Chemnitz: Polizei schweigt zu Tatmotiv

Eine Reisegruppe wurde offenbar von Rechten angegriffen. Jetzt gibt es Kritik an Stadt und Polizei

Von Johannes Grunert

Das Sprechen fällt Dirk Heise* noch schwer. „Die Stimme ist noch eher Darth Vader als Mensch“, sagt der 33-jährige Kulturmanager über seine Verletzungen. Viel Glück bewahrte ihn möglicherweise vor Schlimmerem: Zusammen mit zwei Mitreisenden war er am vorvergangenen Samstag brutal verprügelt worden, offenbar von rechten Schlägern.

Heise und seine Begleitung waren nach einem Netzwerktreffen in Chemnitz auf dem Weg zurück zum Hotel, als sie von einer siebenköpfigen Gruppe junger Männer eingeholt wurden. „Seid ihr Zecken?“ und „Ihr sollt kein Englisch sprechen!“, sollen die Täter geäußert haben. Bevor Heise reagieren konnte, hatte er schon den ersten Schlag abbekommen, „gezielt mit der Faust auf den Kehlkopf“. Heise trug einen Kehlkopf- und einen Jochbeinbruch davon.

Sie hatten die Gruppe bereits kurz nach Verlassen des Clubs Weltecho bemerkt. Von Seiten des Clubs heißt es, die mutmaßlichen Täter seien auch dort schon aufgefallen. Ein Mann aus der Gruppe habe ein Shirt der rechten Szenemarke „European Brotherhood“ getragen.

Vor einer Woche, nachdem Heise von der Kriminalpolizei ausführlich befragt worden war, veröffentlichte die Polizeidirektion Chemnitz dann eine Pressemitteilung – ohne jedoch auf einen möglichen politischen Hintergrund einzugehen. Auf Nachfrage gibt die Polizeidirektion Chemnitz an, das Dezernat Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen, weil ein politischer Hintergrund der Tat nicht ausgeschlossen werden könne.

Erst diesen Montag, neun Tage nach der Tat, verurteilte Ordnungsbürgermeister Knut Kunze den „Angriff mit vermutlich politischer Motivation“. Die Opferberatungsstelle Support und der Organisator des Netzwerktreffens kritisieren die zögerliche Reaktion von Polizei und Stadt: „Die Beleidigungen legen nahe, dass es Täter aus der rechten Szene waren“, sagt André Löscher von Support. Er macht zudem auf die Bedeutung solcher Taten für die Stadt aufmerksam: „Chemnitz muss sich mit Blick auf das Kulturhauptstadtjahr 2025 auch daran messen lassen, wie Behörden und Verwaltung auf solche Angriffe reagieren.“

Tatsächlich war Chemnitz anlässlich der Kulturhauptstadt 2025 als Austragungsort für die Konferenz ausgewählt worden. „Insgesamt haben wir uns sehr willkommen gefühlt“, sagt Dirk Heise. „Nach dem Vorfall haben wir uns allerdings gefragt, wie man hier für die Sicherheit internationaler Gäste und marginalisierter Gruppen garantieren will.“

*Name geändert