piwik no script img

Verkehrs-, Freibad- und Hollywood-ChaosNur Ärger im Sommer

Die Hollywood-Autor*innen kämpfen für mehr Lohn, die Fahr­rad­fah­re­r*in­nen ums Überleben im Straßenverkehr und die Freibad-Gäste: gegeneinander.

Gefährlich dieser Tage: Mit dem Fahrrad ins Freibad fahren Foto: David Young/dpa

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Der Hut der Queen ein subversives Statement pro Europa? Lesbar auch als „Europa könnt Ihr Euch an den Hut stecken“.

Friedrich Küppersbusch: „Geächtete“ Streumuniton.

Und was wird besser in dieser?

„Umstrittene“ Streumunition.

Was ist wahrscheinlicher? Die Türkei in der EU oder Schweden in der Nato?

Hier tritt Platz 4 gegen Platz 165 der Pressefreiheits-Charts an, die Reporter ohne Grenzen erstellt. Schweden erkauft den Nato-Beitritt mit Verzicht auf Liberalität; die Türkei wäre noch eine Autokratie mehr in der EU. Beide Organisationen wachsen – weniger Werte, mehr Gemeinschaft. Derzeit eher ein Militär- und Wirtschaftsbündnis, die beide ihre „Werte“ auf bessere Zeiten vertagen.

Die Nato nickt geächtete Waffen ab, die EU erduldet autoritäre Regime. Das Ideal, man werde die Radikalen in den Bündnissen langfristig bezähmen, steht gegen die Sorge, selbst fortgerissen zu werden. Lieben Gruß von Deutschland, dem nur noch 21. Platz im Pressefreiheits-Ranking.

Der Kollege Arno Frank identifizierte kürzlich im Freibad „Kennzeichen öffentlicher Räume, wie es sie in dieser Fülle und Zugänglichkeit wohl kein zweites Mal gibt“. Sind Freibäder also nicht genau der richtige Ort, um Debatten zu provozieren?

Mal so vom Zehner geguckt: Bademeister-Bashing und Prügeleien im Nichtdenker-Becken haben schon viel Ähnlichkeit mit manchen Demos, die unter Pegida, Corona, „Merkel muss-weg“ und anderen Labels liefen: Ein kollektiver Schrei nach Autorität. Gemeinsames Aufbegehren gegen „die da oben“. Die realen Autoritäten werden provoziert, getestet, ramponiert – auf der Suche nach dem, „der mal richtig mit der Faust auf den Tisch haut“.

Rechte Wutbürger kann man nicht besser beleidigen als damit, ihre Nähe zu Clans und Parallelgesellschaften aufzuzeigen. Deshalb sollte das hier unter uns bleiben. Das sind vordemokratische Strukturen; also Leute, die noch nicht im langweiligen halbtollen Kompromiss angekommen sind. Hoffentlich vordemokratisch, weil: postdemokratisch wäre schlimm.

Die Zahl der Verkehrsopfer in Deutschland ist laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2022 gestiegen. Was muss sich dringend ändern?

Mal wieder Corona? Der Anstieg um 9 Prozent wird mit der wieder erhöhten Fahrleistung erklärt. Zugleich sank die Zahl der Verkehrsopfer seit 1968 in Deutschland um 90 Prozent. Dazwischen lagen Tempolimits, Promillegrenzen, Gurtpflicht und technische Verbesserungen wie Airbags, Bremssysteme, Knautschzonen.

Also alles, was keinen Spaß macht. Gute Verkehrspolitik wäre also gekonntes Spaßverderben. Ein langer Weg, wir kommen von „Freie Fahrt für freie Bürger“ (FDP) und „Freude am Fahren“ (BMW). Ziel wäre „Umparken im Kopf“ (Opel). Das ist dunkle Pädagogik: Verbot, Strafe. Lustverlust. Ich habe keinen Alternativvorschlag, „immer mehr Menschen überleben den Straßenverkehr“ klingt ein bisschen verzagt.

Carsten Linnemann wird von Friedrich Merz zum neuen CDU-Generalsekretär gekrönt. Ist das nur ein Personal- oder auch ein Paradigmenwechsel?

Friedrich Merz’ Gesamtbeglückungsstrategie – ein Ossi und eine Frau in Reserve – sollte irgendwie alles sein und war offenbar nichts. Die CDU hat seit circa Heiner Geißler konsequent gegen die Jobbeschreibung besetzt: Man braucht Zuspitzer und Polemiker, damit der Parteivorsitz umso präsidialer auftreten kann. Die Union dagegen verschliss Parteiseelsorger von Hintze, Pofalla, Tauber bis Ziemiak.

Wenn mal eine Merkel oder Kramp-Karrenbauer dazwischen war, wurde es für deren Chefs gleich ungemütlich. Linnemann ist nun Mann, West, Wirtschaft wie Merz selbst; ob er zuspitzt und gut organisiert, wird sich zeigen. Bereits erkennbar dagegen: Merz meint, ein Methadonprogramm für Merkelianer nicht mehr zu brauchen.

Nach dem Au­to­r*in­nen­streik in Hollywood folgen jetzt die Schauspieler*innen. Sie fordern unter anderem höhere Löhne. Werden bald sowieso alle durch KI ersetzt?

Darum streiken sie. Einige Filmstudios haben ins Kleinstgedruckte der Mitwirkendenverträge hineingewuchert: Die Schauspielenden übertragen nicht nur wie bisher ihr Werk, sondern willigen auch ein, dass ihr Bild von einer KI künftig synthetisiert werden darf. Bei den AutorInnen ist es noch relativ abstrakt – sie wehren sich dagegen, dass KIs mit alten Drehbüchern gefüttert werden und neue ausspucken. Bei Darstellenden dagegen ist es ein Antrag auf Abschaffung.

Und was machen die Borussen?

Ex-Präsident Rauball beheizt seine Anwaltskanzlei mit – Grubenwasser. Tja. Dortmund hat einfach die besseren Konzepte.

Fragen: Valérie Catil, waam

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".