Gardening in Berlin: Das Ende der Liegewiese
Am Monbijoupark ist ein wegweisendes Wildpflanzenbeet entstanden. Es zeigt, wie die Zukunft des Stadtparks aussehen könnte. Dafür gibt es eine Prämie.
Das sind keine Pflanzen, wie man sie aus Schmuckbeeten kennt, sondern solche, wie sie vor Beginn der Intensivlandwirtschaft an jedem Feldweg standen: Natternkopf und Wolfsmilch, Engelwurz und Eisenhut. Sie sehen weder saftig noch üppig aus und entsprechen damit eher weniger den Erwartungen vieler Parkbesucher*innen hier.
Und doch: Dafür, dass es seit Wochen nicht geregnet hat und hier nur selten gegossen wird, stehen die Pflanzen sehr gut da. Einige von ihnen duften auch. Und es sind massenhaft Insekten unterwegs auf der Jagd nach ihren Pollen. Und weil die Pflanzen so gut wachsen und die Insekten so zahlreich kommen, erhält das 2021 entstandene und 350 Quadratmeter große Beet am heutigen Montag eine Goldmedaille als herausragender Naturgarten.
Verliehen wird die von der Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“, die unter anderem von der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 angeschoben wurde. Im Bezirk ist man stolz. „Wir gehen neue Wege bei der Gestaltung öffentlichen Grüns“, sagt Mittes Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne).
Inspirierendes Modellprojekt
„Die Auszeichnung ist ein Ansporn für uns als Bezirk, künftig noch mehr auf heimische Pflanzen zu setzen“, sagt Almut Neumann, Stadträtin für Umwelt und Grünflächen des Bezirksamts (ebenfalls Grüne). Tatsächlich ist das Beet ein inspirierendes Modellprojekt für Berlins Grünflächenämter, engagierte Stadtbewohner*innen und Hobbygärtner*innen. Darüber hinaus erlaubt es einen Blick in die Zukunft unserer vom Klimawandel immer stärker bedrängten Parks.
Bettina de la Chevallerie, Leiterin der Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“, kann erklären, warum das so ist. Pflanzen profitieren nicht nur von Mulchschichten aus organischem, sondern auch aus mineralischem Material. Auch unter einer Schicht aus Sand und Schotter bleibt die Erde bei Hitze und Trockenheit kühler und feuchter, berichtet Chevallerie. Die britische Gärtnerin Beth Chatto war eine der ersten, die den Kiesgarten, wie er hierzulande zum Glück vielerorts verboten ist, neu dachte, sagt sie.
„Anders als Beth Chatto bepflanzen viele Naturgärtner*innen ihre Kiesbeete heute nicht mehr mit resistenten Pflanzen aus aller Welt, sondern mit heimischen Wildpflanzen“, sagt Chevallerie. „Denn ein Drittel der nestbauenden Bienenarten Deutschlands sind oligolektisch.“ Soll heißen: Es gibt Bienenarten, die ausschließlich auf Ochsenzunge oder Zaunrübe, Geißklee oder Glockenblume fliegen. Und da allein die Hälfte aller Wildbienen Bodenbrüter sind, finden sie in der Mulchschicht aus Schotter gleich ideale Nistplätze.
Aber was ist ein 350-Quadratmeter-Beet im Vergleich zu 6.500 Hektar Parks und grünen Plätzen in Berlin? Die Bezirke haben schon genug damit zu tun, Bäume an Straßen und in Parks zu wässern, oder, wenn gar nichts mehr zu machen ist, gegen resistente und schnell wachsende Klimabäume auszutauschen.
Liegewiesen im Rotationsverfahren
Die Zahlen sagen sehr viel: Bis 2024 wird der Volkspark Friedrichshain für insgesamt 1,5 Millionen Euro klimaresistent gemacht (taz berichtete). Die Umgestaltung der Hasenheide bis 2024 wird sogar 5 Millionen kosten. Hier sollen im Rotationsverfahren Liegewiesen abgesperrt werden, damit sie sich erholen können. Aber muss es überhaupt Liegewiesen geben? Sind Liegewiesen nicht nur eine hiesige Konvention, ohne die man in anderen Teilen der Welt sehr gut auskommt? Könnten nicht auch Kiesgärten mit Leihstationen für Gartenliegen der Erholung dienen?
Stadtnaturexperte Derk Ehlert jedenfalls freut sich. „Das Klima zu retten ist nicht nur Aufgabe des Staats. Das schaffen wir nur alle zusammen“, sagt er. Auf dem Kleinen Trümmerberg im Volkspark Friedrichshain ist seit Kurzem eine Fläche nur für Wildbienen und anderen Bestäuberinsekten voller Totholzstapel und Sandflächen reserviert.
Im Rahmen des Projekts „bestäuberfreundliche Stadt“ wurden im Alice-Salomon-Park, im Bürgerpark Pankow, im Park am Schäfersee und auf zahlreichen weiteren Grünflächen in der Stadt Blühstreifen eingerichtet, wo heimische Wildblumenmischungen ausgesät sind und seltener gemäht wird. Selbst Unter den Linden gibt es neuerdings ein Staudenbeet, das mit Sand gemulcht ist. „Jede noch so kleine Kampagne ist von Bedeutung“, sagt Ehlert.
Das Bezirksamt in Mitte hat 50.000 Euro für das Beet am Monbijouplatz ausgegeben. Die Fläche lag davor lange brach, Beikräuter wie die unkaputtbare Quecke hatten die Regie übernommen. Die Erde musste ausgetauscht werden. Nun aber, so Chevallerie, muss es nur noch selten gejätet und gegossen werden. Damit sind die relativ hohen Kosten beim Anlegen und Bepflanzen bald ausgeglichen.
Die Beete des benachbarten Monbijouparks, dem Lustgarten des 1959 gesprengten Schlosses, der 2006 bis 2008 unter der Regie der landeseigenen Grün Berlin GmbH neu gestaltet wurde, machen sehr viel mehr Arbeit. Hier stehen in den Zierbeeten vor allem Hortensien. Die sehen vielleicht wegen ihrer saftigen Blätter und großen Blüten repräsentativ aus, lassen aber schon nach einem einzigen heißen Tag die Köpfe hängen.
Die meisten Hortensiensorten sind geschlechtslos und damit für Bestäuber wie Bienen uninteressant. Die fliegen umso lieber auf das neue Wildstaudenbeet schräg gegenüber.
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