Neue Musik aus Berlin: Frappierend zeitlos

Ein Tape von Rosa Beton kursierte 1983 im Ost-Berliner Underground. Der als „Demo 83“ restaurierte Punk-Stoff aus der DDR kommt nun live nach Berlin.

Schwarz-weiße Aufnahme von links nach rechts: Die Band Rosa Beton auf der Bühne: Martina Dünkelmann steht am Keyboard und singt, Thomas Wagner spielt E-Gitarre, Alexander Lode sitz an einem Drumcomputer, hinter ihm steht ein Schlagzeug, und Thomas Trenkel spielt Bass.

Rosa Beton 2022: Martina Dünkelmann, Thomas Wagner, Alexander Lode und Thomas Trenkel Foto: Promo

Systemvergleich: 1980 veröffentlichte die unorthodoxe Punk-Band S.Y.P.H. in Westdeutschland auf LP den Song „Zurück zum Beton“, ein stimmiges Statement gegen hippieske Naturbesoffenheit. 1983 kursierte in Ost-Berlin, Hauptstadt der DDR, unter der Hand eine Kassette des unorthodoxen Punk-Duos Rosa Beton: Thomas Wagner (Gesang, Gitarre, Bass) und Ronald Mausolf (Drums, Gesang).

Die Dramaturgie des Tapes ließ an ein Album denken, das unter nominalsozialistischen Umständen nicht denkbar war und 2022 in der von dem Berliner Schriftsteller Henryk Gericke herausgegebenen Reihe „tapetopia“ erschienen ist.

Das Album kontrastiert auf der A-Seite das Originaltape mit einer in schnittigem Wave-und Synthesizer-Punk gehaltenen Neuinterpretation auf der B-Seite. In den Jahrzehnten dazwischen ist einiges passiert: Der in einem jazzaffinen Elternhaus aufgewachsene Wagner hat nach Rosa Beton das Noise-Rock Projekt Herr Blum initiiert, in dem er mit seinem expressiv malenden Vater Jürgen Wagner bis heute auftritt. Rosa Beton geben seit einigen Jahren in neuer Quartett-Besetzung Konzerte, die ihnen zu DDR-Zeiten verwehrt blieben.

Rosa Beton: „Demo 83“ (tapetopia 014); Live: 23. Juni, 20 Uhr (mit Fliehende Stürme), Urban Spree, Berlin, Revaler Str. 99

Thomas Wagners Texte, die in den Achtzigern von jugendlicher Bedrängnis und Untergangsstimmung zeugten, erweisen sich als frappierend zeitlos. Neue Songs entstehen. Wer weiß, vielleicht interpretieren Rosa Beton einmal Ulrich Plenzdorfs Anti-Betonlied, das es 1983 nicht in Hermann Zschoches wichtigen DEFA-Film „Insel der Schwäne“ geschafft hat: „Man kann ihn rosa färben, man kann ihn nicht verderben, wir werden drüber sterben, und werden ihn vererben.“

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Robert Mießner, geboren 1973 in Berlin. Studium der Neueren und Neuesten Geschichte, Philosophie und Bibliothekswissenschaft. Flaniert und notiert, hört zu und schreibt auf.

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