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Ex-Pastor über Klaus-Michael Kühne„Er ist gut gegen Kritik gepanzert“

Ex-Pastor Ulrich Hentschel über das Sponsoring von Klaus-Michael Kühne, dessen Spedition im NS am Abtransport jüdischen Eigentums verdient hat.

Kann gut mit Machthabern: Klaus-Michael Kühne (rechts) neben Entwicklungsminister Gerd Müller 2020 Foto: dpa / Axel Heimken
Interview von Henning Bleyl

taz: Herr Hentschel, wie viel Macht hat Klaus-Michael Kühne in Hamburg?

Ulrich Hentschel: Sehr viel! Die speist sich zum einen aus seinen Beteiligungen an Hapag-Lloyd und der Lufthansa, zum anderen aus seinem finanziellen Engagement für die Elbphilharmonie, das Literaturfestival „Harbour Front“, die Staatsoper, die Hauptkirche St. Katharinen und andere wichtige kulturelle Einrichtungen. So schafft er es, die Diskussion über die fehlende Beschäftigung mit der lukrativen NS-Geschichte seines Unternehmens kleinzuhalten.

Verhindern finanzielle Abhängigkeiten von Kühne und seinem Vermögen also eine kritische Diskussion über die zentrale Rolle, die das Unternehmen Kühne+Nagel beim Abtransport jüdischen Eigentums aus ganz Westeuropa und Italien spielte? Immerhin vergibt das Harbour-Front-Literaturfestival nun keinen „Klaus-Michael Kühne-Preis“ mehr.

Das war in der Tat eine Reaktion auf die öffentliche Aufmerksamkeit, die entstand, als sich Sven Pfizenmaier von seiner Preis-Bewerbung zurückzog – explizit begründet mit Kühnes Geschichtsklitterung.

Bild: privat
Im Interview: Ulrich Hentschel

72, Pastor in Ruhestand und Blogger (linksabbieger.net). An der Evangelischen Akademie der Nordkirche baute er den Bereich „Erinnerungskultur“ auf.

Die Autorin Franziska Gänsler trat von ihrer Nominierung ebenfalls zurück, weil sie es wiederum untragbar fand, wie die Kühne-Stiftung mit Pfizenmaiers Kritik umging. Ist da nicht doch eine gewisse Dynamik entstanden?

Durchaus, aber das ist noch lange kein Durchbruch. Wahrscheinlich ändert sich erst dann wirklich etwas, wenn in der New York Times mal ein Artikel über Kühnes frühe NS-Profite stünde.

In Bremen war es auch ohne so etwas möglich, ein „Arisierungs“-Mahnmal unweit der neuen Kühne+Nagel-Zentrale zu platzieren – mit Fokus auf die damaligen Speditions-Geschäfte.

In Bremen ist Kühne aber auch gesellschaftlich und als Kultursponsor längst nicht so präsent wie in Hamburg. Hier konzentriert er seine Stiftungsaktivitäten.

Bremen ist der Stammsitz von Kühne+Nagel. Aber es wäre nicht vorstellbar, dass sich der Unternehmer in den örtlichen Fußballverein einkauft.

Auch beim HSV gibt es jetzt eine kleine Fan-Gruppe, die sich kritisch mit der Herkunft von Kühnes Vermögen beschäftigt – aber das ist erst ein kleiner Anfang. Kühne ist gut gegen Kritik gepanzert.

Bei der Diskussion morgen Abend ist niemand von der Kühne-Stiftung dabei – wurde die nicht eingeladen?

Doch, natürlich, aber ohne Erfolg. Leider hat auch Gabi Dobusch, Kulturexpertin der SPD und Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, ihre Teilnahme abgesagt. So entsteht der Eindruck, dass, wie Kühne und die von ihm beschenkten Kultureinrichtungen, auch die Hamburger Politik einer kritischen Debatte ausweichen will.

Die Diskussion

„Kultur, Kühne, NS-Profite – Nicht schön, aber doch notwendig?“ mit Ulrich Hentschel, Christoph Twickel (Die Zeit). Moderation: Stephan Linck (Ev. Akademie): Di, 25. 4., 19 Uhr, Hamburg, Dorothee-Sölle-Haus, Königstraße 54

Stimmt.

Dabei ist es sehr wichtig zu diskutieren, welche Mitverantwortung die staatliche Kulturpolitik für die Akzeptanz einer bedeutenden NS-Erbschaft hat. Man muss ja über Maßstäbe für eine Grenze sprechen, ab der die kulturelle Förderung, die einem Ablasshandel gleichkommt, aus solchem Vermögen nicht mehr akzeptabel ist. Und wenn Kühne wirklich der Hamburger Patriot wäre, als der er sich immer bezeichnet, würde er hier auch Steuern zahlen – das wäre weit mehr, als er nun an Stiftungsgeldern verteilt.

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2 Kommentare

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  • Gibt es kein anderes Hamburger SPD-Mitglied, dass sich der moralischen Dimension der Diskussionsveranstaltung gewachsen sieht?



    Frau Dobusch machte bei einer vorherigen taz-Veranstaltung keine gute Figur, weil sie in Bezug auf die Mitverantwortung für die Ausplünderung der Juden Europas durch Kühne + Nagle keine klaren Worte fand.

    Video: www.youtube.com/watch?v=alloDQguA6k

    Eine Zuschauerin fragte nach der Aufarbeitung und Verantwortung der Stadt Hamburg für arisiertes jüdisches Vermögen, ohne das Frau Dobusch betonte, dass sich auch die Stadt Hamburg an jüdischen Vermögen (vor allem Häuser, Grundstücke) massiv bereichert hatte. Hier ist zum Beispiel die Universität der Stadt Hamburg zu nennen.



    Dobusch verwies auf einen Stolperstein für den jüdischen Mitbesitzer von Kühne + Nagel, Adolf Maass, der das Unternehmen 1933 ohne Abfindung verließ. Warum, kann nicht geklärt werden, weil Kühne + Nagel unabhängigen Historikern den Zugang zu seinem Archiv verweigert.



    Werner Kühne wurde 1933 Mitglied der NSDAP. Nach Einschätzung der taz wäre das mit einem jüdischen Mitbesitzer nicht möglich gewesen.

    Der Sohn der Familie Maass bezeichnete die Kühne-Brüder in einem Dokument als einflussreiche Nazis.



    Zur großen Feierstunde der Stadt Hamburg zum Jubiläum von Kühne + Nagel waren die Nachfahren der Familie Maass erstaunlicherweise nicht von der Stadt Hamburg eingeladen.



    In Bezug auf eine mögliche andere Ehrung für die Familie Maass sagte Dobusch trocken „Das ist ja gar nicht so einfach, wofür?“



    Daraufhin verwies taz-Autor Bleyl darauf, dass das Unternehmen entscheidend von Maass aufgebaut wurde.

    Klar ist, dass Kühne + Nagel das logistische Rückgrat für die materielle Ausplünderung der Juden Europas innerhalb der Shoa bildete.

    Als Otto Frank, der Vater von Anne Frank, der als einziger seiner Familie die Shoa überlebt hatte, in sein Haus im Amsterdam zurückkehrte, war es von Nazis komplett ausgeplündert worden.



    Er ließ es als Mahnmal für die Shoa leer stehen.

  • Im Grunde haben wir es hier ja mit drei überlagerten Problemen zu tun, die alle dringend einer Lösung bedürften:

    1. Ein großes Vermögen, das als Profit aus einer tiefen Verstrickung in NS-Unrecht entstanden ist. Da wäre neben der Aufarbeitung auch die Zahlung von Entschädigungen an die Opfer nötig, nicht nur bei Kühne.

    2. Überhaupt sind große Vermögen ja nicht vom Himmel gefallen, sondern – je länger sie schon bestehen, umso mehr – auf eine Weise zusammengetragen worden, die wir heute nicht mehr so dulden würden. Insofern wäre der Allgemeinheit sehr geholfen, würden endlich Vermögen- und Erbschaftsteuer vollzogen werden, und zwar in erheblicher Höhe.

    3. Private Stiftungen sind nicht nur eine Methode der Steuerersparnis, sondern die "Stifter" dürfen ganz legal am Souverän vorbei entscheiden, was mit viel Geld gefördert wird und was nicht. Staatliche Grundfinanzierung bei den steuerbegünstigten Zwecken wird im Gegenzug systematisch heruntergefahren. Und zugleich liefern die Stiftungen in anderen Fällen (Gates, Soros) den Stoff für Verschwörungserzählungen. Stiftungen sind somit eine Gefahr für die Demokratie und müssten ganz anders reguliert werden. Nebenher müssten Kultur und Wissenschaft viel stärker staatlich finanziert werden – ohne Sonderauflagen für Drittmittelprojekte!

    Meinetwegen könnte man am Beispiel Hamburg und Kühne alle drei Probleme gemeinsam diskutieren.