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Umbruch bei der SG Flensburg-HandewittNeustart mit zwei Gesichtern

Flensburg gewinnt das letzte Saisonspiel der Handballbundesliga der Männer. Über Rauswürfe und glanzlose Kommunikation täuscht das nicht hinweg.

Konnten den Kieler Überfliegern in dieser Saison nur zuschauen: Flensburgs Handballer (in blau-rot) Foto: Sascha Klahn/dpa

Hamburg taz | Am 15. April war die Flensburger Welt noch in Ordnung. Die SG Flensburg-Handewitt, Handball-Bundesligist der Männer, stand im Halbfinale des DHB-Pokals. Das Rückspiel im Viertelfinale der European League würde folgen, und am Ende einer Woche mit reizvollen Aufgaben wartete das Derby beim Rekordmeister THW Kiel.

Für spätere Vereinschroniken der Spielgemeinschaft könnten diese neun Tage im April das Attribut „schicksalhaft“ bekommen; im sportlichen Sinne. Das Team flog aus dem Pokal, aus der European League und verlor mit zehn Toren Differenz gegen die Rivalen aus Kiel. Diese Zeit löste letztlich eine Veränderung der SG auf allen Ebenen aus, die es beim dreimaligen deutschen Handballmeister in dieser Form noch nicht gegeben hatte.

Und schwerwiegender als die Wechsel auf verantwortlichen Positionen, die man als Vereinsführung immer begründen kann (und für die es auch Ursachen gab), war die Stillosigkeit im Umgang mit Vereins-Ikonen. Mag die SG-Führung um Beiratschef Boy Meesenburg und Geschäftsführer Holger Glandorf in der Sache recht gehabt haben, so war das Prozedere der Neuausrichtung derart ungeschickt, dass sich langjährige Fans abgewandt haben: „Das ist nicht mehr unsere SG.“

Aber der Reihe nach. Niederlagen gegen die Rhein-Neckar Löwen im Pokal, gegen BM Granollers in der European League und gegen Kiel in der Liga in nur einer Woche bedeuteten das Aus für Trainer Maik Machulla. Alle drei Titelchancen hatte seine müde, mental abwesende und führungsschwache Mannschaft weggeworfen.

Assistenztrainer Bult bekam keine richtige Chance

Das musste Konsequenzen haben, war doch schon die Spielzeit 2021/22 mäßig gewesen: Man hatte die Qualifikation für die Champions League, den höchsten europäischen Wettbewerb, verpasst. Machulla, zweimal Meister mit Flensburg, musste gehen – und zwar sofort. Das stieß vielen sauer auf. Sein Assistent Mark Bult übernahm. Von der Entlassung des Chefs hatte er am Telefon erfahren, beim Einkaufen.

Für die SG ging es zu diesem Zeitpunkt nur noch um wenig. Die abermalige Qualifikation für die European League war beinahe unmöglich zu verspielen, denn dafür reicht Tabellenplatz fünf aus. Hätte man also nicht lieber Machulla gesichtswahrend die letzten acht Spiele noch anleiten lassen können?

Bult ging in die Verantwortung, sollte sich beweisen – und wurde Tage später überrascht, als man Nicolej Krickau als neuen SG-Coach für die kommende Saison verkündete.

Bult war ehrlich, formulierte seine Enttäuschung öffentlich, denn der Deal mit Krickau war schon länger durchgesickert, und seine Chance, sich zu beweisen, nur theoretischer Natur. „Die SG muss aufpassen, ihre familiäre Identität zu bewahren“, mahnte das Flensburger Tageblatt.

Ähnlich tapsig verhielten sich die Verantwortlichen aber auch im dritten Fall. Am Donnerstag verkündeten sie, Ljubomir Vranjes als neuen sportlichen Leiter zu holen. Vranjes genießt in Flensburg den allerbesten Ruf, seit er mit der SG 2014 die Champions League gewann. Im Grunde hat seine Verpflichtung einen Tusch verdient.

Aber auch hier gab und gibt es eine Schattenseite: Denn die SG-Ikone Lars Christiansen, in Flensburg tätig als „Head of Sports Development“, muss nun gehen – zwei sportlich Verantwortliche in Hintergrund kann es schon aus finanziellen Gründen nicht geben. Dabei hätte Christiansen sehr gern weitergemacht.

Drei Nordklubs spielen europäisch

Der Meister kommt wieder einmal aus Kiel! Zum 23. Mal gewinnt der THW den Titel. Zwei Punkte mehr als die Magdeburger, die vor einem Jahr die Liga gewannen, reichen am Ende. Der Sieg in Göppingen am Sonntag war der Schlusspunkt der spannenden Saison. Auch beim THW steht ein Umbruch an: Die Leistungsträger Niklas Landin und Sander Sagosen verlassen den Verein.

Die SG Flensburg-Handewitt steht am Ende einer schwierigen Saison auf Platz vier, verpasst die Champions League damit zum zweiten Mal in Folge. Zum Abschluss gab es immerhin noch einen Sieg gegen die Rhein-Neckar Löwen.

Die „Recken“ aus Hannover-Burgdorf beenden die Saison auf Platz sechs - und dürfen nun in die Qualifikation für die European League. Wenige Spieltage vor Saisonende besiegten sie sogar die angeschlagenen Flensburger in der eigenen Halle. Am Sonntag besiegelten sie den Erfolg mit einem knappen Sieg in Stuttgart.

Die Handballer aus Hamburg verpassen durch Hannovers Erfolg Europa und stehen auf Platz sieben, mit nur zwei Punkten weniger als die Nord-Konkurrenz. Hamburg gewann Sonntag in Melsungen.

Das Kapitel SG sei für ihn beendet, sagte der frühere Weltklasse-Linksaußen Christiansen und verhehlte seine Verbitterung nicht. Vor allem die Tatsache, dass er zuerst in dänischen Medien lesen musste, dass es ohne ihn weitergeht, ehe Geschäftsführer Glandorf es ihm sagte, traf den Dänen schwer.

Auch, dass er in sportliche Entscheidungen zuletzt nicht eingebunden gewesen sei, kritisierte Christiansen. Dabei hatte er im Hintergrund an den Transfers der beiden neuen Spieler Simon Pytlick und Lukas Jörgensen aus dem dänischen Gudme mitgearbeitet und auch den Deal des neuen Coaches Krickau vorbereitet.

Kritiker hingegen sagen, Christiansen habe nicht ausreichend klar verdeutlicht, dass er mehr Verantwortung übernehmen wolle. Dem Sender Sky sagte Glandorf: „Es war ein offener Prozess, Lars hatte auch die Chance, sich zu präsentieren.“

Es gibt zwei Sichtweisen auf die SG: Einerseits findet ein sehr mutiger Umbau auf allen Ebenen statt. Kay Smits aus Magdeburg, Pytlick aus Gudme, Blaz Blagotinsek aus Göppingen sind große Transfers. Dazu ein neuer Trainer, ein neuer Sportchef: Die SG greift wieder an Richtung Champions League – das ist der Wettbewerb, den sie braucht, um ihren Acht-Millionen-Etat dauerhaft zu stemmen.

Doch wie sich die Führung mit Meesenburg und Glandorf von alten Helden verabschiedet hat, wirkt kühl und kalkuliert, dazu kommunikativ wenig überzeugend.

Die SG hat deutlich auf die Karte sportlicher Erfolg gesetzt. Es ist eine spannenden Frage, ob die Anhängerinnen und Anhänger in Flensburg und Umgebung bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Zum Abschluss der Saison gab es für die Fans immerhin noch einen kleinen Grund zum Jubeln: Ihr Team gewann am Sonntag gegen den Pokalsieger Rhein-Neckar Löwen – eine kleine Revanche für das Halbfinale im Pokal.

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