Film „Mein fabelhaftes Verbrechen“: Victim Blaming vom feinsten

„Mein fabelhaftes Verbrechen“ ist eine Hommage an Screwball-Komödien. Zweifelhafte MeToo-Verweise machen ihn anachronistisch.

Zwei junge Frauen sitzen nebeneinander, elegant gekleidet mit Hut

Die Freundinnen Pauline Mauléon (Rebecca Marder) und Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewicz) Foto: Weltkino

Die beiden Freundinnen Made­leine (Nadia Tereszkiewicz) und Pauline (Rebecca Marder) haben sich ihr Leben sicherlich anders ausgemalt. Ihr Apartment in einem unprätentiösen Vorort von Paris ist zu klein für ihre großen Ansprüche, die Miete zu hoch für ihre niedrigen Einkünfte. Während die Schauspielkarriere der schönen, aber talentlosen Madeleine stagniert, scheint Pauline zwar tatsächlich eine begabte Rechtsanwältin zu sein. Ihr Erfolg bleibt wiederum aufgrund ihres unscheinbaren Äußeren aus.

Als Lebenskünstlerinnen wissen sie sich jedoch mit der Mittellosigkeit zu arrangieren, indem sie ihren Charme spielen lassen oder mit geschickten Bluffs und rhetorischen Verwirrspielen ihre Gläubiger vertrösten. Mit der abenteuerlichen Geschichte voller rasanter Dialoge und raffiniertem Wortwitz, die François Ozon das ungleiche Duo in „Mein fabelhaftes Verbrechen“ durchleben lässt, verneigt sich der französische Filmemacher vor der Screwball-Tradition der goldenen Ära Hollywoods.

Dass Ozon („Peter von Kant“) die Handlung seiner Komödie in den 1930er Jahren ansiedelt, kann man als eine weitere Referenz an das Genre, das seine Hochphase in derselben Dekade erlebte, verstehen. Womöglich erschien es dem Regisseur und Drehbuchautor aber auch unverfänglicher, so manche irrwitzigen coups de théâtre der Handlung, die sich leicht als provokanter Kommentar zur #MeToo-Bewegung lesen lassen, im Kontext eines weit entfernten Gestern anzusiedeln.

Das Blatt für die beiden jungen Frauen im Zentrum wendet sich ausgerechnet nach dem Mord an einem weltberühmten Theaterproduzenten. Die Polizei verdächtigt die unschuldige Made­leine, die nur wenige Stunden vor dem Tatzeitpunkt in seiner Villa war, um für eine kleine Rolle vorzusprechen. Um diese zu bekommen, sollte sie sich allerdings zu sexuellen Gefälligkeiten bereit erklären. Als sie ablehnte, habe er versucht, über sie herzufallen, berichtet Made­leine ihrer Freundin, nachdem sie ihm im letzten Augenblick entkommen konnte.

„Mein fabelhaftes Verbrechen“. Regie: François Ozon. Mit Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder u. a. Frankreich 2023, 102 Min.

Ein trotteliger Ermittlungsrichter

Pauline rät ihr, den Behörden nichts von dem Grund für ihr abruptes Aufbrechen zu erzählen – wohl in dem Wissen, dass man ihr entweder keinen Glauben schenken würde oder ihr sogar ein Motiv für den Mord anhängen könnte. „Mein fabelhaftes Verbrechen“ spielt damit nicht nur auf den „Weinstein“-Skandal und ähnliche Fälle an, sondern greift auch die Widerstände auf, die Opfer davon abhalten, von Ausbeutung und Missbrauch zu berichten. Dann jedoch nimmt die Geschichte eine Wendung mit fragwürdigem Aussagegehalt.

Ein trotteliger Ermittlungsrichter (Fabrice Luchini), der es auf eine schnelle Aufklärung des Falls abgesehen hat, versucht ihr zunächst ein Verbrechen aus niederen Beweggründen (immerhin scheinen 300.000 Franc entwendet) oder aus Leidenschaft anzuhängen. Als er Pauline auf ihre Frage hin, welche Strafe denn zu erwarten sei, wenn die Tat zur Rettung der eigenen Ehre, des Lebens, ja aus Notwehr verübt wurde, mit „keine“ antwortet, platzt Madeleine mit einem fingierten Geständnis heraus.

Die Freundinnen beschließen, die folgende Gerichtsverhandlung zu ihrer Bühne zu machen, verfassen dafür sogar eigens ein Drehbuch, durch das Madeleine die Öffentlichkeit für sich gewinnen und zur feministischen Heldin aufgebauscht werden soll, die die Tat begangen habe, um nicht nur sich selbst, sondern die „Sache der Frauen“ gleich mit zu verteidigen. Die Wortgefechte sind in alter Screwball-Manier humoristisch überspitzt, schließen jedoch unverkennbar an moderne Debatten an.

Personifiziert durch einen verbissenen Staatsanwalt (Michel Fau), der Madeleine unterstellt, ihren Vermieter „in Naturalien“ bezahlt zu haben und eine „widernatürliche Beziehung“ zu Pauline zu unterhalten, werden zwar auch leidliche Diskreditierungsversuche, zu denen es im Zuge von Prozessen, die mit sexueller Gewalt zu tun haben, bekanntlich regelmäßig kommt, von Ozon persifliert.

Gängige Vorwürfe werden bedient

Was von „Mein fabelhaftes Verbrechen“ aber wesentlich umfänglicher beleuchtet wird und im Gedächtnis bleibt, ist, dass es Madeleine und Pauline gelingt, eine Tat zu ihren Gunsten als feministischen Akt umzudeuten und dafür von einer sensationsgierigen Öffentlichkeit mit Ruhm und Rampenlicht belohnt zu werden. Damit bedient der Film den gängigen Vorwurf, wie er oft im Kontext von Missbrauchsfällen und Gewalttaten von Männern vorgebracht wird: den, dass Frauen sich doch gern (fälschlich) zum Opfer stilisieren würden, um damit Aufmerksamkeit zu erlangen.

Für Madeleine und Pauline regnet es im Anschluss jedenfalls Aufträge, und bald können sie das bequeme Leben führen, von dem die beiden so lange geträumt haben. Selbst als sich die eigentliche Mörderin – gespielt von Isabelle Huppert – bei ihnen meldet, sind die Schwierigkeiten nur momentan. Und der Irrglaube daran, dass sich der (Ruf-)Mord an Männern augenscheinlich auszahlt – oder zumindest nicht bestraft wird, wenn man diese Tat nur angemessen zu verkaufen weiß – zieht bald sogar Nachahmungstaten nach sich.

Trotz einiger wohlplatzierter Pointen und gelungener Situationskomik zündet der Witz in „Mein fabelhaftes Verbrechen“ wegen der unter dem ironisch-verspielten Ton immer wieder hervorbrechenden, borniert wirkenden Bezugnahmen auf heutige Debatten am Ende nicht. Auch die ausgezeichnete Ausstattung und das galante Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen retten den Film nicht davor, als eine seltsam anachronistische Komödie in Erinnerung zu bleiben.

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