Hongkong-Thriller „Limbo“ auf DVD: Abfall und Regen
In „Limbo“ zeigt Soi Cheang ein heruntergekommenes Hongkong voller Elend in Schwarz-Weiß. Inmitten des Morasts treibt ein Mörder sein Unwesen.
Es werden linke Hände gefunden. Hände ohne Körper, brutal, mit einem nicht sehr scharfen Instrument abgetrennt. Es werden auch Körper gefunden, ohne linke Hände. Leichen in Gassen und Winkeln,die vollgemüllt sind. Die Polizei ist ratlos, durchwühlt die Tüten mit Müll, kämpft sich durch Hinterhöfe, Verbindungswege, bewegt sich im Dunkeln, in dem lichtscheue Gestalten zwielichtige Geschäfte treiben, in dem eine junge Frau ohne linke Hand Drogen vertickt.
Das ist das Hongkong, das Soi Cheang hier präsentiert: stinkend, brutal, heruntergekommen, verwinkelt, voller Elend und Abfall und Regen, endlosem Regen, der losbricht, der nicht mehr aufhört. Regen als Element, in dem alles, auch der Unterschied zwischen Gut und Böse verschwimmt.
Cheang präsentiert dieses Hongkong in Schwarz-Weiß. Es ist ein softes Schwarz-Weiß. Es modelliert keine harten Kontraste, sondern erschafft eine Ton-in-Ton-Welt, in der Lichter aus den Hochhäusern scheinen wie Augen aus Körpern oder vielleicht doch eher wie ausgebleichte Knochen in fauligem Fleisch. Immer wieder sind zwischen die Bilder aus den engen Gassen und unübersichtlichen Wegen Totalen von diesem Häuser-Hongkong geschnitten, keine Stillleben, denn still ist es nicht; es rattern Züge als Hochbahn vorüber, es ist Gewusel von Wesen im Regen. Eher ist es eine Stadt als Untotenleben, die der Film in grandios stilisierten Bildern atmosphärisch beschwört.
In dieser Stadt, in diesen Bildern sind der erfahrene Cop Cham Lau (Ka-Tung Lam) und sein junger Kollege Will Ren (Mason Lee), der die meiste Zeit schreckliche Zahnschmerzen hat, unterwegs. Das Polizeirevier ist wie alles andere auch ein unübersichtliches Chaos aus Bergen von Akten und Zeug, das in zu engen Räumen herumliegt. Aus dieser Höhle bewegen sich die beiden ins höhlenartige Freie, durch die Straßen der Stadt, auf der Suche nach dem Mörder. Dem Mann, der den Frauen die linken Hände abhackt.
Zwischen Leben und Tod
Lau hat dabei selbst einen Schicksalsschlag zu verkraften: Nach einem Autounfall liegt seine Tochter im Koma, künstlich beatmet, von Geräten umgeben. Nacht für Nacht legt er sich in das daneben stehende Bett, selbst Bewohner des Limbo zwischen Leben und Tod, das dem Film den Titel gibt, als das der Film das Leben in Hongkong zeigt.
„Limbo“ (Soi Cheang, Hongkong/China 2021). Die DVD ist im Handel ab rund 13 Euro erhältlich.
Eine junge Frau war es, die die Tochter auf der Straße einst überfuhr. Sie kam ins Gefängnis dafür. Sie ist wieder raus, und als Cham Lau ihr zufällig wiederbegegnet, rastet er aus, treibt sie in einer Verfolgungsjagd, sie rennend, er im Auto, vor sich her, schlägt sie und benimmt sich wie ein blutrünstiges Tier. Kollege Will kann mit Mühe und Not das Schlimmste verhindern, aber dann verliert dieser seinen Revolver, was ihn seinen Job kosten könnte – ein Drama, das zum Verhängniszusammenhang, auf den sich alles zuspitzen wird, einiges beiträgt.
Es ist die Sorte Film, der diese drei, die Cops und die junge Frau, schicksalhaft aneinander fesselt, als instabile Gemeinschaft, treppauf, treppab. Sie wird vom Killer geschnappt und in sein Reich verschleppt, das ein Messie-Königtum ist, voller Müll und Armen und Händen, aus Fleisch und aus Plastik, mit Leichen und mit Gestank und der Foto-Erinnerung an die Menschen, die den Mörder, das Untier, einst liebten.
Aber wer einmal Untier geworden ist, kehrt nicht mehr unter die Menschen zurück. Und wer fast schon nicht mehr unter den Lebenden weilt, ist umso schwerer zu töten.
Das Finale ist darum endlos, brutal, blutig, der Regen spült das schwarze Blut auf das Pflaster, der Schrecken scheint kein Ende zu finden, und dann trifft die falsche Kugel aus der falschen Waffe den Falschen. Es ist bitter. Und sehr konsequent.
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