karte im Finale der Copa América wird er auch das Spiel gegen Deutschland nicht von der Seitenauslinie coachen dürfen. Co-Trainer Angelo Marsiglia ersetzte ihn auf der Bank und zur Pressekonferenz wurde der Sohn des Cheftrainers geschickt, der als zweiter Assistent für das Team engagiert ist. Jener Manuel Abadía meinte auf der Pressekonferenz nach dem Spiel: „Linda ist eine außergewöhnliche Spielerin, sie entwickelt sich täglich weiter und bringt all denjenigen Freude, die Fußball mögen. Linda hat uns heute einen Bonus gegeben, sie ist nicht von diesem Planeten.“

Sogar Staatspräsident Gustavo Petro hat der 18-Jährigen schon die Hand geschüttelt

Naturgemäß wenig glücklich blickte Südkoreas Cheftrainer Colin Bell drein, 2015 als Trainer des 1. FFC Frankfurt Gewinner der Champions League, als er mitansehen musste, wie Kolumbiens Rekordnationalspielerin Catalina Usme einen nicht unumstrittenen Handelfmeter zur Führung verwandelte (30.). Danach sah er, wie Kolumbien seinem Team mehr und mehr den Schneid abkaufte. Nach einem Patzer von Keeperin Yoon Younggeul, der die Kugel durch die Hände flutschte, landete Caicedos Schuss zum 2:0 im Netz (39.). Der konsternierte Bell konnte da nur noch den Kopf schütteln.

Kolumbien wirkte gefestigter als bei der WM 2015, als das Team auf Kunstrasen in Kanada im Achtelfinale am späteren Weltmeister USA scheiterte. Und die gefürchtet Härte der Südamerikanerinnen? Von der war nichts zu sehen. Kolumbien setzte auf fußballerische Mittel. Co-Co-Trainer Abadía erwartet nun ein „enges Spiel“ gegen den Favoriten Deutschland: „Deutschland war stark gegen Marokko. Aber auch wir können einiges bieten. Wir hoffen, wieder gefährlich werden zu können.“ Mit Linda Caicedo ist das gar nicht so unwahrscheinlich.

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