Israelisches Bauprojekt auf Golanhöhen: Widerstand gegen Windräder
Auf den von Israel und Syrien beanspruchten Golanhöhen regt sich Protest gegen einen Windpark. Nach Protesten ruhen die Bauarbeiten.
Die Golanhöhen – ein von Israel annektierter Teil Syriens – ist die Heimat der Drus*innen, einer religiösen Minderheit arabischen Ursprungs, die sich um die Golanregion herum aus dem sunnitischen Islam entwickelte. Die Pläne, hier einen Windpark zu errichten, verstoßen somit gegen internationales Recht.
Doch letztlich waren es die Proteste, die die israelische Regierung bewegten, den Bau der Windräder zunächst zu verschieben. Am Montag verlautbarte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die Bauarbeiten würden zunächst bis August ruhen.
Bereits vor fünf Jahren hatte die Planung von rund 50 Windturbinen in der Gegend begonnen. 2019 kam es zu Protesten, als die israelische Firma Energix Bodenprüfungen vornahm. Zuletzt wurden die Arbeiten wieder aufgenommen – mit dem Unterschied, dass der diesmal anrückende Bulldozer von rund hundert Polizist*innen bewacht und das Gebiet um den Bauplatz weitläufig abgesperrt wurde. Auch in großen israelischen Städten wie Haifa ging die drusische Bevölkerung auf die Straße.
Protest gegen „Israelisierung“
Die Golanhöhen wurden 1967 im Sechstagekrieg von Israel besetzt und später annektiert, was die USA unter Ex-Präsident Donald Trump vor vier Jahren anerkannten. Völkerrechtlich jedoch gehört das Gebiet weiterhin zu Syrien. 95 Prozent der Bewohner*innen wurden seit 1967 vertrieben; hunderte Dörfer wurden zerstört.
Inzwischen leben in fünf verbliebenen Dörfern noch rund 20.000 syrische Drus*innen. Der Rest der Golanhöhen wird – völkerrechtlich illegal – von Israelis besiedelt und vom Militär genutzt.
Madschdal Schams, das größte der verbliebenen Dörfer, ist seit dem Sechstagekrieg berühmt für seinen „schreienden Hügel“. Das Dorf ist geteilt und auf syrischer Seite fanden sich die Menschen auf dem Hügel ein, um mit ihren Verwandten auf der von Israel besetzten Seite zu kommunizieren.
Seit der Annexion der Golanhöhen durch Israel 1981 gilt die Bevölkerung im Golan als staatenlos. Obwohl die Zahl derjenigen, die sich heute noch als Syrer*innen identifizieren, schrumpft, wehren sich viele Menschen weiterhin gegen die fortschreitende „Israelisierung“ der Region.
Vorwurf des „Greenwashing“
Wie die meisten anderen Bewohner*innen besitzt Amal Safadi etwas Land, auf dem alle möglichen Obst- und Gemüsesorten wachsen. Die geplanten, 180 Meter hohen Windräder würden die Tiere verjagen und die Lebensqualität stark einschränken, befürchtet Safadi. In erster Linie aber wehren sich die Menschen gegen die Erweiterung der Präsenz und Einflussnahme Israels in dem Gebiet, die das Windkraftprojekt ihrer Meinung nach mit sich bringt.
Das Projekt verstößt gegen internationales Recht, weil besetzende Staaten das besetzte Gebiet und dessen Ressourcen nicht nutzen dürfen, wenn es nicht zum Wohl der dortigen Bewohner*innen ist. Nach einem Gerichtsprozess wurde das Windenergieprojekt verstaatlicht, wodurch nun hauptsächlich die israelische Bevölkerung profitieren würde. Die Turbinen sollen mindestens 50.000 israelische Haushalte zwanzig Jahre lang versorgen.
Die Menschenrechtsorganisation Al-Marsad, die ihren Sitz auf den Golanhöhen hat, bezeichnet die Pläne als „Greenwashing“ der israelischen Besatzung und kritisiert die Beanspruchung der Ressourcen durch Israel.
Verkauft wurde das Windenergieprojekt den Drus*innen als grünes Projekt. Inzwischen behauptet ein Großteil der Farmer*innen jedoch, die Pachtverträge mit Energix abgeschlossen haben, manipuliert worden zu sein. Sie wollen ihre Verträge aufkündigen.
„Warum müssen die Israelis gerade hier bauen? Weiter südlich gibt es genauso viel Wind und viel mehr Platz“, empört sich Amal Safadi. Sie meint, die Israelis wollten sie von den Golanhöhen vertreiben. Doch die Drus*innen hätten eine starke emotionale Bindung zu ihrem Land. „Hier ist unser Zuhause.“
Sollten die Bauarbeiten ab August weitergehen, dürfte es wieder zu Demonstrationen kommen. Die Menschen vor Ort haben sich bereits organisiert und sind bereit, bewaffnet mit Milch und Zwiebeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei