„Survival of the Thickest“ bei Netflix: Chaos, Peinlichkeit, Wahrhaftiges
Mavis ist wieder Single und erfindet sich neu. Das klingt wie eine von vielen romantischen Comedyserien, liefert aber viel mehr. Auch Body Positivity.
Body Positivity ist – als Bewegung, Motto und Social-Media-Hashtag – schon seit geraumer Zeit in aller Munde. Zwar sind die meisten Models auf den Laufstegen der großen Designhäuser noch immer erschreckend dürr, wie selbst Claudia Schiffer vergangenes Jahr in der Bunten zu bedenken gab. Und auch viele Influencer*innen bei Instagram und Co. sehen nach wie vor so aus, als würden sie fast so viel Zeit im Fitnessstudio wie am Handy verbringen.
Aber gleichzeitig gewann dann eben doch auch jüngst eine Curvy-Kandidatin bei „Germany’s Next Topmodel“, und Popstars wie Lizzo oder Sam Smith begeistern nicht wenige Fans gerade dadurch, dass sie vorleben, dass Showspektakel und Sexappeal nicht an ein Idealgewicht gebunden sind.
„Survival of the Thickest“, 8 Folgen bei Netflix
In eine ähnliche Kerbe haut nun auch die neue Comedyserie „Survival of the Thickest“. Der Titel spielt nicht nur auf die dicke Haut an, die man als Singlefrau im Großstadtalltag ohnehin zum Überleben braucht, sondern eben auch darauf, dass die Figur von Protagonistin Mavis das ist, was man gern mal als „Plus-Size“ beschreibt. Oder wie die Stylistin selbst über ihren Körper sagt: „Wie eine Hähnchenkeule: oben schön saftig, unten knubbelig, absolut köstlich!“
Gespielt wird Mavis von der Komikerin Michelle Buteau, die sich während des Studiums von einem Professor anhören musste, zu fett für die Arbeit vor der Kamera zu sein. Gemeinsam mit Danielle Sanchez-Witzel hat sie sich die Serie auch ausgedacht, als Vorlage diente ihre eigene, gleichnamige Essaysammlung.
Körperformen und Gewicht spielen in der Geschichte selbst letztlich allerdings eine eher untergeordnete Rolle. Gleich in der Auftaktepisode nämlich erwischt Mavis ihren langjährigen Lebensgefährten Jacque (Taylor Selé) mit einer anderen im Bett und zieht sofort Konsequenzen. Plötzlich ist sie nicht nur Single, sondern muss zu einer schrägen Mitbewohnerin nach Brooklyn ziehen und sich auch beruflich neu orientieren, denn wie bisher mit Fotograf Jacque zusammenzuarbeiten kommt natürlich nicht mehr infrage.
Das Navigieren dieser neuen Realität erweist sich in vielerlei Hinsicht als Herausforderung, aber immerhin hat Mavis dabei ihre besten Freund*innen Khalil (Tone Bell) und Marley (Tasha Smith) an ihrer Seite.
Schöne Fehler im Hochglanz-Look
Plötzlich wieder Single zu sein oder sich beruflich eine neue Existenz aufbauen zu müssen, sind wahrlich keine bahnbrechenden neuen Plots für romantisch angehauchte Comedyserien. Erst 2022 gab es das etwa bei Netflix in „Uncoupled“ als Variante mit schwulem Mann im Zentrum. Doch „Survival of the Thickest“ zeigt nun erfreulicherweise, dass sich immer noch schwungvoll-witzige Unterhaltung daraus gewinnen lässt. Wenn man denn die richtigen Zutaten hat.
Auch wenn die Serie im gleichen austauschbaren Knallbunt-Hochglanz-Look daherkommt wie fast alle Netflix-Produktionen, ist hier eben nicht unbedingt alles so, wie man es erwartet, bis hin zu Kleinigkeiten wie der Tatsache, dass der engste Vertraute der Protagonistin mit viel platonischer Selbstverständlichkeit ein heterosexueller Mann ist und nicht dem Klischee entsprechend ein homosexueller.
Wichtigster Bestandteil des Erfolgsrezepts von „Survival of the Thickest“ ist neben flotten Dialogen aber Michelle Buteau selbst. Die Verve und der volle Körpereinsatz, mit denen sie sich in ihre Rolle stürzt, sind absolut mitreißend. Was Mavis erlebt, egal ob bei zwanglosen One-Night-Stands, beim Dating oder mit anspruchsvollen Klient*innen im Job, sind zwar sorgsam konstruierte Comedy-szenarien. Aber dabei geht es so wunderbar chaotisch, öfter mal ungeschickt und manchmal auch peinlich zu, dass dem Ganzen doch eine ordentliche Portion Wahrhaftigkeit innewohnt.
Und die eigentliche Botschaft, die sich dabei dem Publikum vermittelt, hat am Ende eigentlich gar nicht so viel mit Body Positivity zu tun. Sondern vor allem damit, dass man selbst auch dann perfekt und absolut genug ist, wenn eigentlich gar nichts im Leben perfekt läuft.
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