Ein-Themen-Partei in Bremen: „Sind eine optimistische Partei“

In Bremen tritt erstmals die „Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung“ zur Landtagswahl an. Ein Gespräch mit ihrem einzigen Kandidaten.

Wahlplakat der Partei für Verjüngungsforschung

So alt wie manche Bremer Kirche werden: Rasmus Hellborn würde das gern möglich machen Foto: Jan Zier

taz: Herr Hellborn, Sie meinen das mit der „Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung“ schon ernst, oder?

Rasmus Hellborn: Ja!

Der erste Gedanke ist: Das ist doch eine Spaßpartei! Oder aber ein Sammelbecken für Esoteriker:innen.

Es ist verständlich, dass dieser Eindruck entsteht. Aber wir stehen mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Wissenschaft. Mit den heutigen Technologien der Biowissenschaften und neuen schulmedizinischen Ansätzen haben wir eine gute Chance, wirksame Medizin gegen Alterskrankheiten zu entwickeln, sodass alte Menschen körperlich und geistig gesund bleiben können. Daran wird heute schon geforscht! Wir wollen das beschleunigen, damit möglichst viele Menschen davon profitieren.

Sie werben etwa mit dem Spruch: „Wo willst Du in 800 Jahren leben?“ Warum wollen Sie so alt werden?

Mir persönlich geht es gar nicht so sehr darum, so alt zu werden. Aber Altern geht oft mit viel Leiden einher. Deshalb wollen wir Alterskrankheiten wie Krebs, Alzheimer, Schlaganfall, Herzinfarkt, Arthrose, Osteoporose oder Parkinson bekämpfen, um das Leiden zu vermindern. Es geht darum, das körperliche Altern auf zellulärer Basis zu stoppen. Dort entstehen im Laufe des Lebens immer mehr Schäden, die in der Folge zu diesen Krankheiten führen. Die menschliche Lebenserwartung könnte Schritt für Schritt steigen. Das, was jetzt eine unausweichliche Notwendigkeit ist – der Tod –, soll optional werden. Schon wenn eine dieser Alterskrankheiten besiegt würde, wäre das ein großer Erfolg. Es geht dabei um viele Technologien, nicht um eine Wunderpille, die alles heilt.

Was motiviert Sie, sich in dieser Partei zu engagieren?

Es gibt diese Verjüngungsforschung schon, aber sie wird gerade in Deutschland nicht in dem Maße unterstützt, wie es unserer Meinung nach nötig wäre. Es müssen mehr öffentliche Gelder dafür bereitgestellt werden!

26, ist Software-Consultant und Spitzen-, aber auch einziger Kandidat der „Partei für schul­medizinische Verjüngungs­forschung“ bei der Bremischen Bürgerschaftswahl am 14. Mai.

Ihre Politik besteht nur aus der Forderung, zehn Prozent der Haushaltsmittel für Verjüngungsforschung auszugeben.

Ja.

Haben Sie eine Idee, wie viel Geld das in Bremen wäre?

Zunächst wahrscheinlich zu viel, weil wir noch gar nicht genug Leute für die Verjüngungsforschung haben. Wir wollen vor allem Aufmerksamkeit generieren, damit unser Anliegen ins Bewusstsein der politischen Entscheidungsträger kommt.

Der Bremer Haushalt sieht für dieses und vergangenes Jahr Ausgaben von jeweils rund fünf Milliarden Euro vor, das wären 500 Millionen Euro für Verjüngungsforschung. Ist das angemessen?

Es geht um die größte Ursache für menschliches Leid! Und es würden ja auch neue Einnahmequellen für das Land Bremen entstehen, weil Medikamente hier entwickelt würden, die die ganze Welt braucht. Zugleich sinken die Kosten im Gesundheits- und Pflegesektor.

Wo sollen diese 500 Millionen Euro eingespart werden?

In der Vergangenheit hat sich immer Geld gefunden, wenn es darum ging, Krisen zu bewältigen.

Altern ist ja keine Krise, sondern ein natürlicher Prozess.

Für viele Menschen ist das eine Krise, wenn sie, wenn ihre Angehörigen sterben. Und es ist eine Krise für das leider allzu oft überlastete Pflegepersonal.

Wo sollen wir wohnen, wenn alle in 800 Jahren noch leben?

Es entstehen neue Herausforderungen, von denen wir glauben, dass sie lösbar sind. Es gibt auf der Erde sehr viel Platz für sehr viel mehr Menschen, das sieht man ja schon, wenn man im Flugzeug fliegt. Wir müssten natürlich den Flächenverbrauch etwa der Landwirtschaft durch mehr Effizienz reduzieren. Es würde aber wahrscheinlich gar nicht zu einem Problem mit Überbevölkerung kommen: Durch neue Technologien wie erneuerbare Energien und Fleisch aus dem Reagenzglas wird sich die Tragfähigkeit der Erde erhöhen.

Aber auch der Klimawandel würde mit so vielen Menschen schneller voranschreiten.

Wir können ja nicht die Leute sterben lassen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Wenn wir die Umweltbelastung reduzieren, können problemlos viel mehr Menschen auf der Erde leben.

Davon würden dann am Ende auch Autokraten profitieren. Sollen die ewig regieren?

Ich glaube, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen gut ist. Sollen weiterhin über 100.000 Menschen pro Tag an Alterskrankheiten sterben, nur damit es Diktatoren auch trifft? Der weltweite Anteil an Diktaturen nimmt seit Jahrzehnten stetig ab, der Anteil an Demokratien wächst kontinuierlich.

Die konkreten Folgen einer erfolgreichen Verjüngungsforschung werden bei Ihnen aber kaum thematisiert.

Wir greifen das schon auf, es ist aber nicht das Kernthema unserer Partei bei der Wahl. Uns geht es zunächst darum, Leben zu retten und Leiden zu vermindern. Wir sind eine optimistische Partei, die an den Erfindungsgeist der Menschen glaubt.

Ihnen sind alle Politikfelder egal. Sie haben dazu gar keine Forderungen im Programm. Ist das nicht Politikverweigerung?

Nein! Wir setzen unsere Prioritäten anders und sind bereit, mit allen demokratischen Parteien außer der AfD zu kooperieren. Unser Schwerpunkt muss es nicht sein, zu allen Politikfeldern auch noch Positionen zu entwickeln. Wir wollen, dass andere Parteien unser Anliegen aufnehmen.

Sie haben in Bremen viel plakatiert, obwohl sie bei einer Wahl noch nie mehr als 0,5 Prozent der Stimmen bekamen. Woher kommt das Geld?

Wir sind eine spendenbasierte Partei, die von ihren Mitgliedern getragen wird.

Bundesweit sind das keine 400, in Bremen nicht mal zehn!

Die Hälfte der Plakate haben wir von der Berlin-Wahl wiederverwendet, das Geld für die übrigen kommt von Mitgliedern aus ganz Deutschland. Wir werden nicht von Unternehmen gesponsert.

Wie wurden Sie zum Spitzenkandidaten?

Ich wurde von einem Freund gefragt, ob ich nicht den Landesverband gründen wolle und fand die Idee charmant. Und kein anderer wollte kandidieren. Ich komme aus einem eher linken Elternhaus, verstehe mich selbst aber als eher pragmatisch. Für uns ist es schon ein großer Erfolg, dass wir überhaupt zu dieser Wahl antreten dürfen.

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