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Die WahrheitMein Leben als Ede

Wenn Deutschlehrer Thomas Manns Namensgebung lieben und die Namen von Lateinlehrern sich auf Kotze reimen, kann etwas nicht stimmen.

M an sieht es ihm vielleicht nicht direkt an, aber mein Vorname bietet allerlei Möglichkeiten zur Verhunzung. Meine Urgroßmutter, des Französischen nicht mächtig, nannte mich „Reh-ne“, mit kurzem E hinten. „Renne“, „Reni“ oder die wirklich schlimme Verkosenamisierung zum „Rehlein“ sind mir durchaus auch zu Ohren gekommen. Meine Großmutter schließlich nannte mich „Rhenus“, gleich dem lateinischen Namen des Flusses, der im ersten Teil meines Lebens immer in der Nähe lag.

Apropos Latein. Mein Lateinlehrer verhörte meinen Namen zu „Ede“, wie der Ede in Ede Wolf, die Comic-Figur von Walt Disney in „Die drei kleinen Schweinchen“. Ich dachte mir schon, dass das ein komischer Kauz sein muss, denn wer heißt heutzutage schon Ede? Ein paar Jahre später konjugierte ich den Nachnamen des Lehrers einmal als Übersetzung des Worts „kotzen“ durch: „gröschelo, ich kotze; gröschelas, du kotzt; gröschelat, er, sie, es kotzt …“ Auf einem Löschblatt. Das ich dann im Klassenarbeitsheft vergaß. Nun ja. Immerhin hatte ich richtig konjugiert.

Auch mein Nachname wurde natürlich schon tausendfach verhunzt. Ich war keine sechs, da hörte ich zum ersten Mal den Spruch mit dem Beilchen, warte, warte nur ein Weilchen, dabei schreibt sich der Serienmörder aus Hannover Haarmann und nicht wie ich.

Sehr schön fand ich später hingegen die Erklärung meines Deutschlehrers, warum Tonio Kröger in der gleichnamigen Erzählung von Thomas Mann Tonio Kröger heißt: Die Mischung aus gewöhnlichem Nachnamen mit exotischem Vornamen, das sei das Tolle und Besondere dieser Figur. Zwei Welten in einer Figur! Konnte ich auch prima auf mich selbst beziehen, diesen Satz! Gleichzeitig konnte ich mit Thomas Mann nie so richtig was anfangen, nämlich genau aus demselben Grund: Wer seine Figuren Konrad Knöterich oder Leila Gerngroß, Anton Klöterjahn oder Adrian Leverkühn nennt und das ernst meint, der macht seine Figuren und sich als Schriftsteller lächerlich und kann nicht länger ernst genommen werden.

Ich mein, da kann man sich auch gleich Bärbel Bügeleis nennen, wie das ein Freund von mir in unseren gemeinsamen Schülerzeitungsjahren getan hat! Wobei Bärbel Bügeleis schon fast wieder lustig ist. Da draußen laufen ja auch Leute herum, die sich Max Dax nennen.

Lieblingsbeispiel ist allerdings der in meiner Heimat relativ geläufige Nachname Daniels, wie in Danielsen, nur ohne Endung. Und Teile dieser Familie haben es sich tatsächlich nicht nehmen lassen, ihren Sohnemann Jack zu nennen. Hat das Standesamt durchgewunken. So wird der arme Junge für immer – und leider ungesponsert – als lebender Werbeträger herumlaufen.

Bald fahre ich mit Jack nach Euskirchen, das einen Stadtteil namens Billig sein eigen nennt. Wie wohl der dortige Wald heißt? Fast so wie der Wald in dem Wiener Ortsteil namens Albern. Da ziehen wir eines Tages hin.

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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