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Es soll mehr Wild geschossen werdenDie Jäger treten in den Klimastreik

Ein modernes Jagdrecht ist wichtig für den Waldumbau. In Rheinland-Pfalz und Brandenburg drohen neue Jagdgesetze einmal mehr zu scheitern.

Schön ist das nicht: Erlegtes Wild im Schönbuch in Baden-Württemberg Foto: imago

Berlin taz | Der Versuch in Brandenburg versinkt im Chaos, der in Rheinland-Pfalz in Aufruhr: Wieder einmal versuchen sich Umweltminister daran, das Jagdrecht zu reformieren. Im Bund war das in der vergangenen Legislaturperiode schon mal krachend gescheitert, kurz vor dem Ende der letzten Sitzungswoche des damaligen Bundestags mit seiner schwarz-roten Mehrheit. „Beim Bundesjagdgesetz gehen bei der Union seit Langem Lobbyinteressen vor Gemeinwohlinteressen“, schrieb die SPD-Abgeordnete Isabel Mackensen-Geis damals wütend in einer Pressemitteilung, „nun opfert die CDU/CSU der Jägerlobby sogar ihren eigenen Gesetzentwurf. Damit lassen sie ihre Ministerin Klöckner im Regen stehen. Dieser hilft dem Waldboden bei Hitze, aber nicht dem Bundesjagdgesetz.“

Genau um Hitze, Regen und den Waldboden geht es. Damit Forste in klimastabile Wälder umgebaut werden können, die den Frühjahrsdürren, Sommerhitzen und Stürmen standhalten, muss mehr Rot- und Rehwild geschossen werden, sind sich Förster und Waldbesitzer einig. Die Statistiken des Bundesjagdverbandes zeigen die Bestandsentwicklung: Schossen die Jäger im Jahr 2006 noch knapp 59.000 Hirsche, waren es 2016 schon knapp 80.000. Seit einigen Jahren stagnieren die Zahlen auf diesem hohen Niveau. Bei den Rehen sieht es ähnlich aus, hier sind die Jagdstrecken auf rund 1,2 Millionen Tiere im Jahr gestiegen – rund 200.000 mehr als vor 20 Jahren.

Hintergrund: Sowohl Hirsche als auch Rehe ernähren sich von Gräsern, Kräutern – und Knospen von Laubbäumen. Förster müssen Neupflanzungen junger Eichen oder Buchen für viel Geld umzäunen, damit sie eine Chance haben zu wachsen. „Wald vor Wild“ heißt deshalb das Motto vieler Förster; es müsse sichergestellt werden, dass sich der Wald natürlich ohne Schutzmaßnahmen verjüngen könne, sonst haben klimastabile Mischbaumarten bei hohem Wildverbissdruck keine Chance, stellt der Verband der Waldeigentümer fest.

Und Denny Ohnesorge, Geschäftsführer Hauptverband der Deutschen Holzindustrie, mahnt: „Die Wildbestände auf ein solches Maß zu regulieren, dass sich Pflanzen und insbesondere Waldbäume natürlich verjüngen können, ist nicht nur ein wichtiges Anliegen der deutschen Holzindustrie. Eine solche Regulierung liegt auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse.“ Nur wenn die Wildbestände in verträglichem Rahmen gehalten würden, könnten klimaresiliente Wälder entstehen, so Ohnesorge.

Alle gescheitert

1976 war das letzte Mal, dass eine Bundesregierung es schaffte, das Jagdrecht zu modernisieren, das die Rechte und Pflichten der Jäger regelt. Danach sind daran allesamt gescheitert; seit 2006 fällt das Jagdrecht unter die konkurrierende Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern – diese können also vom Bundesrecht abweichende, eigene Gesetze erlassen. De facto kommt den Landesjagdgesetzen seitdem eine immer größere Rolle zu. Doch auch diese lösen die Konflikte nicht mehr, die sich angesichts der Herausforderungen des Klimawandels zwischen den verschiedenen Interessengruppen in den Forsten herausgebildet haben.

Brandenburg und Rheinland-Pfalz starten nun also einen neuen Versuch. Die zuständigen Minister wollen, mit unterschiedlichen Mitteln, den Eigentümern des Waldes mehr Einfluss auf die Jagd auf ihren Flächen geben. Die obliegt bisher nämlich den Jägern, die Jagdreviere pachten und dort relativ frei schalten und walten können. Der Vorwurf der Waldbesitzer: Die Hobbyschützen schießen zu wenig. Nur Besitzer sehr großer Flächen besitzen sogenannte „Eigenjagden“ und müssen ihre Forste nicht verpachten, die Größe unterscheidet sich je nach Bundesland.

In Mainz plant die grüne Klimaschutz-Ministerin Katrin Eder in ihrem Anfang Juli vorgelegten Gesetzentwurf, den Besitzern auch kleinerer Waldgebiete mehr Rechte einzuräumen. Paragraf 18 ihres Entwurfs erlaubt es den Eigentümern, von Jagdpächtern die unentgeltliche Jagderlaubnis für sich oder für Dritte zu verlangen. Das Land mache sich „auf den Weg, eines der modernsten, wenn nicht das modernste Jagdrecht der Republik zu implementieren“, machte Eder sich Mut, „der Gesetzentwurf greift die immer stärker sichtbar werdenden Folgen des Klimawandels auf und eröffnet eine bessere Unterstützung der Waldentwicklung durch jagdliches Management“.

Der Aufruf

Ergebnis: Die Jäger sind in den Ausstand getreten. „Aufruf zum Protest. Wir streiken“ leuchtet es im knallroten Kreis auf der Internetseite des rheinland-pfälzischen Jagdverbandes. Mit seinem Entwurf habe die Abteilung Forst des Ministeriums mehrere rote Linien überschritten. „Dies können und werden wir nicht tolerieren“, schnaubt die Jägerschaft.

In Brandenburg bietet sich ein ähnliches Bild. Dort versucht der grüne Umweltminister Axel Vogel nun schon im dritten Anlauf, das Landesjagdrecht zu reformieren und dabei vor allem dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Waldbesitz in dem ostdeutschen Flächenland äußerst kleinteilig ist. In Brandenburg gibt es rund 97.000 Waldbesitzer mit zum Teil winzigen Flächen. Nur wenige von ihnen nutzen die Möglichkeit, sich zu Forstbetriebsgemeinschaften zusammenzuschließen und ihren Wald professionell verwalten zu lassen. Die Vorstellung des Ministeriums: Die Besitzer lassen ihren Wald managen und damit auch die Wildtierbestände darin. Bislang sind ihre Flächen Teil von Jagdrevieren, auf deren Verpachtung sie kaum Einfluss haben. Auch in Brandenburg geht es darum, das alleinige „Hoheitsrecht“ der Revierpächter auf die Jagd zu brechen und somit insgesamt auf weniger Wild im Wald.

Zwar werteten die Umweltverbände im Bundesland den neu vorgelegten Entwurf als völlig unzureichend. Trotzdem trifft er auf Gegenwehr: Vergangenen Donnerstag ließ der Bauernverband, ein Fürsprecher der Jäger, einen Termin platzen, an dem er mit anderen Beteiligten Stellung zum neu vorgelegten Jagdgesetz nehmen sollte. Nun will er sich Ende des Sommers mit dem Vorhaben befassen – wenn überhaupt. Schließlich zwangen die Jäger Minister Vogel in wütenden Kampagnen schon zweimal, seine Jagdgesetze zurückzuziehen. Nächstes Jahr wird in Brandenburg gewählt, die Umfragewerte der Grünen sind bescheiden.

„Das Geschehen in Brandenburg beobachten wir mit Interesse“, teilt das Klimaschutzministerium in Mainz mit. Kein Wunder, zeigt sich in beiden Ländern doch, ob sich das Jagdrecht überhaupt reformieren lässt. „Es gibt unterschiedliche Interessen im Forst“, sagt Ralf Schulte, Jagdexperte des Naturschutzbundes Nabu, „die Interessen der Wildtiere, der Waldbesitzer, der Erholungssuchenden, der Jäger“. Es gehe darum, diese Interessen zusammenzudenken. „In Deutschland gelingt das bisher nicht, hier verteidigen nur alle ihre Besitzstände“, sagt Schulte.

Große Pflanzenfresser wie Rehe und Hirsche hätten eine wichtige Funktion im Wald, „sie leisten einen Beitrag zu seiner Gesundheit“. Ihr Kot zum Beispiel spiele eine Rolle bei der Humusbildung im Waldboden. „Allerdings ist alles eine Frage des Maßes.“ Zu viel Wild, wie derzeit, sei schädlich. „Es ist eigentlich eine Aufgabe der Politik, für einen Interessenausgleich zu sorgen“, sagt Schulte, „aber das gelingt im Bereich der Jagd leider nicht, denn sie sind oftmals selbst Partei.“

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13 Kommentare

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  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    „Es ist eigentlich eine Aufgabe der Politik, für einen Interessenausgleich zu sorgen“, sagt Schulte, „aber das gelingt im Bereich der Jagd leider nicht, denn sie sind oftmals selbst Partei.“

    Und dazu nicht mehr? Wer ist hier als "die Politik" gemeint?

  • „Klimaresiliente Wälder?“

    Nette Wortschöpfung, warum schreibt man nicht gleich „klimaresistente …“?



    Resilienz bedeutet nämlich „zu lateinisch resilire = zurückspringen; psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen“ laut Duden. „Fähigkeit eines Ökosystems, nach einer Störung zum Ausgangszustand zurückzukehren“, sagt de.wikipedia.org/wiki/Resilienz.

    Ich frage mich ernsthaft, an welchen Baumideen man da gerade bastelt“? „Gentechnisch mutiert“ sollen die vielleicht noch „hartgesottene Eigenschaften“ entwickeln“? Nadelbäume, Buchen, Linden, Ahorn, Weiden, Eschen usw. ?

    Keine Frage: träumen sei ja erlaubt, ich halte mich definitionsgemäß da eher an pflanzensache.de/wustenpflanzen/. Klimatechnisch wäre das i.d.Tat ein „Zurückspringen“, nimmt die Erderwärmung weiter zu, was zu erwarten ist.

    Ansonsten ist „resiliente Wälder“ für mich ein „Hohlbegriff“ (neue Wortschöpfung!) im Sinne von ‚sehr weit hergeholt‘ und ‚hohl‘ – wie Flasche.



    Kein Wunder, dass Jäger in den Klimastreik treten, oder?

  • In BBG 2022 wurden von Wölfen 24 Rinder gerissen. Ich denke Kälber sind da subsummiert.



    Dazu kommen laut lfu.brandenburg.de...nt/nutztierrisse/#



    254 Ziegen/Schafe.



    Ein Schaf sind 0,1 GV (Großvieheinheiten). Wir haben also einen Riss von 254*0.1 (Schafe)+24 (Ringer) = 49.4 GV.



    In BBG gibt es 488.154 GV. Der Riss durch den Wolf beträgt also 0.01% des Viehbestands in GV.

    Ein Wolf benötigt 3-4 kg Fleisch pro Tag. In BBG leben 2.000 Wölfe.



    365Tage*3.5kg/Tag*2000 = 2555000 kg/Jahr= 2555t/Jahr.

    Eine GV sind 500Kg. 49.4 GV (gerissene Nutztier) sind 24700 kg = 25t/Jahr

    Die Wölfe fressen also 25t Nutztiere und



    2555t andere Tiere pro Jahr. Also 100 Mal mehr Rehe/Hirsche als Nutztiere.

    Der Wolf ist daher eine sehr gute Methode um Rehe/Hirsche in Schach zu halten mit einem Kolatteral-Schaden von 0.01% des Nutzviehs.

    wolfbleibtwolf.de/...eptanzbestand/852/



    Ein Wolf frist pro Jahr 60 Rehe oder 16 Rothirsche. Das wären bei 2000 Wölfen also 2000*60=120000 Rehe oder 2000*16 = 32000 Rothirsche.

    Der Wolf würde die Jäger also durchaus entlasten.

    Nutztiere wie Rinder vertragen Temperaturen über 20 Grad nicht gut. Sie geben weniger Milch, brauchen mehr Wasser und sterben schnell an Überhitzung.

    Wenn wir in der BRD trotz des Klimawandels weiter Nutztierhaltung betreiben wollen müsssen wir also für eine Abkühlung sorgen. Intakte Wälder sind dafür ein wichtiger Bestandteil.

    Der Wolf hilft uns (extrem kostengünstig) Wälder aufzuforsten und damit Nutztierhaltung an sich zu ermöglichen.

    • @Volker Jaenisch:

      Schauen sie sich noch einmal die von ihnen zitierte Statistik an. Sie haben nur die Risse des ersten Quartals 2023 verwendet. 2000 Wölfe scheint mir auch etwas übertrieben. Selbst der Jagdverband, der zum dramatisieren neigt, geht von 700 bis 1000 Wölfen aus.

    • @Volker Jaenisch:

      Danke für das eindrucksvolle Vorrechnen!

      Ein gesundes Ökosystem braucht Raubtiere, die an der Spitze der Nahrungspyramide stehen. Das beeinflusst nicht nur die Anzahl sondern auch das Verhalten der Beutetiere (siehe Aussetzen von Wölfen in Yellowstone in den 90ern).

      Die Rechnung zeigt: der Nutzen überwiegt die Kosten bei weitem!

  • Remscheid ist 75 km2 und somit nicht 75, sondern 7500 Hektar groß.

  • Die fehlende Naturverjüngung macht sich in den Wildnisgebieten und Nationalparks natürlich am schmerzlichsten bemerkbar. Viele dieser Gebiete haben diesen Titel gar nicht verdient, weil die Wälder durch den hohen Wildverbiss extrem geschädigt sind. Die Entwicklung in den meisten Waldnationalparks (z.B. Harz, Berchtesgaden, Eifel...) ist seit Jahrzehnten ein Trauerspiel. Leider spielen gerade auch die großen Naturschutzverbände wie NABU, BUND, WWF usw. eine unrühmliche Rolle, weil sie in Naturreservaten - unter dem trügerischen Schlagwort des "Prozessschutzes" - eine Einstellung des Wildtiermanagements, d.h. der waldschützenden Jagd, fordern, d.h. geradezu den Bock zum Jäger machen wollen! wildnisindeutschla...ildtiermanagement/

  • Wichtige Thematik, vielen Dank für den Artikel.



    Aber Remscheid ist 75 Quadratkilometer groß und nicht Hektar

  • Fassen wir mal zusammen: Wenn der Wolf ein Problem wird, dann sollen die Leute doch gefälligst in Schutzzäune investieren. Und wenn Rehwild, Hirsche etc. zum Problem werden, dann sollen die gefälligst abgeknallt werden? Ja, das ergibt Sinn.

    Zum Streik der Jäger: Kann ich ehrlich gesagt verstehen. Ein Revier ist nicht nur "das Recht da rumzuballern", sondern beinhaltet auch Verantwortung und Pflege. Wenn jetzt der Verpächter sich und seinen Kumpels das Jagdrecht verleiht, dann heißt das im Grunde "Der Besitzer macht was er will und der Pächter darf aufräumen und für Ordnung sorgen".

  • „ In der Regel müssen Eigenjagdgebiete 75 Hektar zusammenhängende Forste umfassen – das ist etwa so groß wie eine kleine Großstadt wie Remscheid oder Bremerhaven.“

    Sorry, Remscheid ist 75 Quadratkilometer (nicht Hektar) und Bremerhaven sogar 100 km2 (heist 10.000 Hektar). Also zweimal um den Faktor 100 verrechnet. 75 Hektar sind 0,75 mal 1 Kilometer, also jetzt keine Riesenfläche. Bitte in dem Artikel korrigieren (und nächstes mal vielleicht einmal die Vergleiche querchecken).

  • Die hier erwähnten Zusammenhänge hat mir mal ein Revierförster in Brandeburg vor geschätzten 15-20 Jahren erläutert. Seitdem erlebte ich den Bau von Wildschutzzäunen (Bambi darf nicht ins Auto), von Wildrettern an unseren Mähwerken (Bambi darf nicht sterben bevor es Wildbret ist), Freiwilligen die vor der Mahd durch die Felder streifen und Bambi zur Ausreise bewegen. Wenn sie aber in den Wald gehen, wo es bekanntlich kein Mähwerke gibt, dann laben sie sich an der Naturverjüngung. Auch das mögen wir nicht.

    Um diesen Konflikten aus den Weg zu gehen wurde dann der Wolf als Retter erkoren. Die Spitze der Ernährungspyramide hat eigene Gesetze bekommen, die gingen durch die Parlamente. Wolf rette uns, du darfst dir die Bambis schmecken lassen. Dumm ist wenn er Kalbfleisch bevorzugt, weil einfacher zu finden. Also müssen bessere Zäune her. Es gibt jetzt also Wildschutzzäune, Wolfsschutzzäune und demnächst wird wahrscheinlich die Naturverjüngung noch eingezäunt, wenn der Wolf so faul ist wie es sich andeutet . Allerdings wenn die Wolfspopulation so zunimmt wie in den letzten Jahren, dann könnten ihm die Kälber und Kleinpferde ausgehen und er wäre gezwungen auch mal im Wald zu speisen. Notfalls können ja noch ein paar Tierbefreier Zootiere mit grossen Eckzähnen in unsere Fauna entlassen. Das Klima passt schon und wir brauchen ja sonst auch Fachkräfte aus anderen Kontinenten.

    Ich will demnächst mal versuchen einem Asiaten oder Afrikaner diese Zusammenhänge zu erklären und freue mich schon auf das gemeinsame Ablachen danach.



    Einfach ein schönes Beispiel wie unsere Demokratie Erkenntnisse nicht umsetzen kann.

    • @Heiner Petersen:

      köstlich :))

    • @Heiner Petersen:

      Bambi darf deswegen nicht ins Auto, um das Auto zu schützen.



      Und Bambi im Mähdrescher macht die Ernte unverkäuflich.



      In beiden Fällen geht es nur den ehrenamtlichen (tut mir leid das so zu sagen) Deppen um das Wohl der Rehe.