Haushaltsentwurf des Berliner Senats: Kein Bruch mit der Sparpolitik
Einen sozialen Kahlschlag wird es erst einmal nicht geben. Doch um Berlin zukunftsfähig zu machen, bräuchte es deutlich größere Investitionen.
S ozialverbände und Bezirke dürften vor allem mit Erleichterung auf den am Dienstag vorgestellten Entwurf des Doppelhaushalts reagiert haben. Die zuvor befürchteten Kürzungsorgien wird es voraussichtlich nicht geben, sollte das Abgeordnetenhaus den Entwurf im Dezember so beschließen. Stattdessen gibt es sogar mehr Geld. So wird die Sozialsenatsverwaltung mit 500 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet. Soviel, dass die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi guter Dinge ist, im Sozialbereich dringend benötigte Lohnsteigerungen durchsetzen zu können.
Es scheint, als hätte die Empörung der Zivilgesellschaft und der Sozialverbände den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner und Finanzsenator Stefan Evers (beide CDU) noch einmal zu Besinnung gebracht.
Vielleicht hat die CDU auch einfach eingesehen, dass trotz aller Liebe zu neoliberaler Sparpolitik ihre zentralen Wahlversprechen eines „funktionierenden“ und „sauberen“ Berlins kaum zu halten sein dürften, wenn aufgrund von Kürzungen Bürgerämter schließen und die Parks nicht mehr gereinigt werden.
Grund zur Freude ist der Haushaltsentwurf dennoch nicht. Denn angesichts der Inflation stellen die Mehrausgaben nur eine Aufrechterhaltung des Status quo dar. Dabei drängt die Zeit für gewaltige Investitionen: Ob Klimakrise, Verkehrswende, Wohnungsnot oder Fachkräftemangel – jede dieser Aufgaben erfordert deutlich größere Summen, als ein ausgeglichener Haushalt hergeben könnte.
Opposition versagt
Konzepte für eine klimaneutrale und klimaresiliente Stadt liegen seit Jahren auf dem Tisch und werden immer in vielversprechenden Pilotprojekten erprobt. Die großflächige Umsetzung scheitert vor allem an mangelnder Finanzierung. Mit dem jetzigen Tempo wird Berlin sein selbstgestecktes Ziel der Klimaneutralität deutlich verfehlen.
Man nehme beispielsweise die Mammutaufgabe der energetischen Sanierung des Gebäudebestands: Hier müsste sich das Tempo vervierfachen. Dazu braucht es vor allem Geld, das aber sinnvoller nicht investiert sein könnte: Jedes sanierte Gebäude spart CO2, verringert die Abhängigkeit von Energieimporten und spart den Mieter:innen Nebenkosten. Umgekehrt wird jeder Euro, der heute eingespart wird, die Stadt in Zukunft ein vielfaches kosten.
Nun wäre es die Aufgabe der Opposition, eine wirklich zukunftsfähige Investitionspolitik einzufordern. Doch statt mangelnden Investitionswillen mahnt der grüne Fraktionsvorsitzende Werner Graf am Dienstag mehr Sparsamkeit an, aus Furcht, dass die Rücklagen, mit denen der Haushalt jetzt teils finanziert wird, in den nächsten Jahren nicht mehr bereitstünden: Der Doppelhaushalt danach könnte ein radikaler Sparhaushalt werden, fürchtet er.
Umverteilen und Vergesellschaften
Verwunderlich ist das nicht, schließlich verfolgten auch Evers Vorgänger Daniel Wesner (Grüne) und Matthias Kollatz (SPD) eine ähnliche Haushaltspolitik. Auch Rot-Grün-Rot wollte sich dem neoliberalen Sparzwang nie entziehen. Ein Grund dafür ist die in der Bundesverfassung verankerte Schuldenbremse, die ausgeglichene Haushalte für die Länder vorschreibt.
Die einfachste Lösung, auch in Zukunft Kürzungsorgien zu vermeiden und die dringend benötigten Investitionen in Berlin zu tätigen, wäre es, auf Bundesebene auf eine Aussetzung der Schuldenbremse zu drängen.
Klar ist aber auch, dass sich allein mit neuen Schulden nicht alle Probleme lösen lassen. Mittelfristig braucht es eine massive Umverteilung von oben nach unten, in Form von höheren Steuern und Vergesellschaftung kritischer Infrastrukturen. Doch das scheint keine der Parteien im Abgeordnetenhaus begriffen zu haben.
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