piwik no script img

Global Slavery IndexKlima und Kriege fördern Sklaverei

Immer mehr Menschen werden durch Zwangsarbeit ausgebeutet, berichtet die Organisation Walk Free. Die G20-Staaten seien gleich mehrfach verantwortlich.

Ein flüchtendes Kind aus Eritrea: In dem ostafrikanischen Staat ist moderne Sklaverei weit verbreitet Foto: Santi Palacios/AP/dpa

Klimawandel, Naturkatastrophen und Kriege zählen zu den Hauptgründen, aus denen Menschen aus ihrer Heimat flüchten. Diese Geflüchteten sind besonders gefährdet, in moderne Sklaverei zu geraten, wie aus einem Bericht der australischen Menschenrechtsorganisation Walk Free hervorgeht. 2021 waren demnach weltweit 50 Millionen Menschen in extremen Ausbeutungsverhältnissen gefangen. Das sind 10 Millionen mehr als noch 2016.

Walk Free definiert moderne Sklaverei als „systematischen Entzug der Freiheit eines Menschen“. Dazu gehören unter anderem Menschen- und Kinderhandel sowie erzwungene Arbeit und sexuelle Ausbeutung.

Am verbreitetsten ist die Praxis demzufolge in Nordkorea, Eritrea, Mauretanien, Saudi-Arabien, in der Türkei, in Tadschikistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Russland, Afghanistan und Kuwait.

Doch auch in den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern der G20-Gruppe werden viele Menschen unter unwürdigen Bedingungen ausgebeutet. Im bevölkerungsreichsten Land Indien sind es laut dem Bericht 11 Millionen. Dazu kommen 5 Millionen in China, 1,8 Millionen in Russland, 1,3 Millionen in der Türkei und 1,1 Millionen in den Vereinigten Staaten.

Während die G20-Staaten damit einerseits direkt für Sklaverei verantwortlich sind, profitieren sie auch indirekt davon. So importieren die Länder laut dem Bericht jedes Jahr „Risikoprodukte“, in denen wohl Sklavenarbeit steckt, im Wert von 468 Milliarden US-Dollar (umgerechnet etwa 434 Milliarden Euro).

Auf Deutschland entfielen davon Waren im Wert von gut 40 Milliarden Euro. Die Menschenrechtler schätzen, dass die G20-Staaten indirekt für die Hälfte aller Fälle von moderner Sklaverei verantwortlich sind.

In den Produkten steckt unfreie Arbeit

Dabei geht es vor allem um Elektronikartikel und Bekleidung, aber auch Palmöl: In diesen Produkten materialisiert sich unfreie Arbeit laut Walk Free am meisten. Für Walk-Free-Chefin Grace Forrest ist die Ausbeutung ein Ausdruck extremer weltweiter Ungleichheit. „Die moderne Sklaverei durchdringt jeden Aspekt unserer Gesellschaft“, schreibt sie im Vorwort. „Sie ist in unsere Kleidung eingewoben, bringt unsere Elektronik zum Leuchten und würzt unser Essen.“

Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Coronapandemie und eine weltweite Einschränkung von Frauenrechten haben die Situation in den letzten Jahren verschlimmert, schreiben die AutorInnen. So befänden sich unter den Ausgebeuteten auch 22 Millionen Menschen, die zwangsweise verheiratet wurden – vor allem Frauen und Kinder. Walk Free bezeichnet diese Schätzung als konservativ.

Der Organisation zufolge hat Australien in den vergangenen fünf Jahren mit dem Modern Slavery Act das beste Gesetz verabschiedet. Es verpflichtet Unternehmen, über die Risiken moderner Sklaverei in ihren Lieferketten sowie Gegenmaßnahmen aufzuklären.

Walk Free fordert Staaten auf, mehr solcher Gesetze zu erlassen. Auch in der humanitären Hilfe und beim Aufbau einer grünen Wirtschaft sollte der Aspekt stärker bedacht werden. Für den grünen Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin unterstreicht der Bericht auch den Handlungsbedarf in Deutschland: „Deshalb brauchen wir ein #Lieferkettengesetz, um Unternehmen & Regierungen in die Verantwortung zu nehmen“, schrieb Trittin auf Twitter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Was fehlt sind die Namen derjenigen, die von der Sklavenarbeit profitieren.



    Es sind keine Staaten und keine Firmen. Es sind immer Einzelpersonen.



    Einfach nur Staaten zu benennen ist zu wenig.