Hamburg bekommt Lobbyregister: Wer Einfluss will, muss sich outen
Wer organisierte Interessen gegenüber den Hamburger Senat oder der Bürgerschaft vertritt, soll sich eintragen müssen. Rot-Grün plant ein Gesetz dazu.
Mit dem Antrag reagiert die Koalition auf eine Initiative des Landesverbandes Mehr Demokratie und der Organisation Transparency International, die Ende vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt haben. Im Raum stand, dass daraus ein Volksentscheid hätte werden können. Nach Verhandlungen mit Mehr Demokratie und Transparency ist das nun abgewendet.
Bernd Kroll von Mehr Demokratie ist sich sicher, dass eine Volksinitiative Erfolg gehabt hätte, allein schon wegen der in Hamburg nicht zur Ruhe kommenden Cum-Ex-Affäre. Dabei geht es um Vorsprachen von Vertretern der Warburg-Bank bei Bürgermeister Olaf Scholz mit dem Ziel, Steuerzahlungen zu vermeiden. Ohne die öffentlich gewordenen Tagebucheinträge des Bankiers Christian Olearius wären sie wohl nicht ans Licht gekommen.
„Durch eine Volksinitiative hätten alle Parteien Schaden genommen“, sagt Kroll. Es wäre dem Bürger ja schwer zu vermitteln gewesen, warum sich die Politik gegen ein solches Register sperren sollte. Stattdessen haben die Regierungsfraktionen das Anliegen nun aufgegriffen. Das ist auch nur konsequent: Schließlich haben sie sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf festgelegt, die Einführung eines Lobbyregisters auf Bundesebene zu unterstützen.
Der Norden steht schlecht da
Im 2022er Lobby-Ranking von Transparency International stehen die norddeutschen Bundesländer nicht gut da. Die Beurteilung richtet sich nicht nur danach, ob es ein Lobbyregister gibt, sondern auch danach, ob Verhaltensregeln für Politiker und Beamte vorgesehen sind sowie Karenzzeiten bis zum Wechsel in die Wirtschaft. Dazu kommt der sogenannte legislative Fußabdruck, das heißt, ob das Zustandekommen eines Gesetzes dokumentiert wird.
Im Norden schneidet Mecklenburg-Vorpommern am besten ab, das 34 Prozent der möglichen Punktzahl erreicht, dicht gefolgt von Schleswig-Holstein. Niedersachsen und Hamburg sind nur halb so gut, Bremen ist weit abgeschlagen. Der Bund erreicht 62 Prozent der Punkte. Ansätze eines Lobbyregisters gibt es unter den Nord-Ländern nur in Mecklenburg-Vorpommern, Ansätze eines legislativen Fußabdrucks zudem noch in Schleswig-Holstein.
Kroll ist „sehr zufrieden“ mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen, greift er doch zentrale Vorschläge aus dem Gesetzentwurf der Initiative auf. Der Antrag sieht eine öffentlich einsehbare Datenbank vor, in die sich Akteure verpflichtend eintragen müssen. Wer sich nicht daran hält, wird sanktioniert. Die Datenbank soll maschinenlesbar sein, der Zugriff darauf unentgeltlich.
Das Gesetz soll auch „die mittelbare Staatsverwaltung und niedrigere Hierarchiestufen berücksichtigen“. Kroll findet das besonders wichtig, denn das betreffe die Bezirksämter, also die Ebene, auf der etwa die meisten Bebauungspläne beschlossen und sehr konkrete Interessen verhandelt werden. Erfahren zu können, wer welche Unterlagen, Gutachten oder Stellungnahmen verfasst hat – sprich: der administrative Fußabdruck – macht das politische Handeln erst transparent.
Unbürokratisch und anwendungsfreundlich
Als die Initiative mit ihrem Vorschlag im Dezember an die Öffentlichkeit trat, hatten Vertreter von SPD und Grünen die Befürchtung geäußert, dass die Berichtspflichten zu umfangreich ausgestaltet würden. Eva Botzenhart von den Grünen sprach von einem „bürokratischen Ei“, das sich die Bürgerschaft womöglich ins Nest legen werde.
In einer aktuellen Stellungnahme stellt sie das Lobbyregistergesetz wie auch ihr Kollege Urs Tabbert von der SPD in eine Reihe mit dem 2012 beschlossenen Transparenzportal, das die Dokumente der Verwaltung zugänglich macht. „Hamburg ist schon jetzt Vorreiterin im Bereich Transparenz und Informationsfreiheit“, sagt Botzenhart. „Doch darauf ruhen wir uns nicht aus.“
Der Austausch mit Verbänden sei eine wichtige Grundlage politischer Entscheidungen, findet Botzenhart. „Ihr Fachwissen kann Gesetzesvorhaben inhaltlich voranbringen.“ Zu zeigen, wer an Gesetzgebungsprozessen beteiligt war, erhöhte die Akzeptanz politischer Entscheidungen. Jetzt sei es wichtig, ein unbürokratisches und anwendungsfreundliches Gesetz zu machen, ergänzt ihr SPD-Kollege Tabbert. Bernd Kroll geht davon aus, dass der Gesetzentwurf der Initiative Pate stehen wird.
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