Die Wahrheit: Du bist schuld an der AfD
Ein Umfragehoch für Rechtsextreme? Dafür kann angeblich niemand was. Aber mit den Fingern zeigen alle auf – ja, wen eigentlich im Wählervolk?
Zwanzig Prozent für die AfD – wer ist schuld daran, dass Faschismus das neue hippe Ding ist? Inzwischen ergibt sich ein klares Bild: Natürlich sind die Grünen schuld mit ihrem transsexuellen Heizhammer und den veganen Lastenrädern. Die Leute wählen die AfD aus blanker Notwehr, weil sie nicht alle schwul werden wollen. Oder noch schlimmer: Radfahrer.
Andererseits ist auch die Linke schuld. Weil sie sich nicht mehr um die Sorgen des ehrlich arbeitenden, deutschen Proleten kümmert, sondern nur noch um Ausländer und Frauen.
Die CDU ist schuld, weil sie praktisch alle Themen und sogar den Jargon der Rechten übernimmt. Aber wenn Friedrich Merz im Grunde eh dasselbe sagt wie Björn Höcke, warum sollten die Leute dann einen sauerländischen Hänfling wählen, wenn sie doch ebenso gut einen westfälischen Hänfling wählen können?
Die CDU ist aber auch Schuld, weil sie keine klare konservative Kante zeigt. Weil Merz unter den Achseln noch immer nach Merkel riecht.
Nicht unterschätzen darf man die Schuld der Medien. Schon Friedrich Merz stellte fest, dass jedes Mal wenn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegendert wird, ein paar Hundert Wähler zur AfD gehen. Außerdem werden deren Positionen von den Systemmedien systematisch unterdrückt, und auf systematische Unterdrückung reagiert der potenzielle AfD-Wähler empfindlich – zumindest, wenn sie nicht von ihm ausgeht und nicht Ausländer oder Radfahrer betrifft. Da wählt er eben die AfD, weil deren Positionen in den Talkshows nicht zur Sprache kommen. Aber auch, weil die Talkshows dauernd AfD-Vertreter einladen und ihnen so eine Bühne bieten.
Zu den Schuldigen gehören auch die Meteorologen, weil sie die Wetterkarte rot einfärben, kaum dass es im Sommer wärmer ist, und die Wissenschaftler, weil sie wie trotzige Kinder darauf beharren, dass Kühe weniger gut für den Fortbestand der Welt sind als Hafermilch.
Der Osten ist sowieso schuld. Findet der Westen. Nur weil die AfD im Osten so gute Wahlergebnisse einfährt, wählen die Leute sie im Westen jetzt auch schon. „Was die Ossis machen, das kommt nach ein paar Jahren immer auch zu uns rüber“, lautet ein geflügeltes Wort im Westen.
Selbstverständlich schuld sind zudem die Amerikaner mit ihrem verdammten Halloween und ihrem Angriffskrieg gegen Russland, die Flüchtlinge und natürlich die Juden.
„Du hast ja den Müll schon wieder nicht rausgebracht“, blafft meine Frau mich an, „kein Wunder, dass immer mehr Leute AfD wählen!“ Auch die Kinder haben es längst kapiert und drohen, sobald ich ihnen sage, sie sollen bitte nicht dauernd am Handy hängen: „Du bist schuld, wenn wir als Erstwähler AfD wählen!“
Praktisch jeder ist schuld am guten Abschneiden der AfD, und zwar aus praktisch jedem erdenklichen Grund. Die Einzigen, die garantiert unschuldig sind, – das sind die AfD-Wähler. Die können nichts dafür, da sind sich alle einig.
Die Wahrheit auf taz.de
Leser*innenkommentare
Sunnyday
Es hat im öffentlichen Diskurs nur keinen Zweck, den Afd-Wählen die Schuld zu geben, weil die sich keiner Schuld bewusst sind. Die freuen sich ja darüber, dass ihre Partei immer stärker wird und sie was dazu beitragen.
Rein subjektiv betrachtet
"Die sicherste Methode, um in Deutschland nicht als Nazi zu gelten, ist die, sich exakt wie ein Nazi zu benehmen. Man muss nur Nazis wählen, Naziparolen rufen und tun, was Nazis gemeinhin tun, und schon bekommt man es schriftlich, dass man auf gar keinen Fall ein Nazi sein kann", schrieb Wiglaf Droste schon vor 25 Jahren. Erschreckend, wie zutreffend dies auch heute noch ist...
QuerBeetLeser
@Rein subjektiv betrachtet Aha. Ich bin skeptisch, dass das so funktioniert.