: Oldenburger Bauamt bremst Kreative aus
Eigentlich wollte die Agentur „Raum auf Zeit“ Ende April einen Tag der Zwischennutzung veranstalten, in einem leerstehenden Fotogeschäft. Das Bauamt grätschte dazwischen
Von Harff-Peter Schönherr
Es hätte so einfach sein können, bei „nutzen[2]“, dem 2. Tag der kreativen Zwischennutzung in Oldenburg am 21. April. Die behördliche Genehmigung für den Veranstaltungsort, ein leerstehendes Fotogeschäft in der Staustraße 16, schien eine reine Formalität. Aber es kam anders.
Der Ausrichter, die Oldenburger Agentur Raum auf Zeit (RAZ), gefördert durch die Stadt Oldenburg, musste alles kurz vorher absagen. Das Oldenburger Bauamt wollte für die eintägige Vortrags- und Diskussionsveranstaltung einen vollumfänglichen Bauantrag – bis Anfang 2023 hatte ein einfacher gereicht. Die Gäste wurden also wieder ausgeladen.
Dabei kennt sich RAZ, das in der temporären Nutzung von Leerständen einen „Freiraum für Utopien, Improvisation, Trial and Error“ sieht, mit derlei Genehmigungen aus. Es sammelt Informationen über Leerstände, berät ZwischennutzungsinteressentInnen, vermittelt freie Räume an „kreative Köpfe“, in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt. Und die Staustraße 16 war schon vorher von RAZ bespielt worden. Aber diesmal: keine Chance.
Kein Raum, „Potenziale der kreativen Zwischennutzung“ zu diskutieren. Ein herber Schlag für die Stadtentwicklungs-Debatte. „Mich hat das sehr überrascht“, sagt Kulturmanager Michael Hagemeister der taz. Er ist Gründer und Geschäftsführer von RAZ. „Wir hatten das einen Monat vorher angemeldet. Aber selbst das Kulturamt konnte uns da nicht helfen.“
Teil des Problems ist der Paragraph 47 „Vorübergehende Nutzung von Räumen für Veranstaltungen“. Dieser ist aus der Niedersächsischen Versammlungsstättenverordnung gestrichen worden. Er hatte Ausnahmen für nicht als Versammlungsraum genehmigte Räume ermöglicht.
„Es gab eine Genehmigung, und diese ist ausgelaufen“, teilt Kim Vredenberg-Fastje, Sprecherin der Stadt Oldenburg, der taz mit. Das bedeute aber nicht, dass RAZ „zukünftig für solche Tagungen keine Genehmigung erhalten wird“.
Aber Hagemeister ist überzeugt: „Eine Beantragung mit einem einfachen Bauantrag wäre möglich gewesen, mindestens im Rahmen einer Duldung.“ Sein Argument ist Paragraph 60 der Niedersächsischen Bauordnung. „Verfahrensfrei“, heißt es da, sei die „vorübergehende Nutzung eines Raumes, der nicht als Versammlungsraum genehmigt ist“ – sofern die Dauer nicht mehr als drei Tage im Jahr beträgt und der Raum nicht mehr als 200 BesucherInnen fasst. Die Staustraße 16 fasst 80 Besucher. Die Tagung hätte nur wenige Stunden gedauert.
Auch die Vollzugshinweise des niedersächsischen Bauministeriums zum „Umgang mit vorübergehenden Nutzungsänderungen von Räumen zu Versammlungsräumen“, am 28. März gerichtet an die unteren Bauaufsichtsbehörden, wertet Hagemeister als positives Zeichen. Es gebe „Handlungsspielräume“, heißt es in ihnen, eine „gute Kommunikation zwischen Bauaufsichtsbehörden und Veranstalterseite“ könne „zu praktikablen Lösungen führen“. Ein Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zu Vereinfachungen bei der Antragstellung sei angekündigt.
Lokalpolitisch hat Hagemeister ebenfalls Hoffnung. In der Sitzung des Kulturausschusses Mitte April hat er – als beratendes Mitglied – einen Antrag zu den Folgen der aktuellen Niedersächsischen Bauordnung für kulturelle Nutzungsänderungen gestellt. Die seit Oktober 2022 gültige Bauordnung habe „gerade auch für Kulturveranstaltungen und entsprechende temporäre Nutzungsänderungen massive Auswirkungen“, heißt es darin.
Nach Auskunft des städtischen Bauamts müssten „bis auf wenige Ausnahmen vollumfängliche Bauanträge gestellt werden“. Die Stadtverwaltung soll laut Antrag nun demnächst Auskunft erteilen, welche Möglichkeiten sie sehe, bei der geplanten Novelle der Bauordnung Änderungen zu erreichen. Und auch, welche Ausnahmegenehmigungen sie in der aktuellen Lage in Aussicht stellen könne.
RAZ plant „nutzen[2]“ jetzt für den Herbst 2023, vielleicht auch erst für das Frühjahr 2024. Räumlichkeiten dafür anzumieten, sei keine Option, sagt Hagemeister: „Gegenstand unseres Tuns ist es ja, zu zeigen, was in Zwischennutzungen möglich ist.“
Auch die Ausstellung „A turnaround and the fish calls herself Osca“ der Oldenburger Künstlerin Katrin Niemann, geplant bis Mitte Mai im Leerstand Haarenstraße 39, musste RAZ absagen – aus denselben Gründen wie „nutzen[2]“. Für diesen Leerstand bereitet Hagemeister allerdings derzeit einen vollumfänglichen Bauantrag vor. „Das ist zwar ein ziemlicher Aufwand“, sagt er. „Aber die Räume dort können wir bis November nutzen. Dafür lohnt sich das.“
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