die dritte meinung: Die Zahlen zur Entwicklungszusammenarbeit sind nicht transparent, sagt Stephan Klingebiel
Das Bundesfinanzministerium ist nicht dafür bekannt, dass es sich über Entwicklungspolitik profiliert. Jüngst postete es jedoch auf Twitter: „Deutschland übernimmt international Verantwortung. 0,83 % seines #BIP hat [es] in 2022 für ODA-Leistungen verwendet und ist damit größter Geber der #G7.“ Das Kürzel „ODA“ – Official Development Assistence – steht für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit.
Nun ist Deutschland nicht der größte Geber in der G7: Dies sind weiterhin in absoluten Zahlen die USA. Deutschland hat gleichwohl in den vergangenen Jahren seine Entwicklungsleistungen stark gesteigert. Tatsächlich lag die Quote mit 0,83 Prozent noch nie so hoch Dies ist beachtlich und anerkennenswert.
Doch das Finanzministerium sollte wissen, dass von den deutschen ODA-Leistungen nur ein Teil aus dem Bundeshaushalt stammt und auch nur ein Teil für Entwicklungszusammenarbeit im engeren Sinne eingesetzt wird: Leistungen für Flüchtlinge, die in Deutschland untergebracht werden, können unter bestimmten Kriterien als ODA gemeldet werden. Das allein machte 12,8 Prozent der deutschen ODA im vergangenen Jahr aus. Ähnlich sieht es bei den Studienplatzkosten aus, die die Bundesländer für Studierende aus Entwicklungsländern als ODA melden können. Drittes Beispiel: Kredite, die die KfW zu günstigen Konditionen den Partnerländern anbieten kann. Hier nutzt die Bundesregierung das Standing der KfW an den Finanzmärkten, um gute Konditionen für internationale Kooperationsvorhaben zu nutzen, ohne dass Mittel aus dem Bundeshaushalt eingesetzt werden müssen.
Stephan Klingebiel istForschungsprogrammleiter am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn, ehemals Deutsches Institut für Entwicklungspolitik.
Eine entwicklungspolitische Strategiedebatte vor dem Hintergrund der massiven globalen Veränderungen – Stichwort Zeitenwende – wird in Deutschland bisher nur zaghaft geführt. Es gibt gute Gründe, über die deutsche ODA strategischer nachzudenken. Was kann und sollte Deutschland entwicklungspolitisch anstreben, wie sollten die Leistungen koordiniert werden? Eine solche Strategiedebatte sollte einen transparenteren Umgang mit den ODA-Zahlen einschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen