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Preiskampf im Möbelhaus5.100 Euro Rabatt fürs Sofa

Wenn man endlich angekommen ist, kommen neue Schwierigkeiten: Möbel müssen her. Aber welche? Man könnte fragen. Aber welche Fragen sind die richtigen?

Vielleicht hat ja dort jemand seine Euros gehortet? Foto: Alen Gurovic/ZUMA Press/NurPhoto/picture alliance

V or Kurzem bin ich in eine neue Wohnung gezogen. Es ist nicht mein erster Umzug. Aber dieser war mehr als vier Kartons von einem Ort zum anderen zu schleppen. Mein bisheriges Wohnen glich eher einem aus dem Koffer heraus leben. Dieses Mal will ich bleiben.

Jetzt sitze ich in meiner neuen Küche, blicke in einen schönen grünen Hof und denke mir als jemand, der bisher in einem Durcheinander aus Ebay-Kleinanzeigen-Möbeln gelebt und bei jeder Gelegenheit über seine ach so vergebliche postmigrantische und postproletarische Suche nach einem endgültigen Zuhause philosophiert hat: Scheiße, ist das stressig, eine Wohnung einzurichten!

Letztes Wochenende zum Beispiel laufe ich in einen Möbelladen, sehe ein schönes Sofa, setze mich drauf, um es zu testen. Auf einmal kommt ein Mann um die Ecke und fragt mich, ob ich einen Kaffee oder eine Cola trinken möchte. Hä, ist das gar kein Möbelgeschäft, sondern ein Café?, denke ich, und bitte um ein Wasser. Aber es werden hier tatsächlich Möbel verkauft und das Preisschild des Sofas verrät mir, dass die Drinks nicht umsonst sind.

Ein sehr gut gelaunter Mann in meinem Alter, zerzauste Haare, Laufschuhe, Typ netter Erdkundelehrer, tritt in den Laden. Er zieht die Schuhe aus und macht sich auf dem Sofa breit, auf dem gerade eben noch ich saß. Dann beginnt ein Beratungsgespräch zwischen ihm und dem Verkäufer, das ich mit Befremden und Faszination zugleich beobachte und das mit jedem Satz ein bisschen vertrauter wird. Irgendwann wirken die beiden wie zwei alte Freunde, die sich nach langer Zeit zufällig wiedergetroffen haben. Über das dänische Ecksofa „Douglas“ mit Ré­ca­mi­e­re in der Farbe „Agnes Brown“, Preis 1.699 Euro, unterhalten sie sich so liebevoll und heiter wie über einen gemeinsamen Freund, mit dem sie früher ganz viel Spaß hatten. Aber ja, wenn man schon so viel Geld für eine Sitzgelegenheit ausgibt, sollte man sich auch nicht genieren, ein paar Fragen zu stellen. Die Frage ist: Welche Fragen sind die richtigen?

Sofa-Set in Taubenblaugrau

In einem anderen Möbelladen, der im Industriegebiet liegt und etwas bodenständiger daherkommt, fühle ich mich zunächst sicher. Dann spricht mich eine Verkäuferin von der Seite an, die von meiner Antwort, dass ich mich nur umsehen möchte, darauf schließt, dass ein ganz besonders tolles Modell im ersten Stock bestimmt genau das ist, was ich suche.

Ich folge ihr eingeschüchtert und stehe dann vor einem altbackenen Sofa-Set in Taubenblaugrau mit elektrischer Verstellfunktion: Von 8.000 Euro auf 2.900 Euro reduziert! Ein Schnäppchen! Ich lehne dankend ab, fühle mich danach in dem Laden jedoch beobachtet. Als die Verkäuferin kurz von einem mittelalten Ehepaar mit zahlungskräftigerer Ausstrahlung abgelenkt ist, nutze ich die Gelegenheit und fliehe.

Am nächsten S-Bahnhof setze ich mich auf eine Edelstahlbank. Ich atme durch, versuche mich zu beruhigen und denke: Gar nicht so übel, das Sitzerlebnis.

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Volkan Agar
Redakteur taz2
Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.
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3 Kommentare

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  • Wenn es darum geht, Möbel zu holen, dann bitte so, dass es der Nachhaltigkeit gerecht wird: Gebraucht oder vom Sperrmüll.

    Neukauf schadet der Umwelt. Wer derselben Meinung ist, der holt sich die Sachen gebraucht oder von der Straße.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Ziemlich naiv ihre Ansicht. Um etwas Gebrauchtes zu bekommen, muss jemand etwas Neues gekauft haben,



      Oder irgendwer ist gestorben, aber das ist makaber.

      • @Stoffel:

        Nö. Meine Ansicht ist brillant.

        Der Gen Z muss einen Gegenstand X nicht neu kaufen, wenn man Gegenstand X gebraucht erhält. Neukauf gespart. Statt 100.000 Einheiten pro Jahr (Annahme), nur 10.000.

        Weniger Produktion, mehr Nachhaltigkeit.