Streit über LNG-Terminals: Sackgasse Flüssiggas

Überkapazitäten, hohe Kosten, mehr Abhängigkeit von fossiler Energie – das LNG-Gesetz sendet ein fatales Signal. Es ginge auch anders.

Aktivistinnen im Wasser halten ein Plakat worauf steht "Wir Kapern LNG"

Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen demonstrieren auf Rügen gegen den geplanten Bau eines LNG-Terminals Foto: M. Golejewski/Adora Press

Vor knapp einem Jahr hat die Ampel-Regierung ein Gesetz verabschiedet, welches den Bau und die Zulassung von rund 12 Terminals zum Import von Flüssiggas – auch unter dem Kürzel LNG („Liquified Natural Gas“) bekannt – an den deutschen Küsten beschleunigen soll. Hintergrund war, dass die Gaslieferungen aus Russland gekappt wurden. Schon damals warnten Ex­per­t*in­nen vor Überkapazitäten, einer Verschwendung öffentlicher Gelder und der verstärkten Abhängigkeit von Gas. Trotzdem werden munter weiter Pläne für noch mehr fossile Infrastruktur geschmiedet: Im Hafen von Mukran auf Rügen soll nun ein weiterer LNG-Standort entstehen – in einer Geschwindigkeit, die als „Deutschland-Tempo“ gefeiert wird.

Aber ein „Deutschland-Tempo“, das den Umweltschutz und die Einbindung der Öffentlichkeit auf ein Minimum beschränkt und Klimaverpflichtungen vollkommen außer Acht lässt, ist kein Grund zum Feiern. Sinn der Verfahrensschritte – die nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz nun ausgespart werden sollen – ist, auch die Anliegen von An­woh­ne­r*in­nen und Umweltschutz frühzeitig zu berücksichtigen. Das ist, auch wenn es Zeit kostet, eine politische Errungenschaft und macht Entscheidungen rechtlich weniger angreifbar.

Die andauernden Proteste gegen die Errichtung des Terminals vor Rügen weisen deutlich auf die immensen Auswirkungen auf Umwelt, Menschen und Klima hin. Eine Aufnahme dieser Vorhaben in das LNG-Gesetz – wie es der derzeitige Entwurf vorsieht – würde es rechtlich erleichtern, Einwände und Proteste zu übergehen. Umwelt- und klimapolitisch wäre es also stattdessen dringend geboten, die Liste der Vorhaben im Einklang mit den Klimazielen zu kürzen und die Auslastung sowie die Laufzeit der Terminals zu deckeln.

Der letzte Winter ist Vergangenheit. Der deutsche Energiebedarf konnte gedeckt werden, nicht zuletzt durch Importe aus Nachbarländern. Zahlreiche Studien zeigen, dass über die geplanten Terminals wohl deutlich mehr Gas importiert werden kann, als wir in Deutschland auch in Zukunft brauchen. Auch Robert Habeck räumt ein, dass mit einer Überkapazität gerechnet wird. Aus seinem Ministerium heißt es – ohne dass dies mit Daten belegt wird –, man brauche das Gas, um die Nachbarländer zu versorgen.

Die Bundesregierung argumentiert, dass für Eventualitäten wie den Ausfall norwegischer Importe infolge eines Angriffs Vorsorge nötig sei. Mit solchen hypothetischen Schreckensszenarien ließe sich theoretisch jedes fossile Projekt ohne Beschränkung begründen. Und selbst wenn ein solch extrem unwahrscheinlicher Fall einträte, könnte dies laut des Gasspeicherverbands immer noch durch europäische Partner ausgeglichen werden. Nicht hypothetisch, sondern leider heute schon bittere Realität sind hingegen die katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise, die sich durch Projekte wie diese verschärfen.

Fossile Projekte dürfen nicht an den Verpflichtungen aus dem Klimaschutzgesetz vorbei geplant werden

Zum Glück gibt es Alternativen: Klimaschutz und Versorgungssicherheit widersprechen sich nicht per se. Der Ausbau erneuerbarer Energien oder der effizientere Gebrauch von Energie dienen beiden Anliegen. Auch das LNG-Gesetz könnte beides in Einklang miteinander bringen. Für die Terminals könnte etwa gesetzlich festgeschrieben werden, dass sie in ihrer Laufzeit und Auslastung so beschränkt werden, wie es zur Einhaltung der Klimaziele notwendig ist.

Im absoluten Notfall ließe sich eine derartige Beschränkung modifizieren oder aufheben. Zusätzlich muss klarer gesetzlich geregelt werden, dass die zuständigen Behörden solche Vorhaben nur dann zulassen dürfen, wenn ihre Vereinbarkeit mit dem Klimaschutzgesetz geprüft wurde.

Fossile Projekte dürfen jedenfalls nicht weiterhin an den Verpflichtungen aus dem Klimaschutzgesetz vorbeigeplant werden – und schon gar nicht im „Deutschland-Tempo“. Das Grundgesetz verlangt von der Politik einen klaren Weg zur Klimaneutralität. Das sollte sie auf der Basis eines modernen Verständnisses von Sicherheit tun, welches auch die Klimakatastrophe als Risikofaktor für die Menschheit angemessen berücksichtigt.

Keine Brücke für die Zukunft

Beschleunigung ist kein Selbstzweck. Mit der Infrastruktur, die jetzt geschaffen wird, bindet sich die Politik für die Zukunft. Ist sie fossil, ebnet das entweder den Weg zur verschärften Klimakrise, oder es wird bald klar werden, dass öffentliche Gelder für Projekte verschwendet wurden, die niemandem nutzen. Mit dem Gasverbrauch, den das Klimaministerium für die Terminals zugrunde legt, reißt Deutschland seine Klimaziele. Außerdem bestehen Zweifel, ob die LNG-Infrastruktur überhaupt jemals auf klimafreundliche Weise genutzt werden kann.

Die fossilen Flüssiggas-Terminals sind also keine Brücke in eine klimafreundliche Zukunft, sondern größtenteils eine Sackgasse. Sich daraus wieder herauszumanövrieren könnte teuer werden: Es ist absehbar, dass die Bundesregierung angesichts der Klimakrise aus der Nutzung von Gas aussteigen muss – und die Gasindustrie dann unter Berufung auf das LNG-Gesetz und den Vertrauensschutz die Hand aufhalten wird.

Besonders fatal ist das internationale Signal, welches Deutschland mit dem immensen Umfang an Gasimportkapazitäten sendet: Schon jetzt werden im Ausland, um die Terminals zu beliefern, Projekte wie Fracking und die damit verbundene Exportinfrastruktur ausgeweitet. Dabei dürfte nach dem Pariser Übereinkommen keine neue Gasinfrastruktur mehr gebaut werden.

Statt sehenden Auges weiter in Richtung Klimakrise zu rasen, sollte die Bundesregierung – wie es ja auch das Bundesverfassungsgericht gefordert hat – bei der Gestaltung des Übergangs zur Klimaneutralität gerade im Energiesektor endlich Fahrt aufnehmen und alles daransetzen, die Nutzung von fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas im Einklang mit den Klimaschutzverpflichtungen schnell zu beenden.

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Francesca Mascha Klein arbeitet als Juristin im Berliner Büro der internationalen Umweltrechtsorganisation ClientEarth. Sie gehört zu den Autorinnen eines aktuellen Gutachtens zu den verfassungsrechtlichen Zweifeln am LNG-Beschleunigungsgesetz.

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