Gesetz für Arbeitszeiterfassung: Union wirft Heil Gängelung vor
Das Arbeitsministerium legt ein Gesetz für die Arbeitszeiterfassung vor. Es gibt Kritik von Gewerkschaften, Linken und der Union.
Berlin taz | Das Arbeitsministerium (BMAS) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Erfassung von Arbeitszeit neu regeln soll. Zuerst berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass Unternehmen angehalten werden, Arbeitszeiten künftig jeden Tag elektronisch zu erfassen.
Das Ministerium unter der Leitung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht vor, dass Arbeitgeber_innen Dauer, Beginn und Ende der Arbeitszeit festhalten. Aber auch durch Dritte oder die Arbeitnehmer_innen selbst soll eine Aufzeichnung möglich sein. Arbeitnehmer_innen sollen zudem einfordern können, über die Aufzeichnungen in Kenntnis gesetzt zu werden.
Allerdings sind im Gesetzentwurf auch Ausnahmen vorgesehen – Tarifpartner können diese mit Unternehmen und Betriebsräten vereinbaren. Auch Vertrauensarbeitszeit soll demnach weiterhin möglich sein. Bei der sogenannten Vertrauensarbeitszeit teilen sich die Arbeitnehmer_innen ihre Arbeitszeit selbst ein, es gelten dennoch die gesetzlichen Vorgaben wie Pausenzeiten und die Ruhezeit nach Feierabend von elf Stunden.
Weiterhin soll es laut Süddeutscher Zeitung auch möglich sein, auf die Erfassung der Arbeitszeit zu verzichten oder diese nicht-elektronisch zu erstellen. Auch für Kleinbetriebe sind Ausnahmen vorgesehen.
Bislang müssen nur Überstunden erfasst werden
Der Gesetzentwurf wurde vom Arbeitsministerium erstellt, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2019 sowie das Bundesarbeitsgericht (BAG) im vergangenen September dies verlangten. Letzteres entschied, dass Arbeitgeber ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ einführen müssen, „mit dem die von Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“.
Die Richter_innen des BAG stellten demnach fest, dass das Arbeitsschutzgesetz laut EuGH-Rechtsprechung bereits eine Pflicht zur Aufzeichnung beinhaltet. Zuvor gab es laut Arbeitszeitgesetz nur eine Pflicht für die Dokumentation von Überstunden.
Arbeitgeber_innen, Opposition als auch Gewerkschaften reagierten mit Kritik auf den Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil. Der Fraktionsvize der CDU, Hermann Gröhe, sagte der dpa, Arbeitsminister Hubertus Heil wolle Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Vorgaben bei der Arbeitszeiterfassung offenbar gängeln: „Seine Pläne verengen gerade bei der Vertrauensarbeitszeit Spielräume, die besonders in der heutigen Zeit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gewünscht und gebraucht werden.“
Die stellvertretende Fraktionsvize der Linken, Susanne Ferschl, wünscht sich dagegen striktere Vorgaben: „Gut, dass nun endlich eine gesetzliche Regelung zur Arbeitszeiterfassung kommt. Schlecht, wenn es so viele Ausnahmen gibt“, twitterte sie.
Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), twitterte ebenfalls: „Eine Ausnahme für Forschende, echt jetzt? Da hat man wohl im BMAS den Schuss nicht gehört.“
Leser*innenkommentare
Philippo1000
Die Kritik der CDU geht fehl, da es sich um Umsetzung einer EU Borgabe handelt und kein Privatanliegen des Ministers ist. Wie wir dem Artikel entnehmen, ist der Punkt " Vertrauensarbeitszeit" ebenfalls berücksichtigt worden. Also, abgesehen von der Tatsache, dass in Hessen demnächst gewählt wird, hat die CDU nichts zu sagen.
Fabian Wetzel
@Philippo1000 Was an einer vorgeschriebenen Arbeitszeiterfassung jetzt Gängelung der Arbeitnehmer sein soll verstehe ich sowieso nicht. Im Gegenteil, die Arbeitgeber haben ggf. Aufwand und Kosten, und können Überstunden nicht mehr so einfach unter den Tisch fallen lassen.
Ich habe selbst seit über 15 Jahren in keinem Betrieb gearbeitet, wo es keine Anwesenheitszeiterfassung gab. Und oh weh oh weh ich muss(te) sogar meist noch dokumentieren wielange ich an welchem Projekt gearbeitet habe. Das ist doch ein Vorteil. Wenn mich der Chef um 3 vom Hof radeln sähe und fragte warum ich schon ginge, sagte ich ihm er solle bitte in die Zeiterfassung schauen, ich hätte Überstunden. :)
Die CDU in Person von Gröhe ist hier also ganz üblich drauf. Auf Unternehmerseite stehen, aber sich verbal zum Tribun der kleinen Arbeiter stilisieren. Nichts Neues.
669197 (Profil gelöscht)
Gast
Es wird die Arbeitsproduktivität senken.
Axel Schäfer
Hier natürlich nie eine Regel ohne viele Ausnahmen.
Was mich allerdings schon länger umtreibt ist die immer noch zugelassene Verplemperung erfasster Arbeitstźeit durch die Raucher. Seit Rauchen am Arbeitsplatz nicht mehr drin ist und es ind en Gebäuden auch keine Pausenräume für Raucher gibt begegnet man jetzt immer Grüppchen von Rauchern im Aufzug, auf dem Weg nach draußen. Da würde ich mal sagen, die hauen sich da so mindestens 1 bis 2 Stunden pro Tag raus. Kriegen die Nichtraucher solche Zeiten dann auch gut geschrieben :-)
669197 (Profil gelöscht)
Gast
@Axel Schäfer Ich bin kein Raucher, aber unsere beiden Raucher haben 0 und 5 Krankentage im Jahr, die Nichtraucher im Schnitt 19 Tage. Ich würde nur Raucher einstellen, wenn ich das selbst entscheiden könnte, weil die im Schnitt deutlich mehr Gewinn erwirtschaften. So habe ich das in den früheren Abteilungen auch schon erlebt,