Kommentar von Uwe Rada zum Brandbrief einer Lausitzer Schule: Wo bleibt der Strukturwandel von unten?
Ein Hitlergruß vor den Augen der Lehrer. Hakenkreuze auf Autos. Rassistisches Mobbing gegen Mitschülerinnen. Und ein Kollegium, das zur Hälfte wegschaut: Die Vorwürfe, die Lehrerinnen und Lehrer einer Schule im Landkreis Spree-Neiße erheben, sind mehr als nur ein Hilfeschrei. Sie zeigen einen rechtsextremen Alltag, der in der Lausitz vielerorts längst zum Mainstream geworden ist.
Nein, der Name der Schule wird nicht genannt in dem Brief, auch nicht die Stadt, in der sie sich befindet. Selbst die Verfasserinnen und Verfasser zeichnen ihren Hilferuf nicht namentlich: Zu groß ist ihre Angst, selbst Opfer rechter Gewalt zu werden. Die Angst vor den eigenen Schülerinnen und Schülern, die im Vorfeld der vergangenen Bundestagswahl bei einer Schülerwahl für eine Koalition von NPD und AfD gestimmt haben.
Dass die Lausitz ein Problem mit Rechtsextremismus hat, ist nicht neu. Schon 2019 hat der Brandenburger Verfassungsschutz die Verflechtungen von Neonazi- und Kampfsportszene in Cottbus toxisch genannt. Groß war deshalb die Erleichterung, dass sich im vergangenen Jahr mit Tobias Schick ein SPD-Mann in der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters deutlich gegen einen AfD-Kandidaten durchsetzen konnte.
Der Brandbrief zeigt nun, dass es auch in Schulen in dem Landkreis, in dessen Mitte Cottbus liegt, toxisch zugehen kann. Für die Landesregierung in Potsdam kommt er zur Unzeit. Fast vier Milliarden Euro an Fördermitteln pumpt Brandenburg in den Strukturwandel in der Lausitz. Dazu kommen noch die unmittelbar vom Bund bezahlten Leuchtturmprojekte wie die Hochschulmedizin in Cottbus, das ICE-Werk oder der Lausitz Science-Park.
Die rechte Gewalt schreckt Zuzügler ab
Tausende Hightech-Jobs sollen den Verlust kompensieren, der mit dem Ausstieg aus dem Braunkohletagebau entsteht. Aber wer will schon aus München, Hamburg oder Berlin in die Lausitz ziehen, wenn nicht einmal die eigenen Kinder in der Schule sicher vor rechter Gewalt sind?
Immerhin hat der designierte neue Bildungsminister den Schuss gehört. Doch das reicht nicht. Durch die Politik in Brandenburg muss ein Ruck gehen. Nicht nur in Beton dürfen die Milliarden aus dem Strukturstärkungsgesetz investiert werden, sie müssen auch in Demokratieprojekten, in der Zivilgesellschaft, in den Köpfen ankommen. Wird da nicht schnell umgesteuert, droht der Strukturwandel zum Milliardengrab zu werden.
Uwe Rada ist Redakteur für Stadtentwicklung und Landespolitik.
Schon einmal hat ein Brandbrief die Politik wachgerüttelt. 2006 gingen Lehrerinnen und Lehrer der Neuköllner Rütli-Schule an die Öffentlichkeit, weil sie das Gewaltproblem nicht mehr in den Griff bekamen. Inzwischen ist aus der Problemschule mit dem Rütli-Campus ein Vorzeigeprojekt geworden.
Brandenburg hat es in der Hand, ähnliche Erfolgsgeschichten zu schreiben. Und es hat das nötige Geld für einen solchen Strukturwandel von unten.
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