: Schlauer Oskar und verkehrte Ypsilanti
Kommt da Spannung auf? Sonntagabend bei Anne Will. Elefantenrunde nach den Landtagswahlen. Geladen sind die drei Vertreter der etabliertesten Parteien, die NPD würde sagen: der Altparteien. Nicht eingeladen: Linke und Grüne. FDP-Chef Guido Westerwelle ist dabei, die Sozialdemokraten vertritt Umweltminister Sigmar Gabriel, die CDU der ondulierte Herr Oettinger, Baden-Württembergs Ministerpräsident. Westerwelle spricht mit Apfel in der Backe. Klingt schnell beleidigt. Gabriel macht den kleinen Schröder. Oettinger, das pickende Vögelchen, schwäbisch korrekt beziehungsweise kleinkariert, je nach Auslegung.
Aber so richtig lustig wird es erst, als Anne Will diesen drei Siegertypen Oskar Lafontaine per Ferninterview zuschaltet. Zu Wills Begrüßung (etwa so: Guten Abend Herr Lafontaine; sie sind der Verlierer; zum Ministerpräsidenten an der Saar hat es nicht gereicht …) kann der Patriarch der Westlinken nur müde lächeln. So leicht der blasierte Guido sich durch Anne Will verunsichern lässt, so verunsichert wirkt sie nun vor Oskar. Denn Lafontaine hat einstecken gelernt, lässt die stereotypen Angriffe an sich abprallen und sich nicht aus dem Konzept bringen.
Das scheint einem von Arjen Robben vorgetragenen Konter zu gleichen: Auch der flinke Holländer in Diensten des FC Bayern kennt die Laufwege des Gegners und versteht es, bei dessen Fehlern meisterhaft abzuschließen. Von wegen „Verlierer an der Saar“, was für ein Eigentor von Anne Will und für ihre Studiorunde.
Und der schlaue Oskar lässt sich nicht zweimal bitten, um klarzumachen, warum das Spiel der Linken ihr auch im Westen zum Siegen gereicht. An diesem Abend klingt es überzeugend, auch wenn er so guidohaft Bescheuertes sagt wie „Leistung muss sich wieder lohnen“, dies aber gegen die gelb-schwarze Medienmeute kehrt. Dem Politiker Lafontaine traut man eben zu, eine gerechtere Sozial-, Steuer- und Wirtschaftspolitik durchzusetzen, idealerweise mit der realpolitischen SPD und den nachhaltigen Grünen. Die Mehrheit hat keine Angst vor solchen Visionen.
Offenbar aber sehr furchtsam die Grünen, speziell in Thüringen. Die Partei hat im Katrin-Göhring-Eckart-Land knapp den Einzug in den Landtag geschafft und will nun unbedingt Rot-Rot-Grün verhindern. Haben die noch alle Tassen im Schrank? Geben die Göhring-Eckarts nun die umgekehrte Ypsilanti? Wer, bitte schön, fürchtet sich vor Bodo Ramelow? Der kernige Bodo repräsentiert nur die Stärkste unter den Linken in Thüringen. Also akzeptieren, tolerieren, koalieren – vier Wochen vor der Bundestagswahl! ANDREAS FANIZADEH
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