Landesparteitag der Berliner SPD: Bedröppelt gucken reicht nicht

Beim Parteitag der SPD am Freitag erwartet Franziska Giffey und Raed Saleh heftiger Gegenwind. Personelle Veränderungen stehen aber nicht zur Debatte.

Giffey und Saleh

Eine Palastrevolte müssen Franziska Giffey und Raed Saleh nicht fürchten, Gegenwind schon Foto: Carsten Koall

Ist das schon ein Friedensangebot? Er gehe nicht von einem „Gemetzel“ aus, verriet am Dienstag der SPD-Abgeordnete Orkan Özdemir. Zwar müsse es in der Berliner SPD eine „Neuaufstellung“ geben. „Aber das muss auch vorbereitet werden“, sagte Özdemir, der als einer von nur noch vier Abgeordneten der SPD ein Direktmandat geholt hatte, der dpa. „Da werden unterschiedliche Gruppen und Akteure miteinander reden.“

Müssen sich Franziska Giffey und Raed Saleh, die beiden Landesvorsitzenden der Berliner SPD, am Freitag nun warm anziehen? Oder reicht es, ein bedröppeltes Gesicht zu machen und etwas Demut zu zeigen?

Özdemirs Aussage, der Neuanfang brauche Vorbereitung, ist kein Hinweis auf eine Palastrevolte. Wenn sich die SPD am Freitagnachmittag zum kleinen Landesparteitag trifft, sind personelle Entscheidungen nicht vorgesehen. Der Landesvorstand – und mit ihm Giffey und Saleh – steht erst im kommenden Jahr zur Wahl.

Ganz ruhig wird die Zusammenkunft wohl dennoch nicht verlaufen. Dafür werden die Jusos sorgen, die bereits beim Mitgliederentscheid die Kampagne gegen die Koalition mit der CDU organisiert hatten. „Es reicht nicht, zu sagen, es gab den Mitgliederentscheid, und nun wollen wir durch gutes Regierungshandeln überzeugen“, sagt Juso-Chefin Sinem Taşan-Funke der taz. „Wir müssen auch überlegen, was das Ergebnis des Entscheids für die weitere Arbeit in der Partei bedeutet.“

Neue Trennung Amt und Mandat

Selbst haben die Jusos dem mit einem Initiativantrag Rechnung getragen. Neben der Forderung nach einer Aufarbeitung des desaströsen Wahlergebnisses wollen die Jusos auch eine neue Trennung von Amt und Mandat einführen. „Funktionsträger*innen im geschäftsführenden Landesvorstand der SPD Berlin sollen künftig nicht identisch sein mit denen, die als Staatssekretär*innen-, Se­na­to­r*in­nen oder als Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­re­r*in­nen oder -vorsitzende die Regierung maßgeblich tragen“, heißt es im Antrag, der der taz vorliegt. „Damit soll die unabhängige Erneuerung und Fortentwicklung der Partei gewährleistet werden.“

Parteitag Ursprünglich sollte der Parteitag erst Ende Juni stattfinden, vier Monate nach der Wiederholungswahl am 12. Februar. Weil das aber zu dreist gewesen wäre, kommen die Delegierten der Berliner SPD nun schon am Freitag in Friedrichshain zusammen.

Debatten Weil die Entscheidung über den Eintritt in eine Koalition mit der CDU von einem Mitgliederentscheid und formal dann vom Landesvorstand beschlossen wurde, ist der Parteitag vor allem ein Debattenparteitag. Im Vordergrund steht die Analyse des desaströsen Wahlergebnisses. Eine Entscheidung über die Doppelspitze von Franziska Giffey und Raed Saleh werden die Delegierten erst im kommenden Jahr fällen. (wera)

Dieser Passus, der unter der Überschrift „Neue Köpfe braucht die Partei“ firmiert, ist eine klares Misstrauensvotum an den bisherigen Landesvorstand. In dem würden, wenn der Vorschlag schon heute gültig wäre, weder die beiden Parteivorsitzenden sitzen, denn als Senatorin und Fraktionschef wären Franziska Giffey und Raed Saleh raus. Aber auch Cansel Kiziltepe (Sozialenatorin) und Ina Czyborra (Gesundheitssenatorin) wären nicht dabei.

Gegenüber der taz räumt Taşan-Funke ein, dass man dem Antrag auch kritisch gegenüberstehen könnte. Ein Argument aber wehrt sie ab. „Das ist kein Abwahlantrag gegen den aktuellen Landesvorstand“, betont sie. „Es geht uns um den künftigen Landesvorstand.“

Noch steht der Initiativantrag der Jusos nicht auf der Tagesordnung. Dafür muss er erst die dafür notwendige Unterstützung in der Partei bekommen. Mit einem anderen Antrag aber hatten die jungen Genossinnen und Genossen schon einen Teilerfolg erreicht. Ihr Antrag „Ja zum Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. Enteignen!“ wurde nicht von der Tagesordnung genommen, sondern auf die Konsensliste gesetzt. Allerdings ist dem neuen Antrag, den die Antragskommission nun zur Annahme empfiehlt, auch der Zahn gezogen. Von einer „sofortigen Erarbeitung eines Vergesellschaftungsgesetzes und der unmittelbaren Umsetzung desselben“ ist keine Rede mehr. Stattdessen heißt es nun in typischem Parteideutsch: „Die sozialdemokratischen Mitglieder des AGH und des Senats werden aufgefordert, einem positiven Votum der Ex­per­t*in­nen­kom­mis­si­on folgend, parallel zur Erarbeitung eines Rahmengesetzes, sich für die Erarbeitung eines spezifischen Gesetzes für den Wohnungssektor einzusetzen, um schnellstmöglich eine rechtssichere Umsetzung zu ermöglichen.“

Soll heißen: Ein Vergesellschaftungsgesetz kann zwar erarbeitet werden. Ob es aber zur Umsetzung kommt, hängt vom Rahmengesetz ab, auf das sich CDU und SPD in den Koalitionsvereinbarungen verständigt haben. Der Turbo, den die Jusos zünden wollten, wurde sofort wieder ausgebremst.

Von einem „Gemetzel“, da hat Orkan Özdemir recht, wird der Parteitag am Freitag weit entfernt sein.

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